Weniger Gas, mehr Ökostrom

Interview mit Gasag-Sprecher

Herr Knauber, acht Jahre hat die Gasag mit einem Eisbären für sich geworben. Jetzt haben Sie ihn in den Ruhestand verabschiedet, warum?

Rainer Knauber: Keine Sorge, ganz in den Ruhestand ist er nicht gegangen. Bei bestimmten Sponsoring-Aktivitäten oder in der Schulkommunikation wird der Eisbär weiterhin eine Rolle spielen. Er ist ja auch ein Sympathieträger – doch als Werbefigur zu dominant. Umfragen haben gezeigt, dass die Botschaft hinter ihm zu verschwinden drohte. Der Hauptgrund aber, weshalb er nun in Teilzeit geht, ist ein anderer: Der Eisbär war das Symbol für die alte Gasag, die vor allem mit Gas und Wärme verbunden wurde. Wir sind aber nicht mehr nur ein Gasversorger, sondern ein breit aufgestellter Energiedienstleister und -erzeuger: Die Gasag hat in den vergangenen Jahren 100.000 neue Öko-Stromkunden gewonnen, produziert Öko-Strom und Biogas in eigenen Anlagen und gehört bundesweit zu den Top 10 der Contracting-Unternehmen. Kurz: Die Gasag ist heute grüner, dezentraler und smarter als früher. Das soll der neue Markenauftritt widerspiegeln.

2017 feiert die Gasag ihr 170-jähriges Bestehen. Fiel die Entscheidung für die neue Kampagne auch mit Blick auf das Jubiläum?

Ja, eigentlich waren wir im Sommer 2015 auf der Suche nach einer Kampagne für den 170. Geburtstag. Als im Rahmen der Ausschreibung aber vor allem Vorschläge im Zusammenhang mit dem Eisbären kamen, haben wir gemerkt, dass wir einen komplett neuen Markenauftritt wollten.

Ein früheres Kampagnenmotiv mit Eisbär (c) Gasag

Ob „Mama hat mal wieder ordentlich getankt“ oder „Noch so’n Bio-Trend: Kochen mit Gras“: Der Tonfall der neuen Werbekampagne ist humorvoll, manchmal etwas schnoddrig – so wie man es den Berlinern gern nachsagt. ­Wurde sie speziell für die Hauptstadt konzipiert?

Der Standard für Werbung hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. In Berlin ist sie lebensechter, witziger geworden – und meist ist ein Schuss Berliner Schnoddrigkeit dabei. Denken Sie nur an die Kampagnen der Berliner Stadtreinigung oder der Berliner Verkehrsbetriebe.

Fürchten Sie nicht, mit einer Kampagne, in der unter anderem ein alleinerziehender Vater mit Unterarm-Tattoo und ein bärtiger Motorradrocker vorkommen, Gewerbekunden zu irritieren?

Wieso? Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens findet die Kampagne unter Umständen genauso witzig wie wir. Ich glaube nicht, dass man heute in Unternehmen noch verstaubte Honoratioren findet, die völlig fern des Lebens stehen.

Ein neues Kampagnenmotiv (c) Gasag

Die Gefahr, Seriosität zu ­verspielen, sehen Sie also nicht?

Nein. Tradition und Seriosität sind die Attribute, die uns sehr stark zugeschrieben werden. Mit dem neuen Markenauftritt wollen wir vor allem zeigen, wie groß die Bandbreite unserer Kompetenzen ist.

Was hat sich damit hinter den Kulissen verändert?

Die Energiemärkte haben sich radikal verändert. Wir müssen das ebenfalls, wenn wir weiterhin erfolgreich sein wollen. Unser neuer Slogan „Neu denken. Mit voller Energie“ bringt es auf den Punkt: Wir wollen Neues wagen. Das bedeutet auch, Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und häufiger mal ein Risiko einzugehen. Auch die Erkenntnis, nicht mehr alles alleine machen zu können, gehört dazu. Wir arbeiten heute mit Kooperationspartnern zusammen – zum Beispiel wenn es um Smart-Home-Lösungen oder den Bau von Windparks geht.

Für die Kampagne haben ­Vertrieb und Kommunikation erstmals sehr eng zusammengearbeitet. Wie hat sich das Arbeiten über Abteilungsgrenzen hinweg bewährt?

Sehr gut. Grundsätzlich verstehe ich aber auch die Diskussion nicht, ob Marketing eher vertriebs- oder markengetrieben sein sollte. Beides lässt sich nicht voneinander trennen. Der Kunde wird ein Produkt eher toll finden, wenn er auch die Marke toll findet. Und umgekehrt. Darum haben wir bei dieser Kampagne versucht, die Geschichte von der Marke bis zum Produkt zu erzählen.

Auch die Webseiten wurden neu gestaltet. Social Media soll eine größere Rolle spielen. Welche Kanäle nutzen Sie – und wofür?

Für die Kommunikation mit Kunden nutzen wir Facebook, für die mit Stakeholdern und Multiplikatoren Twitter.

Und wie setzen Sie den neuen Internet-Blog ein?

Mit dem Blog wollen wir zeigen, was in uns steckt: etwa, dass wir uns seit Jahren für Kunst und Kultur in der Hauptstadt engagieren, indem wir Institutionen wie die Neuköllner Oper oder das Grips-Theater unterstützen. Auf dem Blog wird das zum Beispiel erfahrbar anhand eines Interviews mit dem Theater-Schauspieler Jens Mondalski.

Angesichts so vieler Veränderungen – wie schaffen Sie es, die Mitarbeiter mitzunehmen?

Indem wir zum Beispiel versucht haben, sie aktiv in die Entwicklung des neuen Markenauftritts einzubeziehen. Es gab viele Gespräche. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Einschätzung der Mitarbeiter kaum unterschied von der unserer Kunden: Viele haben sich gewünscht, dass wir – ähnlich wie die BSR – auch mal mit einer Kampagne ein bisschen talk of the town sind.

Waren Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Ich habe von keinem gehört, dass er sich den Eisbären zurückwünscht. Intern präsentiert haben wird die Kampagne in einer konzertierten Aktion am 4. Oktober, dem offiziellen Start des Markenauftritts: Auf dem Computer erschien das neue Logo als Bildschirmschoner, im Entree und im Fahrstuhl hingen die Kampagnenmotive. Für die Tabletts in der Kantine hatten wir Aufleger mit Sprüchen drucken lassen wie: „Bitte nicht auf das neue Design kleckern.“ Das hat für Schmunzeln gesorgt. Die Restauflagen werden wir, ebenso wie die Werbeplakate, später zu Einkaufstaschen verarbeiten. Schon jetzt werde ich von Mitarbeitern gefragt, ob sie nicht eine bekommen können. Ich glaube, das ist ein Ja – die Kampagne kommt an.

Am 1. Januar 1847 wurden die Berliner Gaswerke gegründet – als erste Aktiengesellschaft in Berlin. Was planen Sie für das Jubiläum?

Einiges! Eben komme ich aus einem Meeting mit dem Planungsstab, dem Mitarbeiter aus allen Konzernbereichen angehören. Details kann ich leider nicht verraten.

Was bedeutet dieser Geburtstag für die Neuaufstellung des Konzerns?

Statt nur in den Rückspiegel zu gucken, wollen wir im Jubiläumsjahr auch zeigen, wie wir uns die nächsten 170 Jahre vorstellen. Unternehmensgeschichte ist wie eine Reise: Man darf nie vergessen, wo man herkommt – muss aber wissen, wo man hinwill.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Streit. Das Heft können Sie hier bestellen.

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