Weleda und der Stuhlkreis 2.0

Interview

Vor beinahe 100 Jahren wurde der anthroposophische Naturkosmetik- und Azneimittelhersteller Weleda gegründet. Heute verfügt der Mittelständler mit Hauptsitz im schweizerischen Arlesheim über 20 Verbundunternehmen weltweit, 2.400 Mitarbeiter und Vertretungen in 54 Ländern. Zur Verbesserung der globalen Zusammenarbeit begann Weleda, unterstützt von der Agentur Hirschtec, im vergangenen Jahr mit dem Aufbau eines weltweiten Intranets. Ein Change von null auf 100 – immerhin hatte es zuvor auch am Stammsitz kein Intranet gegeben.

Um der Skepsis aus der Mitarbeiterschaft zu begegnen und Hürden frühzeitig abzubauen, initiierte die Kommunikationsabteilung bei dessen Einführung eine interne Werbekampagne, verteilte Postkarten und “Starterkits”, plante eine Schnitzeljagd und stellte das neue Intranet-Maskottchen, die Biene Clara, vor, die im Intranet Fragen der Belegschaft beantwortet. Zudem wurden zwei Gruppen ins Leben gerufen, die während der Entstehungsphase dazu beitragen sollten, das neue Intranet möglichst passgenau zu gestalten: zum einen die “Pioniere” mit Vertretern unter anderem aus Betriebsrat und Personalabteilung, zum anderen die “Piloten”, die repräsentativ für die gesamte Belegschaft Tools austesteten und Feedback gaben.

Im Anschluss an ihren Vortrag auf dem Kommunikationskongress haben Kommunikationschef Theo Stepp und Corporate Communications Manager Tobias Jakob noch ein paar Fragen zum Thema beantwortet.

Herr Stepp, in Ihrem Vortrag sprachen Sie davon, das Intranet “nach jahrelangem Kampf” eingeführt zu haben. Wie kam es dazu, dass Sie sich erst so spät dafür entschieden haben?

Theo Stepp: Die Entscheider haben sich erst so spät dazu durchgerungen – ich selbst habe mir das schon sehr lange gewünscht, fast seit ich im Unternehmen bin; und ich bin seit 17 Jahren dabei. Wir Kommunikatoren haben immer wieder versucht, das Intranet als Projekt aufzusetzen, aber in der Projekthierarchie ist das Thema lange Zeit hinten heruntergefallen, weil es nicht für so notwendig erachtet wurde. Anderen IT-basierten Projekten wurde stets der Vortritt gelassen.

Und was hat dann schließlich den Ausschlag gegeben?

Stepp: Wir sind ein Musterbetrieb, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, und lassen uns dazu von der Hertie-Stiftung auditieren. Um das Zertifikat zu bekommen, muss man gewisse Kriterien erfüllen. Eines davon ist, den Mitarbeitern zur besseren Teilhabe ein funktionierendes Intranet zur Verfügung zu stellen. Das war sicherlich ein relevantes Argument, das wir von der Kommunikationsseite noch einmal vorgebracht haben. Zudem kamen irgendwann andere Chefs, die – eher kommunikativ veranlagt – die Notwendigkeit erkannten.

Vonseiten der Mitarbeiter wurde das Bedürfnis nicht laut, den vielen internen E-Mails ein Ende zu bereiten?

Stepp: Schon, vor allem wenn Mitarbeiter aus anderen Firmen zu uns kamen, die dort ein Intranet hatten. Viele unserer Kollegen kannten das aber gar nicht und haben die Vorteile anfangs nicht so gesehen. Das haben wir auch an der Tatsache gemerkt, dass einige noch lange in ihrer E-Mail-Kultur verwurzelt blieben und das Intranet eher als überflüssig empfanden. So langsam spüren sie aber, dass sie sich selbst vom Austausch und der Information abschirmen, wenn sie es nicht nutzen.

In Ihrem Vortrag sagten Sie, Weleda sei “kein Trendsetter”, was technische Neuerungen betrifft. Wie erklären Sie sich das?

Stepp: Ja, damit habe ich auch ein bisschen kokettiert. (lacht) Natürlich kommen auch immer wieder neue Leute dazu, die Lust daruaf haben; die Jüngeren sind ohnehin technikaffin. Ein bisschen karikiert könnte man sagen: Aufgrund unserer anthroposophischen Richtung stellen sich viele die interne Kommunikation bei uns vielleicht eher als Stuhlkreis mit einer Kerze in der Mitte vor. Natürlich ist es bei uns schon so, dass der persönliche Kontakt besonders wertgeschätzt wird. Eine gewisse Skepsis gegenüber moderner Methoden hat es sicher gegeben. Wir freuen uns aber inzwischen darüber, dass auch viele Mitarbeiter begeistert auf Yammer posten, von denen wir es nicht erwartet hätten. Wir freuen uns, wie sehr diese neue Form der internen Kommunikation unseren Austausch und die gesamte Unternehmenskultur beeinflusst.

Tobias Jakob: Durch unsere verschiedenen Maßnahmen konnten wir die Skepsis überwinden. Plötzlich fingen auch die altgedienten Mitarbeiter an, zu posten, und haben Gefallen daran gefunden.

Stepp: Es war sicher auch ein Anreiz, dass ich als einer der Älteren im Kollegium hinter dem Intranet stehe. Da haben sich vielleicht einige gedacht, “wenn selbst der das mitpropagiert …”. (lacht)

Herr Jakob, Sie haben die Maßnahmen präsentiert, die Sie der Skepsis entgegensetzen wollten. Welche davon war rückblickend betrachtet die wirksamste?

Jakob: Eine einzelne herauszupicken ist schwierig. Am wichtigsten war generell, dass wir in den Dialog gegangen sind. Dass wir die beiden Gruppen geschaffen haben, die uns ja auch Feedback zugespielt haben. Und die Werbekampagne kam sehr gut an: Mit ihr ist es gelungen, dass das Intranet sich in den Köpfen der Mitarbeiter nicht als kaltes technisches Tool, sondern als etwas Sympathisches verfestigt hat.

Und wie kam die Biene Clara, das Intranet-Maskottchen, an?

Jakob: Sehr gut!

Stepp: Die Biene hat ja auch etwas mit uns zu tun. Sie steht für eine Bewohnerin unserer Gärten, in denen die Pflanzen wachsen, die wir für unsere Produkte verwenden. Die Biene ist ein wichtiges Tier, auch für die Zukunft der Menschheit. Sie passt auch deshalb hervorragend zu uns.

Die Biene beantwortet im Intranet Fragen der Mitarbeiter. Wer steckt dahinter – oder handelt es sich um einen Bot?

Jakob: Nein, zum Glück nicht! Unser Kommunikationsteam steckt dahinter.

Zur Unterstützung haben Sie während der Entwicklungsphase unternehmensintern zwei Gruppen kreiert; die Pioniere und die Piloten. Welches Feedback der Kollegen war für Sie besonders wertvoll?

Jakob: Die Piloten haben von uns verschiedene Aufgaben bekommen. Zum Beispiel haben wir sie nach Übersichtlichkeit und Farbigkeit der Startseite befragt. Dieses Feedback haben wir berücksichtigt.

Stepp: Wir haben natürlich auch ausgewertet, welche Unternehmens-News für die Mitarbeiter tatsächlich relevant sind und ein News-Archiv angelegt. Das hat unsere Zusammenarbeit stark beeinflusst und ich sehe gerade in diesem Bereich auch international einen großen Nutzen. So ein weltweiter Newsletter ist immer ein bisschen träge, es dauert, bis man alles Material zusammen hat. Jetzt können wir neue Informationen sofort bereitstellen.

Ursprünglich war geplant, dass an jedem Standort, entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse, ebenfalls Intranets mit vollem Nutzungsumfang aufgebaut werden. Nun hat sich das Unternehmen dazu entschieden, den Ländern erst einmal nur einen Teil der Funktionen zur Verfügung zu stellen. Wie kam es zu dem Strategiewechsel?

Jakob: Wir wollten schneller mit den Kollegen in Kontakt treten können, der Aufbau der einzelnen Länder-Intranets hätte zu lange gedauert. Daher haben wir entschieden: Wir stellen jetzt sofort zur Verfügung, was für die internationale Zusammenarbeit am wichtigsten ist. In einem nächsten Schritt sollen aber zumindest die wichtigsten Standorte ebenfalls vollumfängliche Intranets bekommen. Bei den kleineren Standorten, in Australien sind es beispielsweise nur rund 20 Kollegen, wollen wir nachfragen, ob sie ein solches Intranet mit allen Funktionen wirklich für sinnvoll halten. Da gehen wir auf deren Bedürfnisse ein, es gibt natürlich keinen Zwang.

Stepp: Natürlich gibt es bei Weleda aber nach wie vor auch im internationalen Rahmen physische Treffen. 2015 gab es ein großes Mitarbeiterfest mit 1.400 Teilnehmern. Zwei Tage lang haben wir in einem dafür aufgebauten Zirkuszelt zusammen gefeiert und die Gelegenheit genutzt, uns gegenseitig kennenzulernen. Spätestens zu unserem 100-jährigen Jubiläum 2020/21 wird es etwas Ähnliches wieder geben. Ich denke, es kommt auf die Mischung an; Tools wie Skype for Business sind praktisch und werden von uns genutzt – aber diese neuen technischen Möglichkeiten werden persönliche Begegnungen niemals ersetzen können.


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