Wie Wissenschaftskommunikation gelingen kann

Wissenschaft und Kommunikation

Vor einigen Jahren hat mich einmal eine Arbeitsgemeinschaft von Hochschulen beauftragt, sie bei ihrer gemeinsamen Pressearbeit zu beraten und zu unterstützen. Das habe ich gerne gemacht, denn aus Wissenschaft und Forschung ergeben sich zahlreiche spannende Nachrichten für Medien und Öffentlichkeit. Was an Universitäten und Hochschulen untersucht, erkundet oder entwickelt wird, betrifft nicht selten viele ganz alltägliche Bereiche.

Problematisch wird es jedoch, wenn diese neuen Erkenntnisse aus dem Innersten der Wissenschaft den Lesern, Zuhörern und Zuschauern außerhalb der Wissenschaft vermittelt werden sollen. Dann geht es nämlich ums Übersetzen von Expertensprache ins Deutsche. Klar, dass die Inhalte dabei nicht verfälscht werden dürfen, aber verständlich sollen sie eben werden. Und um diesen Grad des „Vereinfachens, ohne zu verfälschen“ gibt es regelmäßig Diskussionen zwischen Professoren und Pressesprechern, zwischen Wissenschaftlern und Wissensvermittlern.

Komplexe Zusammenhänge einfach ausdrücken

Die langjährige Bonner Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel hat es einmal so ausgedrückt: „Viele Wissenschaftler tun sich schwer damit, komplexe Zusammenhänge einfach auszudrücken. Sie möchten nicht zu stark vereinfachen, weil sie Sorge haben, dass sie dann etwas Falsches sagen.“

Das ist grundsätzlich verständlich. Wer möchte schon mit einer Falschaussage in der Öffentlichkeit zitiert werden – noch dazu unter Wissenschaftlern. Es macht sich erfahrungsgemäß nicht gut, fehlerhafte Zitate, ungenaue Analysen oder zu pauschale Ergebnisse von den Kolleginnen und Kollegen auf dem nächsten Fach-Kongress vorgehalten zu bekommen. Und es ist wichtig, dass alle PR-Schaffenden in Wissenschaft und Hochschulen Verständnis für diese Befürchtungen von Forschenden haben.

Forscher liefern abstrakte Theorie, wo konkrete Praxis gefragt ist

Allerdings liegt das Problem nicht immer bei der Frage: „Wie weit darf ich eine Aussage vereinfachen, damit auch Normalsterbliche sie verstehen?“. Viel häufiger geht es um die Botschaft an sich. Wissenschaft arbeitet nämlich häufig mit theoretischen Annahmen, deren praktische Anwendung in der Wirklichkeit sich Menschen außerhalb des Forschungsbetriebs nur schwer vorstellen können. „Wissenschaftler arbeiten oft mit theoretischen Modellen, Journalisten fragen aber nach einem praktischen Anwendungsfall“, sagt dazu die Wissenschaftlerin Schnabel.

Dieser Konflikt zwischen – überspitzt gesagt – erwarteter Praxisnähe und geliefertem Theoriegedöns ist eine der größten Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation. Nina Mainz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verweist in ihrem Bericht vom 11. Forum Wissenschaftskommunikation auf Umfrageergebnisse. Demnach gibt es bei den Menschen durchaus ein großes Interesse an Forschung und Wissenschaft, und zwar „besonders deshalb, weil sie Antworten auf konkrete Fragen suchen“.

Da ist sie wieder, die divergierende Kongruenz (schön, gell?) von Abstraktem und Konkretem, die nicht nur das Verhältnis von Presse und Forschung betrifft, sondern gelegentlich auch das von Journalisten und Juristen oder das von Finanzjournalisten und Finanzvorständen. Immer wieder bleibt die Botschaft abstrakt, wo Journalisten und Leser sie sich konkret wünschen.

Auf dem Weg in die akademische Schweigespirale

Das hat auch Auswirkungen auf die Pressearbeit. Denn „häufig ist es so, dass es für genau die Situation, nach der gefragt wird und die wir verstehen wollen, kein passendes theoretisches Modell gibt“, sagt Isabel Schnabel. Das kann verschiedene Folgen haben, die allesamt die Wahrnehmung und Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Medien und Öffentlichkeit beeinflussen.

Folge 1: Journalisten und Redaktionen arbeiten nur noch mit einer klitzekleinen Auswahl (um das Wort „Elite“ nicht zu gebrauchen) von Wissenschaftlern zusammen, die ein Einsehen mit den Anfragen der Presse haben, und die in der Lage scheinen, komplexe Materie vereinfacht darzustellen und damit mediale Bedürfnisse zu befriedigen. Die Mehrheit der wissenschaftlich Tätigen, die auch etwas zu sagen hätte, wird dadurch ausgeblendet – eine Art akademische Schweigespirale. Sei es, weil diese Forscher tatsächlich nicht verständlich „un-wissenschaftlich“ kommunizieren können, oder weil Journalisten glauben, dass sie es nicht können.  

Folge 2: Diese auserwählten Wissenschaftler schaffen sich dadurch eine Art fachliches Alleinstellungsmerkmal. Das kann im Extremfall dazu führen, dass Journalisten deren Aussagen unkritisch als sakrosanktes Allgemeingut ansehen und verbreiten. Wenn das passiert, werden aber Meinung und Fakten verwechselt. Obacht! Zum einen kann es immer eine zweite Meinung geben, die auch zu berücksichtigen ist. Zum anderen kann die Verkürzung des Theoretisch-Komplexen aufs Praktisch-Vereinfachte pauschalieren, wo differenziert werden müsste. Das heißt: Die Botschaft ist zwar schön einfach, die Wahrheit ist es aber leider nicht. Wo das passiert, ist Wissenschaftskommunikation im schlimmsten Fall nicht mehr weit weg von den Pauschalierungen und Vereinfachungen, wie wir sie in den sozialen Medien beklagen.

Folge 3: Redaktionen scheuen gelegentlich den Aufwand bei der Suche nach sogenannten Experten, die ihnen komplexe Zusammenhänge vereinfacht erklären, technische Errungenschaften bewerten, politische Geschehnisse kommentieren oder wirtschaftliche Entwicklungen prognostizieren sollen. Sprich: Sie fragen immer dieselben. Gründe dafür gibt es viele: Personelle Ausstattung der Redaktionen, geringe Budgets, Zeitmangel, und und und… Das habe ich an dieser Stelle vor einigen Jahren schon mal kritisch angemerkt.

Isabel Schnabel hat es später so formuliert: „Journalisten fragen immer dieselben Leute, mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben. Sie kommen gar nicht auf die Idee, mal jemand anderen zu fragen, weil das zu aufwändig wäre.“ Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation haben es in der Hand, das zu ändern.

 

 

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