Einfache Worte, große Wirkung

Präsentieren vor der Kamera

Eben noch wirkt der CEO smart, schlagfertig und sprachgewandt. Doch innerhalb von Sekunden verwandelt er sich in eine hölzerne Sprechpuppe mit Wortfindungsstörungen. Was ist passiert? Ganz einfach: Die Kamera fing an zu laufen. Brav spult der CEO nun seine Sätze ab, die er vorher mühsam auswendig gelernt hat. Und hinterher? Fragt er sich, warum er im Video so gespreizt wirkt. Dabei ist er doch ein total lockerer Typ!

Sprechen vor der Kamera ist schwer. TV-Profis haben dafür eine Ausbildung. Auch Fernsehmoderatoren werden regelmäßig gecoacht – trotz jahrelanger Erfahrung. Die Kunst liegt darin, so zu sprechen, als ob man mit dem Gegenüber ein einfaches Gespräch führt. Geschliffene Wendungen, viele Nebensätze und komplizierte Phrasen sind hier fehl am Platz. Alltagssprache eben.

Mit einfachen Worten

Das folgende Video-Beispiel stammt aus einem TV-Beitrag des SWR über die Hannover Messe. Der Sprecher einer Technikfirma soll erklären, warum Mensch und Maschine so gut zusammenarbeiten.

 

 

Würden Sie Ihrem Nachbarn oder Ihren Freunden so umständlich erklären, warum Roboter nützlich sind?

„Der Roboter übernimmt die wiederkehrenden Aufgaben mit hoher Präzision – die schweren Aufgaben – und der Mensch bringt seine Kreativität ein, seine Entscheidungs- und Beurteilungskraft und das ist eine sehr gute Synergie.“

 

In unserem Beispiel hat es der Zuschauer schwer: Der Sprecher fegt mit hoher Geschwindigkeit durch die Sätze. Er packt viele Aspekte in einen einzigen langen Satz. Zudem spickt der Sprecher seine Aussage mit Fremdwörtern („Präzision“, „Kreativität“, „Synergie“). Das Verb „einbringen“ ist umständlich. Das Ganze klingt nicht wie ein Gespräch, sondern als ob der Unternehmenssprecher aus einer Broschüre zitiert.

Je nach Studie nimmt der Zuschauer eines Fernsehbeitrags zwischen sieben und 20 Prozent des Textes auf. Das ist frustrierend wenig. Die Menschen vor dem Fernseher sind oft abgelenkt oder schlichtweg müde. Das Gesagte sollte daher umso klarer und verständlicher sein, damit die Botschaft nicht untergeht. Zum Beispiel so:

„Ein Roboter macht kaum Fehler. Er kann stundenlang das Gleiche tun und wird nie müde. Der Roboter nimmt dem Menschen schwere und langweilige Arbeit ab. So hat der Mensch mehr Zeit für die wichtigen Dinge. Er kann stattdessen steuern, entscheiden und neue Dinge anpacken.“

 

Zurückspulen geht nicht

Viele Pressesprecher sind sich sicher, dass sie mit Video mehr Menschen erreichen als mit einer Pressemitteilung. Doch es gehört mehr dazu, als vorgefertigten Text vorzutragen. Einfache, kurze Sätze ohne Nebensätze oder Einschübe – das ist gesprochene Sprache. Im Gespräch können wir ja nicht zurückspulen und uns komplizierte Sätze noch einmal anhören.

Fatal wird es außerdem, wenn mangelnde Kameraführung und unsicherer Blickkontakt den Zuschauer noch weiter ablenkt, wie im folgenden Beispiel zu sehen ist:

 

 

Zwei der drei Sätze haben über 17 Wörter. Als Faustregel für gesprochene Sprache gilt aber: Pro Satz ein Gedanke! Sonst kann Ihnen niemand mehr folgen. Übrigens: Lauscht man später im Video (ab 1:09) dem Gesprächspartner, wie er am Telefon spricht, wirkt er wieder locker und formuliert geradeaus.

Mut, die Bilder sprechen zu lassen

Unternehmen stecken heute viel Geld in Imagefilme. Da sind Drohnen im Einsatz, werden Schienen für Kamerafahrten verlegt und die ganze Firma ist in heller Aufruhr. Und dann? Schüttet der Texter einen ganzen Sack Bandwurmsätze über die Bilder.

 

 

Unfassbare 31 und 32 Wörter haben bereits die ersten beiden Sätze der Unternehmenspräsentation. Ein Substantiv jagt das nächste. Um den Zuschauer noch mehr zu verwirren, sind Grafiken eingeblendet, die winzig klein sind und sich bewegen. Bereits nach wenigen Sekunden wird hier der Zuschauer geistig abschalten. Ziel verfehlt!

Es erfordert Mut, mit sparsamen Worten die Bilder sprechen zu lassen. Aber wer sich für Video als Kommunikationsmittel entscheidet, muss sich den Regeln der gesprochenen Sprache beugen. Nur dann wird es so gut wie hier:

 

 

Kurze Sätze, kleine Sinnabschnitte, Wiederholungen und aktiver Satzbau machen den Text einprägsam und begleiten die Bilder.

Goldene Regeln auch für Interviews

Die gleichen Regeln gelten auch für Statements und Interviews: ein Gespräch führen – keine Ansprache! Also: Reden, wie der Schnabel gewachsen ist. Für Sie ist das die Chance, sympathisch und authentisch zu wirken. Antje Neubauer von der Deutschen Bahn macht es vor:

 

 

Da stört es auch nicht, wenn mal ein „irre“ rausrutscht. Solange die Gesprächspartnerin ganz sie selbst bleibt und einfach ein gutes Gespräch führt.

 

Tipps für gesprochene Sprache

  • Kurze Sinneinheiten und kurze Sätze verwenden
  • Keine komplizierten Nebensätze
  • Fremdwörter vermeiden
  • Zahlen anschaulich machen
  • Weniger Substantive, mehr Verben benutzen
  • Das Präteritum vermeiden – es kommt nur selten in gesprochener Sprache vor
  • Wichtige Begriffe wiederholen, damit sie beim Zuschauer hängenbleiben
  • Aktive Sätze formulieren, um spannend zu erzählen

 

 

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