Presserat missbilligt VW-Ausgabe der „Welt“

Volkswagen-Chef als Gast-Chefredakteur

Der Deutsche Presserat hat eine Missbilligung gegen die Volkswagen-Ausgabe der Welt ausgesprochen. Für die 38-seitige Sonderausgabe vom 7. Mai 2019 mit dem Aufmacher „Alles in Bewegung: Die Zukunft der Mobilität“ hatte VW-Chef Herbert Diess als Gast-Chefredakteur der Zeitung fungiert und war auch im Impressum genannt worden.

Gegen das Ergebnis waren beim Presserat mehrere Beschwerden eingegangen – unter anderem wegen fehlender Kennzeichnung von Werbung, Product Placement, „beispielloser Verquickung von Unternehmensinteressen, die der Pressefreiheit den denkbar schwersten Schaden zufüge“ und gegen die „scheinjournalistische lnszenierung der VW-Botschaften“.

In der fraglichen Welt-Ausgabe waren Akteure und Themen des Volkswagen-Konzerns sehr prominent dargestellt worden – unter anderem in Form von Interviews, begleitenden Artikeln, der Vorstellung der so genannten „VW-Thesen“, zahlreichen Produktbildern und mehreren Anzeigen von Volkswagen-Marken.

Keine Schleichwerbung, aber …

Mit knapper Mehrheit von drei gegen zwei Stimmen bescheinigte der Presserat der Welt einen Verstoß gegen die Präambel des Pressekodex, die den Schutz des Ansehens der Presse fordert.

Dem Vorwurf der Schleichwerbung schloss sich das Gremium jedoch nicht an. Stattdessen wurde lediglich ein Verstoß gegen Ziffer 6 des Regelwerks bemängelt, welche eine klare Trennung zwischen redaktionellen und sonstigen Funktionen vorschreibt. Diess habe als Gast-Chefredakteur und VW-Chef offenbar eine unzulässige Doppelfunktion ausgeübt.

Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt hatte die Vorwürfe der Schleichwerbung und fehlenden journalistischen Unabhängigkeit zurückgewiesen. Volkswagen als größer Auto-Hersteller der Welt spiele für die Zukunft der Mobilität eine herausragende Rolle, daher sei es „reizvoll gewesen“, den VW-Chef an einer Sonderausgabe mitwirken zu lassen. Außerdem kämen in den Doppelinterviews der Ausgabe auch Kritiker des Konzerns wie Grünen-Chef Robert Habeck und der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, mit kritischen Fragen und Einwänden zu Wort. Außerdem habe er als tatsächlicher Chefredakteur stets die letzte Entscheidungsgewalt über veröffentichte Inhalte gehabt, erklärte Poschardt.

Leider keine anderen Anzeigenkunden gefunden

Richtig sei lediglich, dass Volkswagen in Bezug auf die Anzeigen überrepräsentiert gewesen sei. Es sei leider leider nicht gelungen, weitere Anzeigen bedeutender Automobilhersteller gewinnen zu können, so Poschardt. Er bedauere, dass durch die Überrepräsentation von VW-Anzeigen der Eindruck der mangelnden journalistischen Unabhängigkeit entstanden sei.

Eine Missbilligung ist nur die zweitschärfste Sanktion, die dem Presserat zur Verfügung steht. Im Gegensatz zu einer Rüge besteht keine Selbstverpflichtung, diese im betreffenden Medium zu veröffentlichen – allerdings empfiehlt der Presserat einen Abdruck als „Ausdruck fairer Berichterstattung“.

Übermedien hatte zuerst über den Fall berichtet.

PDF: Die Entscheidung des Presserates zur Volkswagen-Sondersausgabe der Welt

 

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