Von komplexen Inhalten und viralen Kampagnen

Herr Vollmar, was macht für Sie eine gute Viral-Kampagne aus?

Wenn ich herzlich lachen muss, mich gut unterhalten fühle und wenn ein Inhalt transportiert wird, den ich für wichtig halte. Ein aktuelles Beispiel ist die Aktion von Dani Alves, einem Fußballer des CF Barcelona. Er nutzte einen rassistischen Angriff, den Wurf einer Banane auf das Spielfeld, um einen Aufruf gegen Rassismus zu starten. Er nahm die Banane auf, biss ab und verbreitete nach dem Spiel gemeinsam mit seinem Teamkollegen Neymar ein Foto auf Twitter mit den Hashtags #weareallmonkeys und #SayNoToRacism. Auch wenn die Aktion wohl geplant war, fand ichs klasse.

In Ihrem Impulsvortrag auf der Re:Publica sprachen Sie davon, dass virale Kommunikation einfache Botschaften setzen muss. Das ist für NGOs mit komplexen Themen nicht immer leicht, oder?

Auch NGOs müssen sich auf die kommunikativen Gepflogenheiten im Netz einstellen.  Das heißt: Wir müssen es schaffen, unsere Botschaften zu vereinfachen. Sie griffiger machen, damit man sie in wenigen Worten verstehen kann. Drei Seiten zusammenschreiben kann jeder, den gleichen Inhalt in drei Sätzen zusammenzufassen, ist richtig anspruchsvoll. Am Dienstag hat es hier jemand auf der #rp14 am Beispiel der E-Mail-Betreffzeile gesagt: Aufmerksamkeit bei E-Mails erlangt heute nur der, der seine Botschaft in der Betreffzeile mit maximal zehn Worten  beschreiben kann. Das geht auch mit NGO-Themen, es ist nur wahnsinnig viel Arbeit.

Im vergangenen Jahr feierte der WWF seinen 50. Geburtstag mit einer Panda-Kampagne. In 25 Städten machten sie mit ihrer Panda-Karawane mit 1.600 kleinen Pandas aus Pappmaché Halt. Wie gut hat diese Kampagne funktioniert?

Sie hat wirklich gut funktioniert und uns fast ein wenig überrascht. Was sind die Gründe? Zum einen hatten wir hier eine klare und einfache Botschaft:  Der Lebensraum von 1.600 Pandas ist bedroht, der WWF setzt sich für das Überleben der Tiere ein. Zum zweiten haben wir ein Bildmotiv kreiert. Die Skulpturen standen beispielsweise in der Nähe des Kölner Doms, vor dem Hamburger Rathaus oder dem Berliner Hauptbahnhof. Unfassbar viele Menschen haben sich mit den Pandas fotografiert und die Fotos in ihre Netzwerke geschickt. So hat die Aktion richtig Fahrt bekommen. Traumhaft für einen Kommunikator, wenn sich Menschen mit dem Panda, unserem Logo, identifizieren und es eigenständig weiterleiten. Auch die klassischen Medien haben das Thema übrigens sehr gerne aufgegriffen.

War die Kampagne auch so geplant?

Unsere 50-Jahr-Kampagne war als On- und Offline-Kampagne angelegt. Wir wollten die Menschen mit unserer Arbeit vertraut machen und darauf hinweisen, dass nurmehr 1600 Pandabären in freier Wildbahn leben. Das ist aufgegangen, denn wir haben enorm viele Menschen persönlich mit unseren Anliegen erreicht.

Sehen Sie in der NGO-Kommunikation insgesamt eine Verschiebung hin zur Onlinekommunikation?

Ich bin der Meinung, dass sich die Kommunikation insgesamt sehr stark auf Online verlagert hat. Heute ist keine Kampagne mehr ohne Online-Element vorstellbar. Als ich vor drei Jahren beim WWF angefangen habe, hatten wir genau eine Person, die sich um das Thema Online-Campaigning/Social Media  bemüht hat. Hier haben wir uns deutlich stärker aufgestellt. Natürlich sind Online-Elemente auch aus Kosten-Nutzen-Erwägungen sehr interessant. Denn mit einer guten Kampagnenidee erreicht man heute online wesentlich mehr Menschen bei geringerem Kosteneinsatz als mit Plakataktionen, Wurfsendungen oder Flyern.

Aber gelingt es Ihnen auch, die Online-Mobilisierung ins reale Leben zu übertragen?

Das gelingt uns tatsächlich nur bedingt. Allerdings sind meiner Ansicht nach die bislang gelernten, althergebrachten Formen wie Demonstrationen, Aufmärsche etc. nicht mehr die Mittel, mit denen wir die Menschen wirklich erreichen.  Gelingt es uns online einen Mem(e)* zu kreieren, und damit auf ein Anliegen des WWF hinzuweisen, dann haben wir mehr Personen erreicht als wenn wir mit 50 Personen demonstrierend durch die Berliner Innenstadt ziehen. Offline müssen wir viel stärker Aktionen entwickeln wie es Aktivisten wie die #TheYesMen oder in Deutschland die #PengCollective machen.

Zum Abschluss: Was sind Ihre drei Tipps an NGO-Kommunikatoren für eine gute Onlinekampagne?

Erstens: Keep it simple –  Formulieren Sie eine einfache Botschaft. Zweitens: Witzig sein schadet nie, kann aber auch schwer nach hinten losgehen. Drittens: Suchen Sie sich die richtigen Partner, beispielsweise Blogger, Medien oder andere NGOs und schmieden Sie Bündnisse. Allein schafft es niemand,  die notwendige Reichweite für eine gute Onlinekampagne zu erzielen.

*[einen Bewusstseinsinhalt, der durch Kommunikation weitergegeben wird; Anmerk. d.Red] 

Zur Person:

Marco Vollmar begann seine berufliche Laufbahn als Politik- und Wirtschaftsredakteur unter anderem für die „Deutsche Welle“, den „MDR“ und den „SWR“. Bis 2011 war er bei der Deutschen Welle Hauptabteilungsleiter und verantwortete das deutschsprachige Online- und Radio-Angebot. Heute ist er als Mitglied der Geschäftsleitung beim WWF Deutschland verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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