„Warum Kinder leugnen?“

Frauen in den Medien

Frau Schürmann, Sie wollen nach eigener Aussage Frauen, die in der Coronakrise zurückstecken mussten, helfen, sich neu zu positionieren. Warum ist das aus Ihrer Sicht notwendig?

Tina Schürmann: Die Verlagsmanagerin Julia Jäkel beklagte kürzlich in der Zeit, dass sie in einer Telefonkonferenz mit führenden Verlagsvertretern dieses Landes die einzige Frau gewesen sei. Plötzlich, in der Krise, seien alle Frauen weg gewesen. Dabei werden gerade in Krisenzeiten Karrieren gemacht. Dass Frauen diese Chance verpassen, nur weil sie sich um ihre Kinder kümmern mussten oder wollten, darf nicht sein. Frauen brauchen von Unternehmen, Arbeitgebern und Kollegen nicht nur Akzeptanz, sondern auch volle Unterstützung und eine Auffangkultur.

Wenn die Chefin sich im Homeoffice um die Kinder kümmert, schadet das ihrem professionellen Ansehen?

Anscheinend. Und ich frage mich, warum? Auf der einen Seite sollen Frauen im Business voll funktionieren, auf der anderen Seite erwartet man von ihnen, dass sie gute Mütter sind und liebevoll ihre Kinder betreuen. Im Krisenfall heißt das aber, dass sie ihre Kinder schützen, aufbauen, an ihrer Seite sind. Also muss es legitim sein, dass eine Mutter das dann auch tut.

In der medialen Berichterstattung über weibliche Führungskräfte wird im Gegensatz zu Männern häufig das Private thematisiert. Wie verhindert man eine klischeehafte Darstellung?

Warum darf der Spagat, den die Frau leistet, nicht thematisiert werden? Für eine Frau sind ihre Kinder ein ganz elementarer Bestandteil ihres Lebens und unmittelbar mit ihr verbunden. Warum das leugnen? Insbesondere in Interviews, wenn es um ein Porträt der Frau geht.

Wenn Unternehmen nicht anfangen, Frauen darin zu unterstützen, dass sie ihren Beruf nicht trotz, sondern mit Kindern leben können, und Männer, wie auch Frauen, nicht aufhören, diesen Gender-Gap verbal noch zu vergrößern und die Frau damit ganz klar zwischen Beruf und Kinder stellen, dann treten wir auf der Stelle.

Für wen genau kommt eine Positionierung überhaupt infrage?

Für alle Frauen, die sich positionieren möchten. Für Frauen, die das Gefühl haben, sie müssten etwas tun, sie werden nicht richtig gesehen und gehört, die sich benachteiligt fühlen oder etwas haben, was sie sichtbar machen möchten. Das kann jede Branche sein. Auch müssen es nicht nur Frauen in führenden Positionen sein.

Wie gehen Sie dabei vor?

Ich führe mit den Frauen zunächst ein intensives Gespräch, in dem wir gemeinsam die aktuelle Situation erörtern. Wir sprechen über Wünsche, Erfahrungen, bisherige Hindernisse und Optionen. In einem weiteren Gespräch arbeite ich ihre Ressourcen heraus und fange an, die ersten, für sie stemmbaren Schritte festzulegen. Danach folgt ein weiteres Gespräch, indem wir dann ganz konkrete mittel- bis langfristige Ziele verfolgen.

Das klingt nach einigem Zeitaufwand, bei dem das Familienleben zwangsläufig auf der Strecke bleibt.

Der Zeitaufwand ist nicht hoch. Das Wichtigste sind die Gespräche und die Festlegung der Schritte. Alles andere lässt sich gut in den Arbeitsalltag einbauen. Außerdem entwickeln die Frauen große Lust, die besprochenen Dinge auch umzusetzen. Wir haben diese ja individuell auf deren Persönlichkeit und die ihnen zur Verfügung stehende Zeit abgestimmt. Es soll den Frauen auch Spaß machen, etwas für sich zu tun. Das ist ganz wichtig.


Das Interview wurde schriftlich geführt.

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