Sprache ist Politik

Analyse

Frau Wehling, im Hinblick auf die Bundestagswahl steht die Rhetorik der Spitzenkandidaten besonders unter Beobachtung. Gewinnt das Framing, also das sprachliche Einbetten und ideologische Stempeln von Themen, an Bedeutung?
Elisabeth Wehling: Ja, denn die spannende Frage ist, ob die Kandidaten es schaffen, im Wahlkampf ihre Sprache so zu gestalten, dass die ideologischen Unterschiede zu anderen Parteien deutlich werden. Das muss der Anspruch sein. Denn im Wahlkampf soll der Wähler bestmöglich entscheiden können, zu welcher moralischen Weltsicht er sich zugehörig fühlt. Und grundsätzlich gilt: Jeder, der politisch kommuniziert, benutzt Frames.

Wie viel Strategie und wie viel ­Intuition steckt in ­öffentlichen Äußerungen der ­Spitzen­kandidaten?
Es sollte eine gesunde Mischung sein. Bestenfalls wird jemand Politiker, weil er für eine bestimmte Weltsicht eintreten möchte, die zum Beispiel die Empathie und das Miteinander über den Wettbewerb und das Individualistische stellt – oder eben andersherum. Dann wird er viele Dinge aus dem Bauch heraus entsprechend framen – zumindest solange er auf sich selbst hört und nicht Meinungsumfragen hinterherläuft und Formulierungen wählt, von denen er glaubt, dass der Wähler sie hören will. Doch egal mit welchem guten oder schlechten Gespür für die eigene Moral man an eine Debatte herangeht: Natürlich sagt jeder Politiker auch Dinge, die er nicht überblickt, die unglaublich stark geprägt sind, aber nicht zwangsläufig seinen Interessen entsprechen.

Warum verwenden Politiker Worte, die ihnen eigentlich fremd sind?
Das hat unter anderem damit zu tun, dass Debatten über viele Wahlkämpfe und Akteure hinweglaufen und jeder, der neu hinzukommt, immer auch mit dem Vokabular arbeitet, das er vorfindet – auch wenn ihm das eventuell ins politische Herz schneidet. Am Anfang des Wahlkampfs steht die Überlegung: Wie mache ich es meinen Mitbürgern am besten begreiflich, dass ich aus meiner ideologischen Perspektive heraus die richtige Lösung für unser Miteinander habe?

Gibt es eine Partei, der es ­besonders gut gelingt, greifbare Formulierungen zu ­wählen?
Das ist bei allen Parteien vor der Bundestagswahl noch ausbaufähig. Mit den intensivsten Bildern arbeitet zurzeit die AfD. Aber die kann sich natürlich auch viel bei anderen europäischen Populisten oder bei Donald Trump abschauen. Die anderen nehmen sich nicht viel, das wird auch in der Einzelanalyse deutlich. Ob es um die „Kraftanstrengung“ der CDU oder die „Solidarität“ der SPD geht – am Ende sind beides Bilder, die recht abstrakt sind.

Die AfD arbeitet in erster Linie mit dem Gefühl der Angst. Unsere Gehirne reagieren auf diese Rhetorik automatisch. Verändert das Vokabular, das diese noch recht junge Partei seit ­einigen Jahren in puncto Asylpolitik ­verwendet, unser aller Bild von ­Migration?
Auf jeden Fall. Die AfD benutzt sehr intensive Bilder und eine einfache Sprache, die „aus dem Bauch heraus“ wirkt. Gerade in der Debatte um Menschen auf der Flucht ist sie damit vorn dabei, was das Setzen ideologischer Schwerpunkte angeht. Diese Frames verändern unser Denken. Je öfter das Gehirn eine Idee berechnet, desto mehr etabliert sie sich im Gehirn. Das wird verstärkt, indem auch andere Parteien diese Sprachbilder häufig aufgreifen und sich diskursiv daran abarbeiten. Das ist natürlich nicht zuträglich, da die Bilder – auch wenn man ihnen widerspricht – damit weiter propagiert werden.

Ich reagiere also unbewusst auch auf die Sprachbilder, wenn ich der Partei kritisch gegenüberstehe?
Ein Stück weit ja. Das heißt nicht, dass sich ein progressiv denkender Mensch gegen Asyl stellt, nachdem er dreimal das Wort „Flüchtlings-Tsunami“ gehört hat. Aber wenn wir solche Begriffe über einen längeren Zeitraum immer wieder hören, prägen sie sich ein. Gerade Menschen, die sich eher in der ideologischen Mitte befinden, also sowohl ein eher strenges als auch ein eher fürsorgliches Weltbild in Teilen vertreten, lassen sich durch solche Bilder beeindrucken.

Was schätzen Sie, wie wird sich die Rhetorik verändern, je näher die Bundestagswahl rückt?
Sie wird sich weiter zuspitzen. Das heißt aber nicht unbedingt, dass zunehmend auf Sprachbilder gesetzt wird. Wir haben auch schon Wahlkämpfe erlebt, in denen Politiker fast ausschließlich auf Faktenargumente setzten. Da werden dann Positionen und Programmpunkte aufgelistet, ohne dass einzelne Politiker und Parteien mit Sorgfalt die moralischen Prämissen ihrer politischen Vorhaben in greifbare Worte fassen.

Was ist Framing?

Frames sind Deutungsrahmen, die unser Denken strukturieren. Beim Lesen oder Hören eines bestimmten Worts oder einer Wendung ruft unser Gehirn automatisch damit verbundene Erfahrungen ab. Wenn Sie jetzt das Wort Zimt lesen, aktiviert Ihr Gehirn beispielsweise die Region, die für das Riechen zuständig ist. Auch in der politischen Rhetorik spielt Framing eine große Rolle. Spricht eine Partei von der ­„Steuerlast des Bürgers“ oder davon, dass jeder „seinen Beitrag zum Gemeinwohl leistet“? Die vermittelten Weltbilder unterscheiden sich gravierend.

Politisches Framing – eine Analyse

Im Folgenden analysiert Elisabeth Wehling Zitate von Spitzenpolitikern verschiedener Parteien, die sich auf die Migrations- und Asylpolitik beziehen. Das Feld haben wir exemplarisch ausgewählt, da gerade in diesem Kontext eine große Bandbreite an emotionalen und bildhaften Äußerungen zu finden ist.

CDU

„Was in der Flüchtlingskrise ehrenamtlich und hauptamtlich geleistet wurde‚ das war eine ganz starke Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland. ­Darauf können wir stolz sein.“
(Angela Merkel auf dem Politischen ­Aschermittwoch der CDU in Demmin, März 2017)

„Wo Recht gesetzt ist, muss dieses Recht auch umgesetzt werden. […] ­Deshalb werden wir an einer natio­nalen ­Kraftanstrengung, auch was ­Rückführungen anbelangt, ­arbeiten.“
(aus Merkels Rede auf der ­Jahrestagung des DBB, Januar 2017)

 

Angela Merkel (c) Marco Urban

Angela Merkel (c) Marco Urban

Analyse der Zitate:
Angela Merkel und die CDU insgesamt appellieren an den Nationalstolz und die Leistung der Deutschen in dieser Krise. Das ist laut Elisabeth Wehling ein typischer Frame für eher konservative Gruppen: „‚Etwas zu schaffen‘ ist sehr positiv konnotiert, diese ‚Kraftanstrengung‘ und individuelle Stärke werden metaphorisch auf die Nation als Person bezogen, im Sinne von: ‚Wir schaffen das, wir haben Kraft.‘“ Das ergebe aus Pers­pektive der CDU auch Sinn, denn die angesprochenen Wähler, die ein eher konservatives Weltbild haben, fühlten sich durch ­solche Vokabeln bestätigt. Mit der „harten Probe“ wird an den Leistungswillen der Bevölkerung appelliert.

CSU

„Wir müssen die Außengrenze ­gemeinsam schützen, das Durchwinken der Flüchtlinge darf es nicht mehr geben. […] Meine Zuwanderungspolitik hat drei Elemente: Humanität – wer zu uns kommt, muss anständig behandelt werden. Integration – sonst spaltet sich die Gesellschaft. Und die Begrenzung, damit Integration möglich ist.“
(aus einem Interview mit RP Online, Mai 2017)

 

Horst Seehofer (c) Rolf Poss

Horst Seehofer (c) Rolf Poss

Analyse des Zitats:
Der Obergrenzen-Begriff von Horst Seehofer ist laut Wehling ein Frame, der sich auf das nationale Eigeninteresse bezieht. Gemeint ist: Wie viele Ressourcen sollte Deutschland maximal aufwenden, um Menschen auf der Flucht aufzunehmen? „Man könnte auch andersherum nach einer Untergrenze fragen, im Sinne von: Wie viele Menschen sollen oder können hierzulande mindestens Schutz finden?“, sagt Wehling. Ein solches Framing würde eher aus dem progressiven Lager kommen.

SPD

„Eine Obergrenze ist keine Antwort auf die Flüchtlingsfrage, auch wenn sie europäisch vereinbart wird. Was machen wir denn mit dem ersten Flüchtling, der an die europäische Grenze kommt und für den kein Kontingent mehr zur Verfügung steht? ­Schicken wir den zurück in den vielleicht sicheren Tod?“
(Interview mit der Welt, Januar 2017)

„Es geht um eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf unserem Kontinent. Denn Solidarität und faire Lastenteilung sind die Basis der europäischen Zusammenarbeit. Deutschland ist solidarisch, wenn es um Hilfe für andere Länder geht – auch finanziell.“
(Martin Schulz in seiner ersten Rede als ­Kanzler­­kan­didat, Januar 2017)

Martin Schulz (c) Susie Knoll

Martin Schulz (c) Susie Knoll

Analyse der Zitate:
Martin Schulz appelliert stark an die Empathie. Er findet Worte für das Schicksal der Flüchtenden, für das, was sie bewegt und was ihnen bevorsteht. „Seine Betonung liegt auf dem Einzelnen, sein Blick ist individualisierend. Es handelt sich um eine progressive Ideologie, daher ist es wenig verwunderlich, dass er den Begriff der Solidarität in den Mittelpunkt rückt“, analysiert Wehling. In diesem Fall geht es um die Solidarität der Europäer angesichts der Flüchtlingssituation. Diesen Punkt hätte die Partei noch verstärken können, findet die Framing-Expertin: „Ich frage mich, warum die SPD und andere nicht konsequent eine ‚Solidaritätskrise‘ ausgerufen haben, statt nur von der ‚Flüchtlingskrise‘ zu sprechen.“ Immerhin stehe etwa bei der SPD sonst die Betonung des Kollektivs im Vordergrund.

GRÜNE

„Wir entwickeln uns weiter, wenn es Reibung gibt, wenn unterschiedliche Ideen zusammenkommen, wenn Leute mit unterschiedlichen Erfahrungen und Herkünften zusammenkommen.“
(Katrin Göring-Eckardt im Streitgespräch mit Frauke ­Petry, Zeit, Februar 2017)

„Mein Ziel ist: Aus Ausländern Inländer zu machen, weil man von Inländer zu Inländer Probleme besser lösen kann und weiß, dass die Musik hier spielt und nicht in Ankara, Moskau oder sonstwo.“
(Cem Özdemir im Interview mit RP Online, März 2017)

„Solange wir die Küstenstaaten Italien und Griechenland mit den Geflüchteten alleinlassen, so lange wird unsere ­Flüchtlingspolitik weder human noch geregelt sein.“
(gemeinsamer Gastbeitrag mit Katrin Göring-Eckardt für den ­Tagesspiegel, März 2017)

Kartin Göring-Eckardt (c) Laurence Chaperon Cem Özdemir (c) Harry Weber

Katrin Göring-Eckhardt (c) Laurence Chaperon                                                 Cem Özdemir (c) Harry Weber

Analyse der Zitate:
„Diese Frames sind eng verknüpft mit Toleranz gegenüber anderen Menschen aufgrund von Empathie, im Sinne von: ‚Ich als Mensch erkenne meine Menschlichkeit in meinem Gegenüber‘“, so Wehlings Analyse. Dahinter stehe, dass alle Menschen unterschiedlich sind, dass man voneinander lernen und zu einer Gruppe zusammenwachsen kann. In den Zitaten steht im Fokus, dass man sich an der Individualität eines jeden erfreuen und daran wachsen sollte.

Mit „Ausländer“ hat Cem Özdemir der Sprachforscherin zufolge einen Begriff verwendet, der eigentlich nicht in das grüne Weltbild passe: „Die Vorsilben ‚Aus-‘ und ‚In-‘ bedienen einen Frame, der die Nation als ein räumlich begrenztes Gefäß begreifbar macht. Wenn man mit Bildern arbeitet, die ein Draußen und Drinnen beschreiben, macht man die nationalen Ressourcen metaphorisch als Platz begreifbar und ist schnell bei der Debatte: Ist hier noch metaphorisch gesprochen ‚Platz’ für andere Menschen?“ In diesem Fall ist das also ein unglücklich gewähltes Bild. Mit dem Wort „Geflüchtete“ seien Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt sprachlich ganz klar bei sich und ihrer Partei.

LINKE

„Es gibt in Deutschland ein Grundrecht auf Asyl. Aber es war unverantwortlich, eine Situation zuzulassen, in der wir noch nicht mal mehr wussten, wer ins Land kommt. Und natürlich ist Inte­gration nur möglich, wenn es genügend Arbeitsplätze, ­genügend Wohnraum gibt. Merkel hat sich um all das kaum gekümmert. Außerdem: Wer trägt die Kosten? Werden sie auf Mittel- und Geringverdiener abgewälzt, führt das zu ­großer Abwehr, die sich dann von rechts instrumentalisieren lässt.“
(Sahra Wagenknecht im Interview mit dem Stern, ­Januar 2017)

„Verzweifelte Menschen wird man nicht dauerhaft mit ­Grenzkontrollen abhalten.“
 (Interview mit der Volksstimme Magdeburg, Januar 2017)

 „Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Die Flüchtlinge sind Botschafter dieser Kriege und des Elends auf der Welt.“
(Zitat von Dietmar Bartsch, Eimsbütteler Nachrichten, Februar 2017)

Sahra Wagenknecht (c) Thomas Kläber Dietmar Bartsch (c) Inga Haar

Sarah Wagenknecht (c) Thomas Kläber                                                                          Dietmar Bartsch (c) Inga Haar

Analyse der Zitate:
Bei Sahra Wagenknecht steht weniger das nationale Eigeninteresse im Fokus als mehr das der Mittel- und Geringverdiener: „Wer trägt die Kosten?“. Die Linken-Spitzenkandidatin führt mit dem Thema also auch eine soziale Debatte in Deutschland. Den Satz über die verzweifelten Menschen wertet Elisabeth Wehling „weitestgehend“ als Empathie-Frame, wobei es im Kontext wiederum mehr um das Eigeninteresse gehe – das „Abhalten“ von Menschen.

Die drastische Wortwahl von Dietmar Bartsch verfehlt ihre Wirkung nicht: „Dieser Frame ist griffig, er macht ein konkretes Bild auf, ist klar und transportiert ein moralisches Weltbild“, sagt Wehling. „Generell haben Vertreter der Linken oft eine moralisch präzisierte Sprache. Auch dort, wo sie sich über den politischen Gegner empören.“

FDP

„[Es ist] jetzt der historische Moment, eine neue Zuwanderungspolitik für Deutschland zu beschreiben, die unsere humanitäre Verantwortung mit Interessen verbindet. Und meine Empfehlung ist: Schauen wir dabei nach Kanada. Dort gilt: Egal woher du kommst, du kannst Kanadier werden. Aber es gibt auch ganz klare Spielregeln und Anforderungen. Klare, nachvollziehbare Anforderungen, die jeder erfüllen muss. Was für eine Einladung! Daran können wir uns ein Beispiel nehmen, denn die Integration, das ist nicht zuerst die Aufgabe der aufnehmenden Länder, es gibt auch eine Bringschuld gegenüber denjenigen, die zu uns kommen.“
(aus dem Rechenschaftsbericht von Christian Lindner, Bundesparteitag im April 2017)

Christian Lindner (c) Benjamin Zibner

Christian Lindner (c) Benjamin Zibner

Analyse der Zitate:
FDP-Chef Christian Lindner betont sowohl die Verantwortung und Leistung, die die deutsche Gesellschaft erbringt, wenn sie Menschen aufnimmt, als auch diejenige, die aus seiner Sicht von Seiten der Migranten eingefordert werden muss. „Ein besonderes Hervorheben von Eigenverantwortung und Eigenleistung als moralische Ansprüche ist Teil der strengen Weltsicht. Dahinter steht unter anderem die Idee, dass sich das Wohl aller maximiert, wenn sich jeder primär ‚für sich’ anstrengt und damit so wenig wie möglich auf das Kollektiv angewiesen ist“, so die Analyse von Elisabeth Wehling. Hier komme also die Idee der „Freiheit, für sich selbst zu leisten“, und damit zugleich dem nationalen Eigeninteresse zu dienen, zum Tragen.

AFD

„Die politische Korrektheit hat eine Sprache geschaffen, die sich nicht mehr mit der Faktenlage deckt. Denken Sie an die Kriminalität. […] Wenn Sie aber nicht offen über die Fakten sprechen können, dann können Sie Probleme auch nicht vernünftig ausdiskutieren, strukturieren und am Ende lösen. […] Zwischen Einwanderung und Asyl wird nicht unterschieden. Unser Staat verzichtet ohne Not darauf, die Personenströme an seinen Grenzen zu kontrollieren.“
(Alice Weidel im Interview mit der FAZ, Mai 2017)

Gut 240 Millionen Leute aus dem „afrikanischen Islam-­Gürtel“ wollten nach Deutschland, behauptete Alexander Gauland. In 30 Jahren würden 1,2 Milliarden ins Land drängen. Wenn man die alle mit dem deutschen Sozialhilfesatz beglücken wolle, müssten die Deutschen fünf Billionen Euro aufbringen. Besser sei es, wenn die Deutschen unter sich blieben, wenn die deutschen Polizisten 2015 Merkels Befehle verweigert und keine Flüchtlinge ins Land gelassen hätten.
(Bericht im Kreis-Anzeiger Zentralhessen, Mai 2017)

Alica Weidel (c) Privat Alexander Gaulands (c) www.blu-news.org/CC BY-SA 2.0

            Alica Weidel (c) Privat                                                               Alexander Gauland (c) www.blu-news.org/CC BY-SA 2.0

Analyse der Zitate:
„Politische Korrektheit“ ist ein neuer Kampfbegriff des weltweiten Populismus. „Wenn jemand sagt, was er denkt, und man ruft: ‚Das ist politisch korrekt!‘, hofft man, den anderen damit einzuschüchtern. Diesen Frame zu benutzen, ist also manipulativ“, erklärt Elisabeth Wehling.
Alice Weidel bemüht mit dem Begriff „Personenströme“ die Wassermetapher. Was steckt dahinter? „Ein fließender Strom kann bedrohlich wirken, zudem bildet das Wasser eine Einheit, steht nicht für Individuen“, deutet Wehling. Die Wendung „ohne Not“ meine, das die Grenzkontrolle grundlos aufgegeben worden sei. „Für Alice Weidel spielt die Not der zu uns Kommenden keine Rolle. Hier haben wir eine klassische Situa­tion von ,Ingroup versus Outgroup‘, nach dem Prinzip: ‚Ich bin für die Meinen da, wer aber nicht Teil meiner Gruppe ist, gehört hier nicht hin.‘“

Alexander Gaulands Bild der „Deutschen unter sich“ birgt ebenfalls den Wunsch nach einer homogenen Ingroup, die das Fremde ausgrenzt. Hinzu kommt, dass Gauland einen Kriegsframe öffnet, indem er sagt, Merkel habe Befehle erteilt, welche deutsche Polizisten hätten verweigern können. „Das klingt nach Soldaten, die sich dem bösen Machthaber hätten entgegenstellen können beziehungsweise sollen. Es ist Teil der strengen Ideologie in ihrer ausgeprägten bis übersteigerten Form, dass die Welt sich im ständigen Kampf zwischen Gut und Böse befindet“, sagt Wehling.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe EHRLICHKEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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