Was gilt es bei Mitarbeiter-Apps zu beachten?

Interne Kommunikation

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden bei Branchenpreisen regelmäßig für ihre Kampagnen ausgezeichnet. In der internen Kommunikation gilt es für das Unternehmen mit seiner heterogenen Arbeitnehmerstruktur, die Balance zu finden zwischen digitalen Tools und klassischen gedruckten Formaten. So bekamen die Angestellten beispielsweise regelmäßig einen Newsletter – allerdings nicht per E-Mail, sondern in Papierform.

„Irgendwann sahen wir ein, dass das nicht mehr das geeignete Medium ist, um die Mitarbeiter über die neu­esten Entwicklungen im Unternehmen zu informieren“, sagt David Rollik, Lei­ter der Stabsabteilung Kommunikation bei der BVG. Immer häufiger hätten die Kollegen im Pausenraum zu ihrem Smartphone gegriffen, während die Newsletter auf den Tischen ungenutzt liegen geblieben seien. 2016 kamen der Newsletter und mit ihm zusätzliche Informationen aus dem Unternehmen folgerichtig auf das Handy: Die Mitar­beiter-App der BVG war geboren. Für die App „Profil“ beauftragte die BVG das Chemnitzer Start-up Staffbase.

Solche Apps werden von immer mehr Unternehmen eingesetzt. Umfra­gen zeigen, dass das Schwarze Brett zwar weiterhin seine Berechtigung besitzt, gedruckte Informationen zum Beispiel in Form von Mitarbeiterzeitschriften insbesondere von jüngeren Kollegen aber schlechter angenommen werden. Die etablierten Wege, die Angestellten zu informieren, haben an Bedeutung verloren – besonders in Unternehmen, bei denen die Mitarbeiter nicht mehr regelmäßig ins Büro kommen. Warum sollten Mitarbeiter ausgerechnet im Betrieb Informationen über Papierfor­mate beziehen, während sie im Privaten sowieso überwiegend digital und mobil unterwegs sind?

Apps gehören zum Alltag im Leben der meisten Berufstätigen genauso wie Social Media. Deren Bedienung und Funktionalität sind gelernt. Sie sind für die Unternehmenskommunikation das ideale Instrument, um Mitarbeiter in der Produktion oder wie bei der BVG in Bussen und Bahnen sowie überall dort zu erreichen, wo es keinen Zugang zu Computern gibt. Bei der BVG habe das sehr gut funktioniert, sagt Sprecher Rol­lik. „Wir haben sehr viel Leben in der App. Moderierend eingreifen müssen wir fast nie.“

Wie Mitarbeiter ohne festen Arbeitsplatz erreichen?

Fast 15.000 Menschen arbeiten für die BVG. Mehr als die Hälfte von ihnen habe sich die App aufs Handy geladen, „was mehr ist, als wir erwartet hät­ten“, so Rollik. Die Applikation ist abge­stimmt auf die verschiedenen Unter­nehmensbereiche: Es gibt eigene Kanäle für Mitarbeiter im Tram-, Bus- und U-Bahn-Segment. Alle Nutzer erhalten die BVG-News. Nachrichten aus ande­ren Unternehmensbereichen wie zum Beispiel Marketing können zusätzlich abonniert werden.

Eine beliebte App-Funktion ist der Chat: Hier können alle registrierten Mit­arbeiter kontaktiert werden. Auch das Schwarze Brett hat sein digitales Pen­dant gefunden. So werden unter ande­rem interne Jobangebote gepostet. „Es war vorher oft ein Problem, damit die Mitarbeiter zu erreichen“, erklärt Rollik.

Von der Dating- zur Mitarbeiter-App

Fast alle Unternehmen greifen bei der Entwicklung ihrer Apps auf externe Dienstleister zurück. Einer der füh­renden Anbieter im deutschsprachigen Raum ist Beekeeper mit Sitz in Zürich und einem Büro in Berlin. Die Beekee­per-Plattform wird unter anderem von Rewe, der Berliner Stadtreinigung und dem Deutschen Roten Kreuz genutzt.

Jens Dreisewerd verantwortet bei Beekeeper das operative Geschäft in Deutschland und Österreich. Der Anfang sei 2012 eine Art Dating-App für Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich gewesen, sagt Dreisewerd. „Die Idee, ein exklusiv zugängliches Por­tal für einen eingegrenzten Personen­kreis zu haben, fanden Unternehmen spannend“, und so habe Beekeeper den Markt für Mitarbeiter-Apps in Europa mitbegründet. Heute habe man Kunden in mehr als 150 Ländern.

„Vorher gab es in der Mitarbeiter­kommunikation oft nur Schwarz oder Weiß“, meint Dreisewerd. „Entweder hatte man Zugang zum Intranet und zu allen Informationen oder eben nicht – und war damit weitgehend abgeschnit­ten.“ Die Lösung sei aber nicht, einfach eine abgespeckte Version des Intranets in eine App zu integrieren und dann zu hoffen, dass diese genutzt werde.

Es gelte, sich an gelernten Formaten wie Facebook und Netflix zu orientie­ren. „Das Intuitive dieser alltäglichen B2C-Plattformen ist gelernt und wird dann auch oft von einer Mitarbeiter-App erwartet.“ Ziel müsse sein, eine nutzer­freundliche App zu entwickeln, die einen „echten Mehrwert“ biete. Die Basis bil­den häufig eine Chatfunktion oder operative Funktionen – etwa die Mög­lichkeit, über die App Dienste mit Kol­legen zu tauschen.

Beekeeper hat auch die Mitarbei­ter-App für das Modehaus Ramelow ent­wickelt. Das Elmshorner Unternehmen hat sieben Standorte in Norddeutsch­land. 90 Prozent der Mitarbeiter haben keinen festen Büroarbeitsplatz. Die meisten von ihnen sind als Kundenbera­ter tätig. „Vor allem zwischen den Stand­orten gab es bis zur Einführung der App eine unzureichende Kommunikation“, sagt Clara Becker, Head of Marketing & Digital Operations bei Ramelow. 2017 habe man die App eingeführt und damit die „klassische Top-Down-Kommunika­tion über Schwarze Bretter und E-Mails durchbrochen“.

Die App beinhaltet unter anderem eine Chatfunktion, die sich bei der Nut­zung eng an klassischen Messengern ori­entiert. Außerdem gibt es einen überge­ordneten Stream, über den Neuigkeiten des Unternehmens gepostet werden, die man dann kommentieren kann. „Das hat ganz bewusst auch einen Unterhaltungscharakter“, sagt Clara Becker. Gerne genutzt werde auch der Onlinelernkanal: In diesem finden die Angestellten unter anderem monatliche Mitarbei­ter-Videos über aktuelle Modetrends.

Kritische Masse ist wichtig

Das Engagement der Ramelow-Mit­arbeiter, davon ist Becker überzeugt, hat sich durch die App „massiv opti­miert“. Das deckt sich mit den Erfah­rungen von Tillmann Seidel, Experte für Transformationsprozesse beim Köl­ner Unternehmen HR Pioneers. Mit­arbeiter würden mit Apps oft erst zur Selbstorganisation und zum Austausch mit Kollegen befähigt, sagt Seidel. Am Anfang sei es wichtig, überhaupt genü­gend Menschen zur Nutzung zu motivie­ren. In kleineren Unternehmen könnte dies dadurch befördert werden, Teams persönlich anzusprechen, „um so eine kritische Masse zu erreichen, die dann andere Kollegen motiviert, sich die App ebenfalls zu holen“.

Bei der BVG mit ihren tausenden und über die ganze Stadt verteilten Ange­stellten war eine persönliche Ansprache nicht möglich, betont David Rollik. Dafür habe es zahlreiche Abstimmungen mit Personalräten und dem Datenschutzbeauftragten gegeben, unter anderem als die Chatfunktion eingeführt wurde und es die Sorge gegeben habe, ob die Gesprä­che wirklich nicht von anderen mitgele­sen werden könnten.

Auch heute gebe es noch BVG-Mit­arbeiter, die sich gegen die App entschie­den, sagt Rollik. „Grundsätzlich gilt bei uns, dass die Informationen auch auf anderen Wegen verbreitet werden, zum Beispiel über das Mitarbeitermagazin. Niemand, der die App nicht hat, ist also ausgeschlossen.“ Der Newsletter werde allerdings nicht mehr gedruckt.

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ZEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.