Wie der Deutsche PR-Rat über die Ethik wacht

Moralische Grenzgänger

Mediziner, Anwälte, Köche, Ingenieure und Verwaltungsbeamte – fast alle Branchen verfügen über ein eigenes Berufsethos und moralische Standards. In einem Feld mit freiem Berufszugang wie PR ist es ungleich schwerer als in den oben aufgeführten Beispielen, für ein ausgeprägtes moralisches Bewusstsein zu sorgen.

Also ist es die zentrale Aufgabe der Ethikräte und Verbände als Branchenselbstkontrolle die berufsständischen Normen immer wieder auf aktuelle Fälle anzuwenden, sie zu aktualisieren und im Bewusstsein der Branche zu verankern, um so ein Korrektiv zu unstatthaftem Verhalten zu bilden.

Für die PR-Branche übernimmt seit mehr als 30 Jahren der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) die Kontrollfunktion. Der DRPR wird von den Verbänden BdP (bald BdKOM), DPRG und GPRA getragen. Er stützt sich in seiner Spruchpraxis auf den 2012 verabschiedeten Deutschen Kommunikationskodex, der fortlaufend durch Ratsrichtlinien ergänzt und aktualisiert wird. Für diese vielfältigen Aufgaben ist der Rat schlecht ausgestattet. Er ruht auf finanzieller Unterstützung der ihn tragenden Verbände und der ehrenamtlichen Initiative der Ratsmitglieder koordiniert durch den Ratsvorsitzenden und eine studentische Mitarbeiterin. Das muss man aber nicht beklagen, denn die oben skizzierte Signalwirkung kann der Rat auch so ausüben – als Korrektiv einer Branche, die im konstanten Wandel ist.

Die Rolle des Rates ist dabei eine mahnende, manchmal beratende und klärende. Die aktuellen Fälle des Rates lassen sich anhand von vier Prinzipien unterscheiden, für die hier jeweils ein Beispiel genannt werden soll.

Erstes Prinzip: Kommunikation als Manipulation

Der Rat rügt vor allem jene, die bewusst und strategisch versuchen, die öffentliche Meinung durch Falschaussagen zu manipulieren. Das verstößt gegen den Grundsatz der Wahrhaftigkeit des Deutschen Kommunikationskodex.

Beispiel: Heiscreen

„Bild“ verkündet im Februar 2019 eine vermeintliche Weltsensation. Ein neuer Bluttest, der an der Uniklinik Heidelberg entwickelt worden ist, soll angeblich in der Lage sein, zuverlässig Brustkrebs nachzuweisen – ähnlich wie bei einer Mammographie. Die Beteiligten, die Firma Heiscreen und das Klinikum, stellen die Weltneuheit in einer Pressekonferenz vor, während es in der Medizin eigentlich üblich ist, Innovationen in Fachpublikationen zu diskutieren. Zum Veröffentlichungszeitpunkt standen keine ausreichenden klinischen Tests zur Verfügung. Der Test war nicht zugelassen.

Der PR-Rat kam zum Ergebnis, dass Heiscreen und die Leitung des Universitätsklinikums Heidelberg die Öffentlichkeit bewusst getäuscht haben. Die Firma, an der neben einem branchenfernen Investor sowohl das Klinikum als auch der Leiter der Frauenklinik beteiligt sind, war die treibende Kraft hinter der Veröffentlichung. Warnende Hinweise der Pressesprecherin des Klinikums sollen vom Vorstand nicht beachtet worden sein. Ziel, so die Ratsbegründung, sei es gewesen, den Markt zu besetzen und Wettbewerber auf Abstand zu halten. Der Rat kam zur einstimmigen Entscheidung, Heiscreen und das Klinikum zu rügen. Der Presserat rügte zudem „Bild“ wegen verletzter Sorgfaltspflicht und unangemessen sensationeller Medizin-Berichterstattung.

Zweites Prinzip: Mit Falschmeldungen Aufmerksamkeit erregen

Der Rat rügt auch jene, die das Publikum zu kurzfristigen Falschannahmen verleiten – selbst wenn diese später korrigiert werden. Grundsätzlich will der Rat so genannte „Mystery Campaigns“ nicht unterbinden. Doch auch hier bleibt die Richtschnur, dass eine solche Maßnahme als werblich erkennbar sein und Journalisten auf Rückfrage Auskunft erteilt werden muss.

Beispiel: Savedroid

Das Blockchain-Startup savedroid führt 2019 ein Initial Coin Offering (ICO) durch. Etwa 40 Millionen Euro will das Unternehmen damit über Kryptowährungen eingesammelt haben. Kurz danach schockiert das Unternehmen nun seine Anleger und die gesamte Fintech-Szene mit der dem Internetmeme „… and it’s gone“. 24 Stunden ist die Website offline. Niemand in der Unternehmenszentrale ist telefonisch zu erreichen oder antwortet auf Mails. Anleger vermuteten sofort einen so genannten „Exit-Scam“, womit in der Branche gemeint ist, dass das gesamte Vermögen kriminell entwendet wurde.

Am Tag darauf wird alles aufgelöst: es handelte sich um Fake News – eine drastische PR-Aktion, um Aufmerksamkeit zu erregen. Laut Unternehmensangaben lanciert, um auf eine fehlende Regulierung im Bereich der Kryptowährungen wie Bitcoin hinzuweisen. Das Erklärungsvideo von Gründer Yassin Hankir zu dieser Aktion findet sich noch heute im Netz und offenbart ein massives Missverständnis im Umgang mit der Öffentlichkeit. Der DRPR hat dieses Verhalten gerügt.

Drittes Prinzip: Mangelnde Transparenz

Schleichwerbung wird vom Rat seit jeher gerügt. Heute trifft das eher Influencer und Blogger, die teils unabsichtlich Kennzeichnungspflichten verletzen.

Beispiel: „Flying Uwe“

Der Youtuber „Flying Uwe“ hatte in mehreren Filmen Produkte eindeutig positiv dargestellt. Zu den Unternehmen hatte er eine Geschäftsbeziehung, die er allerdings nicht kennzeichnete.

Zu diesem Ergebnis kam die Prüfung des DRPR, der in diesem Fall aufgrund von Medienberichterstattung tätig geworden war. Die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA HSH) sah hierin einen deutlichen Verstoß gegen die entsprechenden Kennzeichnungsregeln auf Youtube und hatte Fying Uwe darauf auch hingewiesen. Da dieser sich jedoch trotzdem nicht an die Kennzeichnungspflicht hielt, verhängte die Medienanstalt ein Bußgeld in Höhe von 10.500 Euro. Flying Uwe nahm die beanstandeten Videos umgehend aus dem Netz. Der MA HSH erließ ihm die Zahlung. Der Rat schloss sich dieser Linie an und hat auch auf die Erteilung einer Rüge verzichtet.

Viertes Prinzip: Marktmacht schlägt Unabhängigkeit

Immer wieder gibt es Versuche durch Unternehmen oder andere Organisationen, auf Medien einzuwirken und Berichterstattung zu erzwingen oder zu unterbinden. Hier kommt dem Rat die Aufgabe zu, die Grenzen der zulässigen Einflussnahme zwischen Journalismus und PR zu ziehen.

Beispiel: Volkswagen

Als Volkswagen in diesem Jahr ein vollelektrifiziertes Fahrzeug vorstellt, geschah dies zuerst unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ausschließlich gegenüber den eigenen Händlern. Nur eine Handvoll Journalisten war geladen.

Die Einladung geriet zu einem PR-Desaster, denn VW schwor die Eingeladenen nicht nur darauf ein, dass weder Bilder noch Tonaufnahmen gemacht werden dürften. Zu dem Thema sollte zudem nur mit Segen der Presseabteilung und zu einem späteren Zeitpunkt publiziert werden dürfen. Der Satz in der Einladung, dass nur diejenigen teilnehmen dürfen, die sich verpflichten, die späteren Texte der Pressestelle zur Freigabe vorzulegen, brachte das Fass zum Überlaufen und einen der Angeschriebenen dazu, die Einladung zu „leaken“.

Am Ende hat sich VW bei Journalisten, Öffentlichkeit und Medien entschuldigt. Gegenüber dem Rat hat das Unternehmen argumentiert, der Brief für die eigenen Händler sei versehentlich auch Grundlage der Journalisteneinladung geworden, ein Maulkorb oder Zwang zur Vorlage der Veröffentlichungen bestehe nicht. Der Rat verzichtete auf eine Rüge.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KRISE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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