Worauf es bei Bewegtbildformaten ankommt

Ein Erfahrungsbericht

Als mich im Januar 2016 ein guter Freund anrief und mich bat, einen Film über sein Unternehmen zu drehen, war ich gerade frisch aus einer Festanstellung bei einer namhaften Hamburger Werbeagentur ausgeschieden. Ich sagte meinem Freund zu – und das, obwohl ich im Leben noch nie eine Kamera besessen, geschweige denn einen Film gedreht hatte. Ich sagte ihm zu, obwohl ich von Blenden und Brennweiten, von Verschlusszeiten und Iso-Werten genauso viel verstand wie von Quantenphysik. Nämlich nichts. Ich war verwundert über mich selbst und auch etwas ratlos. Was nun? Anrufen und wieder absagen?

Als ich mich etwas beruhigt hatte, wurde mir eine Sache klar: Ich hatte das, was er von mir wollte, ja alles irgendwie schon mal gemacht. Nicht aktiv, nein, sondern passiv – als Agenturkreativer auf Werbefilmdrehs. Ich kannte im Grunde den ganzen Ablauf einer Filmproduktion: die Vorproduktion, die Durchführung des Drehs in allen Details, die Postproduktion. Und die kreative Vorarbeit, also die Ideenfindung, Konzepterstellung und das Konstruieren der Bilder et cetera, das hatte ich in meiner Agenturzeit dutzende Male getan. 

Bedeutete das also, ich konnte den Film doch drehen? Ich kam zu dem Schluss: „Ja, wenn du dich superakribisch vorbereitest, alles bis ins kleinste Detail planst und über jegliche Frage bezüglich des Films erhaben bist, dann sollte das gehen.“ Das war die Geburtsstunde meiner Firma, meines neuen Jobs, meiner Berufung. Das alles wusste ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht.

Ich habe den Film für das Unternehmen meines Freundes dann auch tatsächlich gedreht – auf einem iPhone 6 und mithilfe der App Filmic-Pro. Der Film wurde letztlich tatsächlich ganz gut. Trotz Smartphone. Wie konnte das gelingen?

Ich drehe schon lange nicht mehr mit Smartphones, aber ich bereite mich noch immer genauso akribisch vor, wie ich es damals, Anfang 2016, getan habe. Ich sehe das als Schlüssel zum Erfolg. Die Vorproduktion eines Films ist der wichtigste Schritt im ganzen Projekt, denn nach der Vorproduktion ist der Film im Grunde schon fertig – zumindest in der Theorie. Jetzt muss man ihn nur noch drehen.

Um optimal auf den kommenden Dreh vorbereitet zu sein, um mit Kunde und Auftraggeber dieselbe Erwartungshaltung zu teilen und – nicht zuletzt – um während der Produktion auf Unwägbarkeiten vorbereitet zu sein, gehe ich vor jeder Produktion immer durch dieselben „Vorproduktionsschritte“. Ich beantworte mir folgende Fragen:

 

Grundlegende Gedanken

Was ist der kommunikative Zweck des Films? Was möchte ich mit diesem Film erreichen?

Die Aussage

Welche Aussage muss der Film treffen, um mein kommunikatives Ziel zu erreichen? Was soll der Zuschauer am Ende des Films wissen, denken, fühlen oder gar tun?

Der Kanal

Wo wird der Film laufen? Auf Instagram, im TV oder ohne Sound auf einem Messe­stand?

Das Konzept

Welcher Idee, welchem Konzept folgt der Film? Ist es ein Porträt, ein Spot, ein Produktfilm oder eine Dokumentation?

Der Film

Wie sieht dieser Film konkret aus? Ich beschreibe den Film in wenigen Worten  – ganz konkret, ohne Konjunktive, ohne Eventualitäten.

Die Bilder

Welche Bilder sollen den Film erzählen? Was brauche ich dafür, um diese Bilder drehen zu können? Mood-Bilder/-Filme oder Scribbles helfen dabei, sich klarzumachen, wie das genau aussieht, was man da eigentlich drehen will.

Text, Wort und Interviews

Hat der Film Text? Und wenn ja, welchen? Hat der Text Auswirkungen auf die Bilder, die gedreht werden müssen?

Sound

„Sound is 50 percent of the film“, lautet ein Grundsatz. Das gilt für jede Art von Sound, egal ob Musik, gesprochenes Wort oder Athmo-Sounds. Wählen wir unsere Musik daher gut aus! Sie kann Segen sein, aber auch Fluch.

Shooting-Board/Storyboard

Ich erstelle ein vollständiges Shooting-Board, lege also fest, welches Bild ich wann, wo und wie drehen will. Am Set ist es die Versicherung, dass ich nichts vergesse.

Drehplan

Ich erstelle einen detaillierten Drehplan, der wirklich alles beinhaltet – also angefangen beim Punkt „Start Aufbau Set“ bis zum Drehschluss. Dabei kalkuliere ich lieber etwas großzügiger, denn Stress produziert Fehler.

 

Die große Kunst und gleichzeitig die große Schwierigkeit bei der Beantwortung dieser Fragen sind die Vermeidung von Konjunktiven und das Vertagen von Antworten. Ich habe es häufig erlebt, dass die Fragen mit Sätzen wie „Ach, das entscheiden wir spontan“ oder „Das weiß ich jetzt noch nicht, das wird sich dann schon ergeben“ beantwortet werden. Jede Art dieser Antworten kann und wird einem jedoch irgendwann um die Ohren fliegen beziehungsweise wird der Qualität des geplanten Films sicherlich abträglich sein.

Wer die oben genannten Fragen jedoch nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hat, der kann loslegen und drehen. Die Chance, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt, ist hoch – sogar wenn man auf einem iPhone dreht, so wie ich anno 2016.

Empfehlenswert ist es grundsätzlich, sich Wissen über Aspekte wie den „goldenen Schnitt“ beziehungsweise Bildaufteilung und Bildkomposition anzulesen. Sich über Lichtsetzung und die Wirkung von Licht informiert zu haben, ist ebenfalls ratsam. Und, ganz wichtig: Ich rate dazu, großen Wert auf Sound und Soundqualität zu legen und den Film am einfachsten auf Beat zu schneiden. Wer all das beachtet, ist bereits recht gut aufgestellt.

Zum Schluss die vielleicht wichtigste Regel für alle, die Filme machen: „Keep it short!“ Denn ein Film ist wie ein Date – wenn man währenddessen schon genug hat, ist das nicht gut.

 

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