Wenn die jungen Wilden erwachsen werden

Start-up-Kommunikation

Keine Frage, das Publikum liebt sie einfach, die jugendlichen Helden. Je unkonventioneller, desto besser. Wegen Schauspielern wie James Dean und Figuren wie Han Solo gehen die Leute seit jeher ins Kino.

Start-ups nehmen in der Wirtschaftsberichterstattung eine ähnliche Rolle ein, und zwar aus denselben Gründen: Sie sind unkonventionell und oftmals besser und schneller als die Etablierten. Kurzum: Sie greifen an, und das auf eine erfrischende Art – eben wie Han Solo das Imperium. So etwas sorgt für eine gute Story, die von Gründermedien und Start-up-Journalisten gern ausgegraben und publiziert werden.

Es lässt sich einfach gut erzählen, wie sich das Start-up vom Establishment abhebt. Dass es ein disruptives Geschäftsmodell verfolgt. Dass der Kicker im Büro die Stechuhr ersetzt. Und dass es keine Pförtner gibt, dafür aber jede Menge süßer Bürohunde. Wie sich die Gründer kennengelernt haben, wie sie auf ihre Geschäftsidee gekommen sind und wie sie den Markt aufmischen. Für die jungen Gründer ist diese Publicity oftmals ein guter Türöffner. Sie sorgt für neue Kontakte, hilft, Leads zu generieren und am Ende auch neue Kunden zu überzeugen.

Irgendwann ist jede Gründergeschichte erzählt

Doch trotz aller Erfolge ist diese Art von PR nicht mehr als ein Startschuss, eine Art Initialzündung für erfolgreiche kontinuierliche Kommunikation. Und genau das unterschätzen viele Start-ups und deren Kommunikatoren, interne wie externe. Irgendwann ist jede Gründergeschichte erzählt. Gleichzeitig entwickeln sich die Start-ups weiter. Aus der „Garagengründung“ mit zündender Idee wird schnell ein florierendes Wachstumsunternehmen. Wenn das Geschäftsmodell funktioniert, die Umsätze wachsen, neue Kunden angebunden und erste Kooperationen zustande kommen, dann passt die Gründer-Kommunikation nicht mehr zur Realität des Unternehmens. Das nämlich ist im Lebenszyklus längst zwei Schritte weiter.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Entscheidend ist es, die Stellschrauben der eigenen PR-Strategie unisono zur Entwicklung des Unternehmens weiterzudrehen. Das eigene Storytelling muss überdacht werden. Es muss näher an die PR-Strategien etablierter Unternehmen heranrücken. Statt Gründergeschichten müssen die Ideen von der Produktseite kommen. Aus dem „jungen wilden“ Herausforderer muss ein kompetenter Wettbewerber werden, der bessere Lösungen hat und die entsprechende Relevanz.

Auch der Medienfokus ändert sich im Lebenszyklus der Start-up-Kommunikation gewaltig. Wachstumsunternehmen mit 20, 30 oder 40 Mitarbeitern, die signifikante Umsätze generieren, benötigen neben den Gründermedien fürs Image immer stärker auch eine strategische Positionierung in ihren eigentlichen Zielmedien. Und das sind eben auch die großen Publikationen oder sogenannte Special-Interest-Medien, die ganz nah an der Zielgruppe sind, dem potenziellen Kunden. Hier müssen die PR-Verantwortlichen ordentlich Gehirnschmalz investieren und Storys finden, mit denen sie die jeweiligen Medien überzeugen können. Aktuelle News, wiederkehrende Daten oder Kalenderereignisse oder eben eigene Anlässe und Analysen – das wird schnell die zentrale Quelle, aus der das Wasser für einen erfolgreichen Kommunikationsfluss kommt.

Wer glaubt, die Medienarbeit würde ruhiger, irrt

Beispiel Fintech: In Deutschland gibt es eine Armada von tech-affinen jungen Herausforderern für die etablierte Finanzbranche, alle mit guten Ideen und tollen Konzepten und Services. Aber im Finanzgeschäft geht es in erster Linie um Glaubwürdigkeit. Daher muss sich jeder Gründer irgendwann die zentrale Frage aus Kundensicht stellen: „Würde ich diesem Anbieter mein Erspartes überlassen?“ Spätestens jetzt wird klar: Die Antwort auf diese Frage beeinflusse ich nicht positiv, indem ich Storys über eine Kicker-freie Zeiteinteilung im Start-up-Loft platziere.

Das Unternehmen muss stattdessen Mehrwert liefern und ihn kommunizieren. Wenn es den besseren Service bietet, die ausgefeiltere Technik hat, mit den attraktiveren Konditionen aufwarten kann – dann sollte es dies auch diejenigen wissen lassen, die es interessiert.  Und das, ohne die Werbekeule zu schwingen. Es muss eine Relevanz schaffen, die auch etablierte Medien erreicht. Wer im Bereich Mittelstandsfinanzierung unterwegs ist, für den sind das Mittelstands- und Spezialpublikationen. Und innovative Geldmanager wie Online-Vermögensverwalter (sogenannte Robo Advisors) wiederum müssen mit ihren Botschaften dort erscheinen, wo sie von potenziellen Investoren „gefunden“ werden, also in Anleger- und Börsenmedien.

Und noch einen Fehler sollte man tunlichst vermeiden: Zu glauben, die Medienarbeit würde ruhiger und einfacher werden, weil das vermeintlich aufregende Stadium des Start-ups hinter einem liegt, ist fahrlässig. Ziele müssen unter Umständen sogar schneller angepasst werden, je etablierter das Unternehmen wird und je breiter und klarer fokussiert Produktpalette und Ausrichtung werden.

Nur wer die Notwendigkeit dieses Wechsels in der Kommunikation begreift, kann langfristig erfolgreich sein. Also derjenige, der sich während des gesamten Reifeprozesses eine gewisse Flexibilität und Dynamik bewahrt hat. Eine Art Han Solo senior.

 

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