Bäcker erntet erst Solidarität, dann Shitstorm

Nach Corona-Appell

Auch in Zeiten des Coronavirus gilt: Vom Helden zum Schurken ist es manchmal nicht weit. So beispielsweise im Fall von Gerhard Bosselmann, einem Hannoveraner Bäcker, der noch Ende letzter Woche mit einem Video anlässlich der Corona-Krise viele Herzen rührte. Wenig später wurde jedoch ein Schreiben bekannt, das den Bäckermeister plötzlich in einem anderen Licht erscheinen ließ.

Vergangenen Freitag veröffentlichte Bosselmann ein emotionales Video auf Instagram. Darin bedankt er sich bei seinen Mitarbeiter:innen, die kein Homeoffice machen könnten, sondern an vorderster Front in den Läden stünden. Gleichzeitig appelliert er an seine Kund:innen, die Bäckerei auch in schlechten Zeiten wie den aktuellen zu unterstützen. Man brauche einen gewissen Mindestumsatz, sonst werde das Unternehmen in sechs bis acht Wochen sterben. Am Ende des Clips kämpfte Bosselmann sogar mit den Tränen.

Zunächst erntet Bosselmann für seine Botschaft viel Zuspruch; das Video wird tausendfach in den sozialen Medien geteilt. Kurz darauf kippt die Stimmung jedoch: Auf Twitter kursiert plötzlich ein Schreiben, in dem der Bäcker seinen Angestellten mit der Kündigung droht, sollten sie sich leichtfertig mit Corona infizieren oder sich ohne Beleg für eine Corona-Infektion krankmelden.

Auf den Bäcker „reingefallen“?

Für das Schreiben wurde Bosselmann scharf kritisiert: Einerseits seien seine Anweisungen für den Krankheitsfall zweifelhaft. Schließlich können sich mittlerweile bundesweit Menschen mit leichten Erkrankungen der Atemwege nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin bis zu sieben Tage lang krankschreiben lassen. Außerdem stieß vielen auch Bosselmanns Tonfall sauer auf, den der Spiegel beispielsweise als „patriarchalisch“ bezeichnete.

Auf Twitter entbrannte außerdem eine Diskussion über die Motive des Bäckermeisters: Die Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg, die Bosselmanns Video zuvor noch geteilt hatte, unterstellte ihm nun, seine Tränen seien „gefakt“ gewesen. Ihre Einschätzung, auf den Bäcker „reingefallen“ zu sein, teilten nicht wenige Nutzer:innen. Eine andere Interpretation bot beispielsweise Sascha Pallenberg von Daimler: Bosselmann sei „verzweifelt“; sein Aushang fordere lediglich zur Solidarität untereinander auf.

Bosselmann rechtfertigt sich

Gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen bestätigte Bosselmann die Echtheit des Schreibens, zeigte sich jedoch zunächst wenig reumütig. Er stehe zu seinen Aussagen, erklärte er, und verteidigte auch seinen strengen Ton: „Wenn einzelne Mitarbeiter durch ihr Verhalten den gesamten Betrieb gefährden, muss man deutliche Worte finden“. Das Schreiben habe er verfasst, nachdem Angestellte auf Corona-Partys oder Kindergeburtstagen gewesen seien und im Anschluss nicht mehr sicher waren, ob sie noch zur Arbeit kommen sollten.

Mittlerweile hat Bosselmann jedoch eingeräumt, sich bei dem Schreiben im Ton vergriffen zu haben. Im Interview mit dem Spiegel fragte er jedoch auch: „Wer will einem das schulden in einer Zeit, wo niemand weiß, wie lange wir als Firma noch überleben?“ Keiner seiner Mitarbeiter:innen habe sich beschwert; im Gegenteil: Er habe sogar Zuspruch aus seiner Belegschaft erhalten. Mittlerweile hätten sich sogar Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann sowie der Arbeitsminister Hubertus Heil bei ihm gemeldet.

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