2017 in sieben Minuten

Jahresrückblick

Januar

Das Jahr startete mit einer schlechten Nachricht für Handball-Fans. Weil die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF die Verhandlungen um die Live-Übertragungsrechte verpatzt hatten, drohte den deutschen Fans der WM-Blackout. Die Rettung kam unerwartet: Die Deutsche Kreditbank (DKB), Titelsponsor der Handball-Bundesliga, sicherte sich kurzerhand die Rechte und stellte „in kürzester Zeit“ die Übertragung des Sportevents via Livestream auf die Beine, wie uns Digital-Strategin Henriette Lüderitz erzählte. Ein mutiger Entschluss, der aus PR-Sicht trotz technischer Probleme gut gelang und am Ende mit dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation belohnt wurde.

Februar

Was war denn da los? Aus den dunklen Ecken des World Wide Web tuckerten die „Trash Doves“ hervor und vergruben das Netz unter ihren lila Hauben. Wie, die kennen Sie nicht? Macht nichts, dieser Hype verschwand so schnell, wie er gekommen war. Aber weil wir gerade bei Aufregung sind – erinnern Sie sich noch an die Oscar-Verleihung? Genau, da wurde zunächst der Musicalfilm „La La Land“ irrtümlich als Gewinner verkündet. Diese peinliche Panne sorgte für Fassungslosigkeit auf der ganzen Welt. Und warf die Frage auf: Hätte das nicht auch an anderer Stelle passieren können?

(c) Screenshot Twitter

(c) Screenshot Twitter (Originalpost)

März

Der Märzen verzauberte die Herzen – ohne, dass es dieser Herr zunächst geahnt hätte:

Was für den Kommentator ein Desaster war, rührte Millionen Menschen weltweit. Heute geht es dem „BBC-Dad“ besser, wie er der FAZ kürzlich berichtete.

Auch der tränenreiche Abschied des Profifußballers Kevin Großkreutz von seinem Verein VfB Stuttgart war ein emotionaler Moment im März. Großkreutz hatte nach einigen persönlichen Verfehlungen, zuletzt einer Schlägerei, seinen Hut nehmen müssen. Doch für manche ist der junge Wilde auch ein Vorbild, zum Beispiel für Serviceplan-Geschäftsführer Klaus Weise. Was in Sachen Krisen-PR von Großkreutz zu lernen sei, das hat er für uns aufgeschrieben. (Und was es bedeutet, ein Vorbild im Fußball zu sein, darüber sprachen wir an anderer Stelle mit dem Medienchef der TSG Hoffenheim, Christian Frommert.)

April

Dies ist eine Geschichte, die nur das Social Web schreiben kann. Alles begann mit einem jungen Mann, der Chicken Nuggets wollte. Also fragte er auf Twitter die Fast-Food-Kette seines Vertrauens, wie viele Retweets es bräuchte, um ein Jahr lang in den Genuss von Gratis-Nuggets zu kommen. Die prompte Antwort: 18 Millionen. Was danach folgte, ist Geschichte. Carter Wilkerson rief das Netz auf, ihm zu helfen, und das ließ sich nicht zweimal bitten – innerhalb weniger Tage sammelte der 16-jährige US-Amerikaner 3,4 Millionen Retweets ein und knackte damit den Rekord des bis dahin meistgeteilten Tweets.

(c) Screenshot Twitter

(c) Screenshot Twitter (Originalpost)

Und die Fast-Food-Kette Wendy’s? Die wusste die unverhoffte Aufmerksamkeit für sich zu nutzen und schenkte Wilkerson – trotz der nicht erreichten Zielmarke – die Gratis-Nuggets. So geht PR!

Mai

Apropos Rekorde – die gibt es natürlich auch in umgekehrter Richtung. Einen absoluten Negativrekord stellte ausgerechnet eine der erfolgreichsten deutschen Influencerinnen auf: Bianca Heinicke alias Bibi (4,5 Millionen Fans auf Youtube) sammelte mit ihrem Debüt-Popsong „How it is (wap bap)“ bis heute satte zwei Millionen Dislikes ein, was ihr den unrühmlichen siebten Platz der meistgehassten Youtube-Videos der Welt eingebracht hat. Ungeachtet der Häme im sozialen Netz und aus den Musikredaktionen des Landes kletterte das Liedchen bis auf Platz neun der deutschen Charts, in Österreich sogar bis auf Platz fünf. Influencer können eben auch aus – pardon – Mist Gold machen …

Juni

… oder doch nicht? Die Sommer-Kampagne für das Waschmittel „Coral“ ging jedenfalls gründlich schief. Reichweitenstarke Influencer sollten Bilder von sich und den Waschmittelflaschen posten; die Ergebnisse sahen teils haarsträubend aus:

(c) Screenshot Instagram

(c) Screenshot Instagram (Originalpost)

Besser machte es da die Deutsche Bahn – wie Influencer Marketing dort abläuft, darüber haben wir im Juni berichtet.

Weitere Beispiele herausragender Kommunikation gab es zudem in Berlin zu bestaunen: Dort wurde der Deutsche Preis für Onlinekommunikation vergeben. Die Auszeichnung für die Kampagne des Jahres ging an Alfred Ritter für seine Einhorn-Schokolade, die Strategie des Jahres kam von Hamburg Marketing, Jung von Matt und Achtung für die Inszenierung der Eröffnung der Elbphilharmonie, mit der sie auch in der Kategorie „Innovation des Jahres“ überzeugten. Den Preis für das Social-Media-Team des Jahres heimste Lidl ein.

Und dann war da noch ein Ereignis, das eine kleine Revolution bedeutete – unerwartet und umso zügiger rollte es sich zum Ende des Monats aus: der Beschluss der Ehe für alle. Das ganze Netz feierte – und insbesondere diesen Tweet:

(c) Screenshot Twitter

(c) Screenshot Twitter (Originalpost)

Übrigens schaffte es dieser Tweet zum erfolgreichsten in Deutschland in diesem Jahr. Ob die AfD das freut?

Juli

Im Juli wurde es ungemütlich. Der G-20-Gipfel in Hamburg Anfang des Monats wurde von schweren Ausschreitungen begleitet, zur Mitte des Monats eskalierte der Abgasskandal mit Rückrufen enormen Ausmaßes bei Audi und Daimler zu einem neuen Höhepunkt, und zum Ende des Monats nahm der Fiprolin-Skandal, bei dem in Nordrhein-Westfalen fast 900.000 Eier wegen Schadstoffbelastung zurückgerufen werden mussten, seinen Anfang. Keine leichte Situation für die Kommunikation, die doch Aufklärung und Transparenz vermitteln soll – eine Aufgabe, die sie allein aber nicht lösen kann, wie Stefan Zuber in einem Kommentar feststellte.

August

Die schlechten Nachrichten hören zunächst nicht auf: Die Fluggesellschaft Airberlin meldete im August Insolvenz an. Der Flugbetrieb sollte noch bis Ende Oktober laufen, doch eine Rettung gab es für die Airline letztlich nicht. Und so verabschiedete sich Deutschland von einer Marke, die vielen vor allem wegen ihres Schokoherzes in Erinnerung bleiben wird. Wie die Insolvenz aus kommunikativer Sicht abgewickelt wurde, das haben wir recherchiert.

Doch genug getrauert. Hier nun wieder etwas Erbauliches: Am 23. August feierte Twitter die Erfindung seines berühmten Doppelkreuzes, den Hashtag. Ja richtig, schon zehn Jahre ist es her, dass ein US-Amerikaner auf die Idee kam, den noch jungen Kurznachrichtendienst zu sortieren. Der erste Hashtag der Welt lautete übrigens schnöde „barcamp“.

September

Endlich September! Und das bedeutet: Das Branchenevent des Jahres stand wieder vor der Tür. Der Kommunikationskongress 2017 lockte rund 1.500 Besucher ins Berliner Congress Center BCC am Alexanderplatz. Zwei Tage lang ging es um Best Cases, Trends und eine Bestandsaufnahme der Branche. Unter dem Fokusthema „Relevanz“ wurden die Fragen geklärt, was heute noch von Bedeutung ist und wie Kommunikationsprofis diese erreichen können. Ein Fazit: Es kommt am Ende auf die Leser an, und die wollen vor allem die Geschichte hinter der Nachricht hören.

Außerdem erklärte Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in seiner Keynote, warum Relevanz von Konkurrenz lebt. „Es ist wichtig, die relevanten Inhalte nicht den falschen Menschen zu überlassen”, gab der Journalist hinsichtlich der Bundestagswahl zu bedenken.

Denn, genau, es war auch Wahljahr. Die Bundestagswahl fand nur wenige Tage im Anschluss des Kongresses statt. Welche Partei sich im Wahlkampf rhetorisch gut geschlagen hat und welche weniger, das analysierte für uns die Neurolinguistin Elisabeth Wehling.

Oktober

Das Wetter war launisch und im Social Web braute sich ein Sturm zusammen. Den Anstoß gab dieser Tweet:

(c) Screenshot Twitter

(c) Screenshot Twitter (Originalpost)

Vorausgegangen waren Berichte der New York Times und des New Yorker über US-Filmproduzent Harvey Weinstein, wonach dieser jahrzehntelang Frauen sexuell missbraucht haben soll. Auf Twitter entbrannte daraufhin unter dem Hashtag #MeToo eine Sexismus-Debatte, die bald über die Grenzen Hollywoods und der USA hinausschwappte. Viele prominente Namen verließen in der Folge die öffentliche Bühne.

Die Narrenkrone hat dabei aber sicher US-Schauspieler Kevin Spacey verdient: Als er beschuldigt wurde, einen Schauspieler zu Jugendzeiten bedrängt zu haben, entschuldigte er sich – und schob im gleichen Atemzug sein Coming-Out hinterher. Hatte Spacey ein Ablenkungsmanöver im Sinn, ging dieser Plan zunächst auf – für einen Moment stand sein Coming-Out im Fokus der Medienberichterstattung. Doch die Empörung über das „schlechte Timing“ seines Bekenntnisses überrollte Spacey schließlich und entließ ihn in die Bedeutungslosigkeit. Er verlor Rollen, Geschäftspartner und am Ende auch seine PR-Agentur, mit der er immerhin acht Jahre lang verbunden gewesen war. Fazit: Schlechtere Krisen-PR geht nicht, Mister Spacey!

November

Debattenkultur braucht Platz für die Formulierung kluger Gedanken – das dachte sich auch Twitter und verdoppelte im November die Zeichenanzahl seiner Tweets: Statt 140 Zeichen stehen neuerdings 280 Zeichen für einen Tweet zur Verfügung. Die Reaktionen der Nutzer waren gespalten, eine erste Analyse der Social-Media-Marketingplattform Social Flow ergab jedoch: Längere Tweets generieren mehr Engagement. Ob das aber nur der Aufregung um die Neuerung geschuldet ist, bleibt abzuwarten.

Neu ist auch das PR-Foto des Jahres, das bereits zum zwölften Mal in Hamburg gekürt wurde. Gewinner des PR-Bild-Awards 2017 ist der Textilhersteller Falke mit seiner Traditionsmarke Burlington, der mit seiner Inszenierung der Socke als „Lifestyle-Produkt“ die Jury überzeugte. Der „Gute-Laune-Effekt“, den das Foto ausstrahle, überzeugte auch unseren Chefredakteur, der bei der Jury-Vorauswahl mit dabei war.

Und dann gab es noch das hier: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Mit diesem Satz ließ FDP-Chef Christian Lindner die seit Wochen andauernden Sondierungsgespräche zu einer möglichen Jamaika-Koalition platzen. Mit seiner Entscheidung polarisierte er die Nation – doch aus markenstrategischer Sicht habe er alles richtig gemacht, wie Positionierungsexpertin Verena Köttker in ihrer Analyse für uns feststellte.

Dezember

Und damit sind wir bereits am Jahresende. Ein Bericht der New York Times sorgte für Belustigung zum einen und für ratloses Kopfschütteln zum anderen: Die Zeitung hat sich die Mühe gemacht, auf das vergangene Jahr mit US-Präsident Donald Trump zu schauen – und herausgefunden, dass Trump bereits jetzt sechsmal häufiger gelogen hat als Barack Obama in seinen zwei Amtszeiten zusammen. Ob Trump auf diese Leistung stolz ist?

Besinnlicher ging es in den Werbespots zu, die in der Vorweihnachtszeit für bewegende Momente sorgten. Der Wettstreit der Supermarktketten hat dabei inzwischen ja so etwas wie Tradition. Dieses Jahr ließ Penny mit mehr als 6,1 Millionen Klicks für seinen emotionalen Spot die Konkurrenz Edeka und Lidl weit hinter sich:

Stichwort Emotion: Gefühle gehörten zu den wichtigsten Zutaten der stärksten Kampagnen in diesem Jahr. PR-Profi Sylvia Eberl hat für uns die bewegendsten analysiert und stellt fest: Gutes Storytelling funktioniert. Was es dazu braucht, erklärte sie hier.

Und was kommt nächstes Jahr? Eine erste Prognose wagen von uns befragte Unternehmenskommunikatoren. Eines ist sicher: Die Digitalisierung geht nicht mehr weg. Was sonst noch kommen mag, darauf sind wir schon jetzt sehr gespannt. Die Redaktion wünscht Ihnen, liebe Leserinnern und Leser, einen guten Rutsch!

 

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