Zwischen Pressetermin und Gerichtssaal

Die Liveübertragung der Pressekonferenz des Oberlandesgerichts (OLG) München zur Vergabe von Presseplätzen in einem Gerichtssaal war ein einmaliger Vorgang in der deutschen Medienlandschaft. Selten war ein deutsches Gericht in den vergangenen Jahrzehnten so im Blickpunkt der Öffentlichkeit, kein Gericht musste die Vergabe der wenigen Plätze für Medienvertreter so erläutern wie das OLG München. Im Fokus der Pressekonferenz standen nicht nur ein von den Angriffen gegen das Gericht sichtlich gezeichneter OLG-Präsident und ein Notar, bei dem sich hinterher herausstellte, dass er die Ziehung doch nicht ganz so gut überwacht hatte. Auch auf die Richterin am OLG und stellvertretende Pressesprecherin des Gerichts, Andrea Tietz, richtete sich die Aufmerksamkeit. Als diese die Plätze für „Radio Lotte Weimar“ und für die „Brigitte“ verkündete, konnte auch sie sich beim Gelächter im Saal ein Schmunzeln nicht verkneifen. Mit klaren Worten führte Tietz, bis vor kurzem noch Staatsanwältin und Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München II, durch den kurzen Presseauftritt des OLG München.

Nur genauen Beobachtern fiel auf, dass nicht Margarete Nötzel, die eigentliche Pressesprecherin des OLG München, die Veranstaltung leitete. Lag dies vielleicht daran, dass die Richterin bisher keine sehr glückliche Figur bei ihren Medienauftritten gemacht hatte? Dass sie einige Journalisten vorab informiert hatte, wann und wie das OLG München die umstrittene Akkreditierung der Journalisten durchführen wollte und dass es auch erhebliche Pannen bei der richtigen Eingabe und dem gleichzeitigen Versand der Mails an Journalisten gab? Der Austausch der Pressesprecherin zeigt auch, dass das Umfeld für Justizpressesprecher rauer geworden ist.

Doch was macht eigentlich ein Pressesprecher der Justiz? Und wie wird man dies? Gerichte und Staatsanwaltschaften sind im rechtlichen Sinne staatliche Behörden. Als Behörden sind sie  auch aufgrund der Landespressegesetze und anderer Vorschriften verpflichtet, Medienvertretern Auskunft zu erteilen, soweit es keine Verbote gibt. Auskunftsverpflichtet ist dabei grundsätzlich zunächst der Behördenleiter. Doch kann er diese Aufgabe als Verwaltungsaufgabe an einen Pressesprecher (oft auch als Pressedezernent oder Pressereferent bezeichnet) delegieren? In vielen Behörden gibt es dafür feste Planstellen, ganze Abteilungen und Dezernate, oft mit mehreren Mitarbeitern, die für die Medienauskünfte, die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit, für Veranstaltungen oder für das Internet zuständig sind.

In der Justiz ist dies leider meistens nicht der Fall. Planstellen für Pressesprecher, die dann nicht mehr als Richter oder Staatsanwalt tätig sind oder für die eigene Stelle, etwa als Verwaltungsangestellte, geschaffen werden, bilden die absolute Ausnahme. So gibt es etwa beim Bundesverfassungsgericht einen an das Gericht abgeordneten Richter aus der Stuttgarter Justiz, der in der Regel für drei Jahre die Pressearbeit des Gerichts übernimmt. Doch schon bei den Bundesgerichten, wie dem Bundesgerichtshof oder dem Bundessozialgericht, übernehmen Bundesrichter die Medienarbeit zusätzlich zu ihrer Richtertätigkeit. Und in nur wenigen Staatsanwaltschaften, die in der Justiz mit am meisten Medienarbeit zu leisten haben, haben Staatsanwälte, die für ihre Sprechertätigkeit von anderen Tätigkeiten freigestellt sind. Die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz findet oft noch im Verborgenen statt, obwohl sich vieles in den vergangenen Jahren verbessert hat. Vergleicht man deren Personalausstattung in diesem Bereich etwa mit Gemeinden oder mit der Polizei, so ist diese Ausstattung angesichts der Bedeutung der Justiz in unserem Rechtsstaat einfach schlecht. Dies obwohl etwa das Bundesverwaltungsgericht schon 1997 festgestellt hat, dass es eine der Kernaufgaben der Justiz ist, die Öffentlichkeit über ihre Entscheidungen zu unterrichten.

Noch rekrutiert die Justiz ihre Pressesprecher oft aus den eigenen Reihen. Sie betraut Richter und Staatsanwälte meist für eine begrenzte Zeit mit dieser Aufgabe. In der Regel sind es drei bis fünf Jahre, die man diese Tätigkeit ausübt, oft auch um „erprobt“ zu werden, zu prüfen, ob derjenige in der Lage ist, künftig Führungsaufgaben zu übernehmen. Es ist eine Verwaltungstätigkeit im direkten Umfeld des Behördenleiters, zu dem auch ein Vertrauensverhältnis bestehen muss. Weisungen an Richter, wie sie mit den Medien umzugehen haben, kann der Pressesprecher allerdings nicht erteilen. Denn über die Medienarbeit im Gerichtssaal entscheidet alleine der vorsitzende Richter, nicht einmal alle Richter eines Senats oder einer Kammer. Wann die Medien in den Saal dürfen, wie viele Plätze für Medienvertreter zu reservieren sind, ob Mobiltelefone eingesammelt werden oder nicht, ob eine Bildübertragung in einem anderen Saal stattfindet, dies alles entscheidet der Richter, der leider – wie aus der Münchener Justiz zu hören ist – nicht immer den Rat der Pressesprecher einholt. Nur umsetzen und erläutern müssen dies die Pressesprecher. Eine oftmals undankbare Tätigkeit. Nur noch vereinzelt übernehmen Behördenleiter selber die Medienarbeit. Hier hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass dies gerade in Krisenfällen unglücklich ist und zu Interessenkollisionen führt, von Zeitpro­blemen einmal ganz abgesehen.

Dabei ist die Aufgabe der Pressesprecher der Justiz vielfältig. Zwar liegt der Schwerpunkt meist in der reaktiven Medienarbeit. Doch auch die aktive Medienarbeit erlangt immer größere Bedeutung, ganz zu schweigen von der Krisenkommunikation wie beim OLG München. Auch bei den Staatsanwaltschaften liegt der Schwerpunkt der Medienarbeit auf den Nachfragen zu Ermittlungsverfahren. Dabei ist es oftmals auch juristisch schwierig abzuwägen, ob das Interesse der Medien an einer Auskunft das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, für den ja noch die Unschuldsvermutung gilt, überwiegt. Schwierig wird es, wenn etwa der Name noch nicht bekannt ist. Feste Regeln, wann ein Name genannt oder bestätigt werden darf, gibt es nicht. Von den Justizsprechern ist hier viel Geschick gefragt.

Was braucht ein Justizsprecher?

Welche Eigenschaften muss eine Pressesprecherin (der Frauenanteil ist hier wie in der gesamten Justiz sehr groß), ein Pressesprecher mitbringen? Zunächst ist dies das Vertrauen des Behördenleiters, denn ohne dieses funktioniert keine Medienarbeit. Dann ist es ein gutes Verhältnis, eine Offenheit für alle Mitarbeiter in der Behörde, seien es Kollegen oder etwa die Beschäftigten in den Geschäftsstellen. Denn ohne eine regelmäßige Information über wichtige Verfahren, neue Ermittlungsverfahren, interessante Gerichtsprozesse oder Probleme, die öffentlichkeitswirksam werden können, hat der Pressesprecher oftmals einen schweren Stand, auch gegenüber den Journalisten. Denn noch immer sind viele Juristen der Auffassung, dass es am besten sei, wenn die Medien nicht über die Justiz berichten. „Jeder Richter muss sich heute auf die Medien einstellen, sonst wird er seiner Aufgabe nicht gerecht“, meint dazu  Ingrid Kaps, die Pressesprecherin des Amtsgerichts Münchens, eines der größten deutschen Gerichte. Die Richterin erfüllt dabei mit ihrer Medienarbeit eine weitere Anforderung an die Mediensprecher: komplizierte juristische Sachverhalte verständlich zu erläutern und die typischen „Wenn“ und „Aber“ der Juristen, das „es kommt darauf an“ zu unterlassen und auch ohne viele Schachtelsätze zu formulieren. Jeden Montag veröffentlicht das Amtsgericht München eine Medieninformation zu einer Gerichtsentscheidung. Dies kann ein Fall aus dem Mietrecht sein, aus dem Verkehrsrecht oder es wird die Frage geklärt, wann ein Oktoberfest­besucher für die Reinigung eines Taxis aufkommen muss, wenn ihm auf dem Rückweg von der Wies´n schlecht geworden ist.

Allerdings sind juristische Themen oft sperrig. Die Justizsprecher müssen daher immer mehr erkennen können, was Medien jenseits von Skandalen an juristischen Themen interessieren könnte. Denn sowohl bei den Journalisten als auch bei den Bürgern muss Verständnis für Gerichtsentscheidungen geweckt werden. Gut geschriebene Presseerklärungen, interessante Informationen, etwa  wie ein Scheidungsverfahren abläuft oder wie ein Erbschein beantragt wird, dies alles sind Themen, die die Leser, die Zuhörer interessieren – und das nicht nur in Strafverfahren.

Für diese Medienarbeit müssen die Pressesprecher auch mehr noch als bisher in den „klassischen“ Anforderungen eines Kommunikationsverantwortlichen geschult werden. Sie müssen die Abläufe in Redaktionen kennen, lernen, wie man richtig und anschaulich formuliert, ein Interview gibt und vieles mehr. Nur wäre es gut, wenn dies in der Justiz und in der Politik so wahrgenommen würde und der Pressesprecher eines Gerichts nicht mit der Geschäftsleitung um Mappen für die Unterlagen für das jährliche Pressegespräch kämpfen muss. Jede Gemeinde, jede Polizeidirektion verfügt hier über schöne vorgedruckte Mappen, nur die Justiz hat oftmals dafür keine Mittel.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Employer Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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