Wann Zitate einer Pressemitteilung schaden

Pressemitteilungen

Seit vielen Jahren nehmen an meinen Seminaren immer wieder auch Mitarbeiter von Pressestellen in Ministerien teil. Sie bringen als Arbeitsbeispiele oft Pressemitteilungen mit, die über Entscheidungen des Ministeriums, Auftritte oder Aussagen ihrer Minister und Ministerinnen informieren und inhaltliche Themen einschätzen und bewerten sollen.

Dabei gilt der Grundsatz: Objektive Informationen gehören in den Fließtext, Einschätzungen und Bewertungen ins Zitat. Daraus ergibt sich für die normale Pressemitteilung ein relativ logisches Mengenverhältnis: Der Fließtext überwiegt, zwei bis drei kurze Zitate geben die nötige Würze dazu.

Doch gerade in Ministerien – das zeigen die Arbeitsbeispiele, die Teilnehmer in die Seminare mitbringen – gilt offenbar mehr die Regel: Hauptsache, die Minister kommen reichlich zu Wort. Auch dann, wenn ihre Zitate im besten Falle nicht mehr sind als eine in Anführungszeichen gezwängte Sachaussage oder – was leider häufiger vorkommt – eine beliebige Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, Redundanzen, Phrasen und Worthülsen. Leere Worthülsen noch dazu.

Klare Aufteilung von Fließtext und Zitat

Dabei folgt die Aufteilung von Fließtext und Zitat in der Pressemitteilung wie auch in jedem anderen journalistischen Text einer klaren Aufteilung:
 

 
 
 
 
 
 
 

Fließtext

Information

3. Person 

Sache

objektiv

Beschreibung

geschriebenes Wort (= Schreibe)

Pflicht

Zitat

Emotion

1. Person

Meinung

subjektiv

Bewertung

gesprochenes Wort (= Rede)

Kür

 

Diese Tabelle lässt sich beliebig fortsetzen. Sicher finden sich noch mehr begriffliche Gegenüberstellungen.

Es bleibt aber die Frage: Warum gibt es ausgerechnet in der politischen Kommunikation – in Ministerien und auch bei vielen Parlamentsabgeordneten – diesen Hang zu Zitaten? Die Liebe zu Anführungszeichen allein kann es nicht sein, denn das Problem liegt weniger in der Anzahl der Zitate, sondern mehr in ihrer Länge.

Fundierter Blick und deutliches Signal

Das nordrhein-westfälische Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung teilte zum Beispiel im Januar mit, es werde „mittels einer Studie die Hilfeangebote für gewaltbetroffene Frauen sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum untersuchen. Ziel der Studie ist es, das bestehende Hilfesystem zu verbessern und mögliche Angebotslücken im Land zu schließen“. Soweit so gut – von sprachlichen Eigentümlichkeiten abgesehen. Doch diese zwei Sätze waren ja nur der Lead, sozusagen die Ouvertüre der Pressemitteilung. Dann folgte der erste Akt, und der zog sich gleich mächtig in die Länge. Es kam nämlich das erste Zitat der Ministerin:

„Wir werden in ganz Nordrhein-Westfalen wissenschaftlich und fundiert die Bedarfslage in den Blick nehmen, um damit mögliche Versorgungslücken im Hilfesystem aufzudecken. Dies ist ein wichtiger Schritt, um eine bedarfs- und zielgruppengerechte Versorgung in ganz Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, die ambulanten und stationären Hilfeangebote für gewaltbetroffene Frauen sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum wissenschaftlich zu untersuchen. Das setzen wir mit der Landes-Bedarfsanalyse jetzt um.“

Vier Sätze Zitat an einem Stück. Das ist schon ganz ordentlich. Wobei: Andere Ministerien bringen es gerne auf noch mehr. In einer Mitteilung des Bayerischen Kultusministeriums lautet ein zusammenhängendes Zitat:

„Die neue Abteilung an unserem Institut für Schulqualität und Bildungsforschung ist Bayerns Innovationsmotor in Sachen digitale Bildung! Sie nimmt sich entscheidenden Fragen der Medienbildung an. Mit ihrer Einrichtung wollen wir ein ganz deutliches Signal setzen: Digitale Bildung umfasst viel mehr als eine adäquate Ausstattung mit digitalen Werkzeugen. Ebenso sind der reflektierte und pädagogisch durchdachte Einsatz digitaler Medien und die Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung zentrale Aspekte. Bei dieser wichtigen und grundlegenden Bildungsaufgabe wollen wir unsere Schulen nach Kräften unterstützen.“

Da ist man als Leser ziemlich erschöpft. Und als Redakteur im Zweifelsfall genervt. Es kostet viel Mühe, aus derlei mitteilungsfreudigem Formulierungs-Cluster und unreflektierter Selbstlobhudelei den einen – wenn überhaupt – brauchbaren persönlich-emotionalen Satz zu fischen, der sich als Zitat im Zeitungsbericht eignet. Zitate ergänzen Informationen durch Emotion, machen persönlich, was im übrigen Text sachlich gehalten ist. Sie geben die Chance zu bewerten, was im Fließtext beschrieben wurde. Doch in solchen Beispielen gehen diese Schritte durcheinander.

Zitate als Podium maßloser Selbstüberschätzung

Auch in der Wirtschaft gehen mit den Verfassern von Pressemitteilungen gelegentlich die Pferde durch (oder sie werden dazu genötigt, das kommt ja auch vor). So schrieb zum Beispiel ein weltweit aktives Automatisierungsunternehmen seinem Vorstandsvorsitzenden folgenden Satz ins Zitat: „Mit dem neuen Campus schaffen wir eine der zukunftsorientiertesten Produktionsstätten.“ – Wow! Nicht nur zukunftsorientierter als zukunftsorientiert, sondern gleich am zukunftsorientiertesten …

Das sind natürlich alles nur Einzelfälle, aber sie zeigen uns, dass Zitate in Pressemitteilungen zu oft als Bühne missbraucht werden: für maßlose Übertreibungen oder ausgeprägte Selbstdarstellungen der Zitatgeber. Das nimmt den Presseinformationen schlimmstenfalls ihre Glaubwürdigkeit – und hilft damit weder der Person noch der Institution, die dahinter steht.

++ Lesen Sie auch: Fünf Regeln für Pressemitteilungen in der Online-PR ++

 

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