Wer einmal im Spiel ist, hat gute Karten

Herr Professor Zerfaß, zu welcher Ausbildung raten Sie jemandem, der nach dem Abitur den Weg in Richtung PR einschlagen möchte?

Ansgar Zerfaß: Das ist schwer zu sagen. Die PR ist ein differenziertes Berufsfeld, daher haben viele Ausbildungswege eine Berechtigung. In Leipzig wie auch an vielen anderen Hochschulen startet man mit dem Bachelor Medien- und Kommunikationswissenschaft zuerst in die Breite. Hier geht es vor allem um empirische Methoden, von der Journalismus- und Rezipientenforschung bis hin zur Computerspielforschung. Erst der Master ist dann berufsfeldorientiert. Wer schon früh weiß, wo er hin will, kann auch direkt PR studieren. Meist wird das an Fachhochschulen angeboten. Hier steht das Handwerk, wie beispielsweise das Schreiben von Pressemitteilungen im Vordergrund. Das zu vermitteln ist an der Uni nicht unser Anspruch, bei uns werden mehr die analytischen Fähigkeiten geschult. Der Master Kommunikationsmanagement ist dann stärker anwendungsorientiert. Hier geht es eher um Fragen in die Richtung „Wie stelle ich als Kommunikationschef meine Kommunikationsabteilung neu auf?“, als „Wie entwickele ich eine kreative Kampagne?“

Nicht jeder bekommt einen Masterstudienplatz. Innerhalb des Auswahlverfahrens spielen an der Uni Leipzig auch persönliche Gespräche eine Rolle. Worauf achten Sie besonders?

Wir achten darauf, dass zunächst einmal die Methodenkenntnisse als Basis vorhanden sind. Im Gespräch wollen wir herausfinden, wie weit sich der Bewerber mit dem Berufsfeld auseinandergesetzt hat. Weiß er Bescheid über den aktuellen Diskurs? Und: Wo liegt seine berufliche Zielvorstellung? Hat er Führungswillen und die notwendigen Qualifikationen? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Wir wollen nicht einfach die Besten, sondern die Richtigen für den Studiengang finden. Bei aktuell 240 Bewerberinnen für 20 Studienplätze ist das eine verantwortungsvolle Aufgabe.

Die Ausbildung ist in der PR wie im Journalismus meist zweigliedrig. Hat ein Volontariat im Anschluss an ein PR-spezifisches Studium in Ihren Augen eine Berechtigung?

Hier muss man unterscheiden. Ein Volontariatsprogramm von Unternehmen ist meistens etwas völlig anderes als bei einer Agentur. Bei Letzteren passiert oft das, was die Studenten zu Recht bemängeln: Es werden zehn Volontäre eingestellt, davon sind drei spezialisiert und die anderen haben etwas Fachfremdes studiert – dennoch gibt es eine Gleichbehandlung. Bei Unternehmen ist das meist anders. Ein Volontariat ist grundsätzlich in Ordnung, sofern es angemessen bezahlt wird und die Absolventen nicht noch einmal die Ausbildung machen, die sie gerade beendet haben.

Und wo landet der Großteil der Kommunikationsmanagement-Absolventen der Uni Leipzig?

Bei uns schließen nur etwa 20 Prozent der Masterabsolventen ein Volontariat an das Studium an. Das sind insbesondere diejenigen, die in einer Agentur starten möchten oder in Firmen, die eigene Programme haben, wie BASF oder Siemens. Die meisten unserer Absolventen landen gar nicht erst auf dem freien Markt, sondern bekommen über Kontakte, die sie durch Praktika oder Abschlussarbeiten geknüpft haben, den Direkteinstieg hin. Wir kennen die Kommunikationschefs und diese kennen das Institut und unsere Studenten. So groß ist die Szene nicht und die wenigen spezialisierten Uni-Masterstudiengänge sind für Arbeitgeber interessant.

Das klingt nicht nach dem übersättigten Arbeitsmarkt, über den in der PR immer gesprochen wird …

Ich habe bisher noch nicht erlebt, dass sich jemand unter Wert verkaufen musste. Die Universitäten sehen eher kein Problem darin, ihre Leute unterzubringen. Es müsste mehr Ausbildungsmöglichkeiten geben – wer allerdings im Spiel ist, hat gute Karten. Allerdings ist es bei Fachhochschulen oft schon anders. Hier besteht manchmal ein weniger direkter Draht in die Praxis. Generell sind die Arbeitgeber gut beraten, sich über die Unis und Ausbildungen schlau zu machen, um die passenden Absolventen für sich zu gewinnen. Es gibt einige Agenturen, die regelmäßig die besten Volontäre haben, da sie sich durch Lehraufträge und gut bezahlte Praktika einen Namen machen konnten. Arbeitgeber sollten sich nicht nur mit Employer Branding beschäftigen, sondern persönlichen Kontakt pflegen.

Aber auch wer „im Spiel“ ist, hat nicht ausgelernt. Es wird immer angenommen, dass es in der PR-Branche durch den Medienwandel ganz besonders auf lebenslanges Lernen und Weiterbildungen ankommt …

Das ist meiner Ansicht nach eine Pseudodebatte. In jedem Bereich kann die Universität natürlich nur für eine grundständige Ausbildung sorgen. Es wird immer so getan, als sei die Kommunikationsbranche da etwas Besonderes, aber das ist nicht der Fall. Ein Mediziner ist auch nicht „fertig ausgebildet“, wenn er sein Studium abgeschlossen hat. Auch er muss immer wieder neue Behandlungsmethoden und den Umgang mit technischen Geräten erlernen.

Und wie organisiert man lebenslanges Lernen in der PR in der Praxis?

Das Talentmanagement kann nicht einfach an die Basisausbildung delegiert werden, es wird zunehmend zu einer Führungsaufgabe. Ständig wird thematisiert, wie die Leute in die Ausbildung hineinkommen, die spannendere Frage ist allerdings: Wie kann ich sie als Arbeitgeber halten und weiterentwickeln? Hierfür Konzepte zu entwickeln, ist die Herausforderung, denn diese bringen natürlich einen großen Wettbewerbsvorteil. Bei Medizinern und Wirtschaftsprüfern gibt es längst Systematiken, aber in der noch relativ jungen Kommunikationsbranche fängt man damit gerade erst an. Strategische Kompetenzentwicklung ist ein Zeichen für die Professionalisierung eines Berufsfelds. Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren mehr über dieses Thema sprechen.

 

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