Warum Statistiken oft fehlinterpretiert werden

Drei Beispiele aus der Zeitungslektüre

Im „Hamburger Abendblatt“ erschien einmal der folgende Artikel: „Hunde beißen am liebsten Männer, Katzen bevorzugen ältere Frauen und Pferde Mädchen. Das fand Eilif Dahl von der norwegischen Ärztevereinigung heraus. Er untersuchte anhand von 1051 Fällen in einer Osloer Klinik das Beißverhalten der Tiere.“ Hier ist dem Redakteur offensichtlich ein weit verbreiteter Denkfehler unterlaufen: Wenn zwei Dinge gleichzeitig geschehen oder sie statistisch miteinander zusammenhängen, neigt man dazu, sie als Ursache und Wirkung zu interpretieren. Doch das kann ein Irrtum sein. Oft gibt es einen Faktor im Hintergrund, der den Zusammenhang leicht erklärt, wie in diesem Fall die Vorlieben der Tierhalter: Wen sonst soll ein Pferd denn beißen als pubertierende Mädchen? Andere Menschen dürften höchst selten in die Reichweite seiner Zähne kommen.

Überflüssige Statistik

Das zweite Beispiel: Der Bayerische Rundfunk meldete: „Wer meint, eine Zigarette beruhige die Nerven, wird überrascht sein. Denn gerade Raucher sind offenbar besonders anfällig für Panikattacken. Das haben Wissenschaftler in Detroit und an der Columbia-University in New York belegt. Sie befragten über 5000 Personen nach Anzeichen für Panikattacken (…). Das Ergebnis: Für Menschen, die täglich zur Zigarette greifen, ist das Risiko, in Panik zu geraten, zwei bis dreimal höher als für Nichtraucher. Grund dafür könnten noch unbekannte Wirkungen des Nikotins auf Prozesse im Gehirn sein.“

Es spricht einiges dafür, dass hier Ursache und Wirkung vertauscht wurden. Man muss nur Ursache und Wirkung in Gedanken einmal probehalber vertauschen, dann verwandelt sich die vermeintliche Sensation in die banale Meldung, dass Hektiker häufiger zur Zigarette greifen. Es mag ja sein, dass Zigarettenrauch nervös macht, doch zumindest braucht man keine Verweise auf rätselhafte, bisher unbekannte Wirkungen des Nikotins, um den Zusammenhang zwischen Rauchen und Nervosität zu erklären. Der Pionier der Umfrageforschung Elmo Roper hätte gesagt: „Sie meinen also, weil die Grillen zirpen, geht die Sonne unter?“

An der Wahrheit vorbei

Das liest sich alles harmlos, doch wer einmal die Logik durchschaut hat, wird staunen, wie viele gesellschaftliche Debatten auch zu wichtigen Themen auf Fehlinterpretationen von Statistiken gründen. Oft stößt man dabei noch auf einen weiteren Fehler: Der Verwendung eines ungeeigneten Maßstabs. Hierzu das dritte Beispiel:

In der Zeitung „Die Welt“ fand sich im vergangenen Jahr ein Artikel mit der dramatischen Überschrift „Grafik des Untergangs prophezeit Börsen-Crash.“ Die dazugehörige Grafik zeigte die Entwicklungen des Dow-Jones-Indexes in den Jahren 1928 bis 1930 und 2012 bis 2014 im Vergleich. Die Übereinstimmung war faszinierend: Die Linie, die die Entwicklung der Jahre 2012-2014 zeigte, lag praktisch deckungsgleich auf der Linie, die die Daten von 1928 bis 1929 bis kurz vor dem Börsencrash zeigte. Demnach müsste, so suggerierte die Grafik, in den kommenden Tagen ein gewaltiger Börsenzusammenbruch folgen.

Praktisch niemand merkte, dass die Linien nur deswegen deckungsgleich waren, weil für sie verschiedene Maßstäbe gewählt worden waren. Tatsächlich hatte sich der Index ab 1928 in knapp zwei Jahren verdoppelt, bevor er mit dem Börsenzusammenbruch 1929 wieder auf das alte Niveau zurückfiel. In der Zeit ab 2012 hatte er sich dagegen nur um etwa ein Fünftel erhöht. Investoren, die Grafiken zu lesen verstanden, konnten sich also die Panik sparen.

Fazit

Die Beispiele zeigen, warum es sich auch für die Verfasser und Nutzer von Pressemitteilungen lohnt, sich wenigstens einige wenige Grundkenntnisse auf dem Gebiet der statistischen Logik anzueignen. Das alte Vorurteil stimmt nämlich: Man kann mit Statistik tatsächlich (fast) alles beweisen, aber nur dem naiven Leser.

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