Wie lockt man Journalisten zur Jahres-Pressekonferenz?

Pressekonferenzen als Webcast bei Continental

Ein Webcast begleitend zu einer Pressekonferenz? Ist nichts Neues.
Ein Webcast anstelle einer Pressekonferenz? Hat nichts Revolutionäres mehr.
Ein Webcast anstelle einer klassischen Jahres-Pressekonferenz? „Das ist spannend“, lautet die Reaktion auf unser Vorhaben bei Continental – und auch aus Redaktionen und Kommunikationsabteilungen.

Dabei gab es natürlich viele Fragen:

  • Ist das nicht ein Sparprogramm? Nicht bei uns. Der Webcast wird sogar mehr kosten als der „Klassiker“. Aber die Journalisten sparen Reisekosten und Reisezeit.
  • Schottet ihr Eure Vorstände nicht ab? Im Gegenteil: Wir werden mehr Interviews mit Vorständen ermöglichen und mehr Exklusivität pro Medium. Wir haben zudem themenbezogen neue Gesprächsformate mit Vorstandsbeteiligung entwickelt.
  • Eine Frage aus einem öffentlich-rechtlichen Landesfunkhaus, Abteilung Fernsehen, lautete beispielsweise: Beschränkt ihr nicht das Recht auf freie Berichterstattung? Nein, nach dem Webcast können TV-Sender wie bisher Kurzinterviews führen. Schnittbilder können wie gehabt produziert werden. Und wer die Übertragung per Satellitenlink nicht nutzen möchte, darf auch eine (Pool-)Kamera aufbauen.

Was hat uns bewegt? Die Antwort ist eigentlich banal: Wie viele andere denken wir seit langem intensiv darüber nach, wie wir angesichts massiv veränderter Arbeitsbedingungen in Medienhäusern unsere externe Kommunikationsarbeit neu ausrichten. Also wollten wir von für uns wichtigen Qualitätsjournalistinnen und -journalisten aus allen Medientypen wissen: Was erschwert den Arbeitsalltag? Wie kann Unternehmenskommunikation ohne Grenzüberschreitung Medienarbeit im Alltag unterstützen?

Das Netz schläft nie

Um diese Kernfragen neutral und unabhängig beantwortet zu bekommen, hatten wir bei Infas 2013 eine Studie in Auftrag gegeben. Sie bestätigte unsere Annahmen: Arbeitsverdichtung, weniger Zeit für Recherche und Reisen, knappes Budget. Gleichzeitig steigender Produktionsbedarf im Endlosstrom von Neuigkeiten und Hintergründen rund um die Uhr. Das Netz schläft nie.

Sind Zeit und Geld für Dienstreisen knapp, wird das wertvolle Gut am liebsten für möglichst exklusiven Zugang zum Top-Management investiert. Oder um Innovationen im wahrsten Wortsinne erfahren zu können. Und um eigenes Erleben für „Geschichtenerzählen“ zu gewinnen.

In diesem Kontext haben wir uns das bislang bedeutendste Standardformat angesehen: die Jahres-Pressekonferenz. Exklusiver Zugang zum Vorstand? Nicht wirklich. Innovationen erfahren? Nein. Eigenes Erleben für das Geschichtenerzählen? Wenn die goldfarbene Krawatte des Vorstandsvorsitzenden als Anlass reicht, ja. Ansonsten: Eher nein. Zudem sanken die Teilnehmerzahlen Jahr für Jahr – außer es ist Krise. Den letzten Anstoß gab uns dieses Zitat des Ressortleiters Wirtschaft eines bedeutenden Medienhauses: „Eine klassische Jahres-Pressekonferenz ist uns keine einzige Zeile mehr wert.“

Wir haben uns zwei weitere Formate angesehen, in denen Zahlen und Fakten im Zentrum stehen: Die „Continental-Studentenumfrage“ (2013 in zehnter Auflage) und die „Continental-Mobilitätsstudie“. Bei der „Continental-Studentenumfrage“ haben wir uns schon vor Jahren von der klassischen Pressekonferenz verabschiedet und die Kommunikation der Studienergebnisse als Highlight in den jährlichen „Continental Student Day“ integriert. Dazu haben wir themenaffine Journalisten eingeladen.

2014 haben wir das Kommunikationsformat von Präsentation und Experten-Talk auf Videos und moderierten Dialog von Personalvorstand Ariane Reinhart mit Teilnehmern des „Continental Student Day“ umgestellt. Die Reaktionen haben uns überzeugt: Das ist der richtige Weg.

Brechen mit erduldeter Tradition

Aber lassen sich diese positiven Erfahrungen auf eine Jahres-Pressekonferenz übertragen? Ein weiterer Gedanke kam hinzu. Als gelernter Journalist habe ich in zig Bilanz-Pressekonferenzen die Reden mehr erduldet als gespannt verfolgt. Vielen Kolleginnen und Kollegen wird es heute noch ähnlich gehen. Deshalb brechen wir mit der erduldeten Tradition: Weg mit der Rede!

Nun kommt die „Continental-Mobilitätsstudie“ ins Spiel. Die Berichterstattung über die Ergebnisse der im Dezember 2013 veröffentlichten Studie zum „Automatisierten Fahren“ war über alle Erwartungen hinaus erfolgreich. An der Pressekonferenz hatten jedoch nur 15 Journalisten teilgenommen. Zig Absagen lauteten: Keine Zeit/kein Geld für die Dienstreise. Ja, es waren die „richtigen“ Journalisten da. Ja, es gab eine spannende Frage- und Antwortrunde. Aber hätte man die nicht ebenso in einem reinen Webcast führen können?

Die Antwort lautet, ja. Wie die Kommunikation der Ergebnisse „Continental-Mobilitätsstudie 2015“ im Januar dieses Jahres belegt. Bei dieser Gelegenheit haben wir zudem das technische Set-up für unseren Webcast zu den Geschäftszahlen 2014 getestet. Uns interessierten vor allem folgende Fragen:

  • Werden mehr und die „richtigen“ Teilnehmer dabei sein? Ja und ja. Mit 57 Journalisten zählten wir fast viermal so viele wie bei der Präsenz-Pressekonferenz Ende 2013.
  • Werden Chatfragen gestellt? Ja, mehr als zwei Dutzend.
  • Kommen Anrufe? Na klar, aber es waren nur rund ein Dutzend, da viele Fragen schon per Browser gestellt und im laufenden Webcast beantwortet wurden. Insgesamt zählten wir etwa dreimal so viele Fragen und Antworten als bei der Präsenz-Pressekonferenz 2013.
  • Funktioniert die Technik? Perfekt.
  • Wie wird das Feedback ausfallen? Spontanes Lob des Kollegen der „Auto-Bild“ live im Webcast als erstes Highlight, es folgten viele per Telefon und Mail.

Markus Wölk (Manager Bewegtbild, links) mit Felix Gress (Leiter Unternehmenskommunikation), Elmar Degenhart (Vorstandsvorsitzender), Hannes Boekhoff (Leiter Medien) und Wolfgang Schäfer (Finanzvorstand) bei der Feedback-Besprechung nach dem Dry-Run am 17. Februar im Studio in der Continental-Hauptverwaltung Hannover.

Nun sind wir sehr gespannt, wie der Webcast statt klassischer Jahres-Pressekonferenz am 5. März funktioniert und wie das Echo ausfallen wird.

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