Wie schaffen Frauen den Aufstieg, Frau Reim?

Interview mit der rbb-Intendantin

Als die heutige RBB-Intendantin Dagmar Reim 1995 gefragt wurde, ob sie Chefredakteurin des NDR-Hörfunks werden möchte, erstellte sie eine To-Do-Liste: drei Gründe sprachen dafür, den Posten anzunehmen – 17 dagegen. Dennoch trat sie die Stelle an. Heute setzt sie sich dafür ein, dass mehr Frauen in machtvolle Positionen aufrücken.

Frau Reim, wenn es um Frauen und Führungspositionen geht, wird meist auch deren fehlendes Machtstreben thematisiert. Ticken Frauen hier tatsächlich anders als Männer?

Dagmar Reim: Frauen konnotieren Macht oft negativ. Für mich ist sie aber erst einmal neutral. Man könnte dem Wort sogar Gutes abgewinnen: Macht heißt, etwas machen, etwas bewirken zu können. Bei vielen Frauen hat das dennoch einen „Igitt-bäh“-Beiklang. Man sollte das Wort davon befreien.

Vor zwölf Jahren haben Sie als erste Frau hierzulande die Intendanz einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt übernommen. Wurden Sie anfangs mit Vorurteilen konfrontiert?

Es gab sicher welche, aber die hat mir freundlicherweise niemand gesagt. So etwas findet ja eher hinter dem Rücken statt. Dafür sind die Menschen dankenswerterweise zu feige.

Dankenswerterweise?

Ja, es ist mir lieber, wenn ich unbeeinflusst von solchen Dingen arbeiten kann.

Seit dieser Zeit ist beim RBB der Frauenanteil in Führungspositionen auf 43 Prozent gestiegen. Was wurden konkret für Reformen vorgenommen?

Das Wichtigste ist der Mentalitätswandel. Wir fragen uns bei jeder neu zu besetzenden Stelle, ob dafür eine Frau in Frage kommt – und zwar über alle Hierarchiestufen hinweg. Ohne aktives Mitwirken der Männer wäre das nicht zu erreichen.

Apropos Männer: In den Diskussionen um die sagenumwobene Generation Y heißt es stets, dass junge Väter zunehmend ein gesteigertes Interesse daran entwickeln, mehr Zeit für die Familie zu haben. Ist hier ein Umschwung spürbar?

Ich warte darauf. Täglich. Es gibt Tendenzen, aber sicherlich noch keinen Großtrend. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frauen in den Medienberufen, verglichen mit anderen Branchen, privilegiert sind.

Aber hier ist es, wie beispielsweise auch in der Kommunikationsbranche doch so, dass zwar viele Frauen eingestellt werden, die wenigsten aber in den Chefetagen ankommen. Was würden Sie einer Frau raten, die aufsteigen will?

Sehr wichtig ist eine gute Vernetzung. Damit kann man nicht früh genug anfangen. Es gibt die funktionierenden Old-Boys-Networks, Frauen müssen einander ebenso unterstützen. Dabei hilft nichts besser als Mundpropaganda: „Ich kenne jemanden, der für diese Position geeignet wäre.“ Männer sind darin seit Jahrhunderten gut, für die Frauen gibt es viel aufzuholen.

Sollten Frauen denn die eher männlich geprägten Macht-Spielregeln anwenden?

Es gibt keine Möglichkeit für Frauen, erfolgreich zu sein, wenn sie Männer kopieren. Man muss sich selbst treu bleiben, nur so kann es funktionieren. Frauen müssen eigene Regeln schaffen, die einleuchtend sind. Zum Beispiel, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen gleich wichtig ist.

 

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