Von Journalisten und Pressesprechern

Zuckerbrot und Peitsche

Die Kommunikation eines Journalisten mit Pressesprechern ist nicht immer einfach: Oft mauern sie, wollen Informationen nicht bestätigen, obwohl sie richtig sind – und manchmal nicht von zuvor abgestimmten PR-­Phrasen abweichen.
Doch das alles ist nichts im Vergleich dazu, wenn sich auf eine Presseanfrage nicht ein Sprecher meldet, sondern gleich ein Jurist. Werden derart schwere Geschütze aufgefahren, wird es für investigative Journalisten richtig interessant. Denn wenn ein Medienrechtler die Kommunikation übernimmt, kann man davon ausgehen, dass das Unternehmen den Anwalt nicht ohne Grund beschäftigt: Hier gibt es ­häufig was zu holen.

Es ist selten, dass Unternehmen die Anwaltskeule rausholen. Besonders aber, wenn die Berichterstattung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich ziehen könnte, behelfen sie sich gerne eines Anwalts, der die Berichterstattung am besten schon im Vorhinein durch Drohungen zu verhindern versucht.
Als Tech-Reporter bei der Welt stieß ich durch einen Interview-Partner auf eine Reihe von Online-Dating-Seiten, die allesamt derselben GmbH in Berlin gehörten und offensichtlich mittels Abofalle massenhaft Leute abzockten.
Der Vorwurf: Mit dem Wort „Einmalzahlung“ – zwei Wochen für einen Euro – würden Zehntausende Männer über fast identische Online-Portale mit verschiedenen Namen in Abofallen auf Sex- und Flirtportalen gelockt. Das Testabo verlängert sich danach automatisch zum Premium-Halbjahresvertrag für monatlich 90 Euro – Kündigungen und Widerrufe würden ignoriert. Frauen habe kein einziger Mann auf diesen Portalen jemals kennengelernt.

Laut Handelsregister steht hinter den Portalen eine Kanzlei aus Köln, bei der ich per E-Mail nachfrage. Selten hat eine Presseanfrage von mir derart viel Hektik ausgelöst: Erst kommt keine Antwort, also rufe ich an. Die Mitarbeiterin am Telefon weiß schon, wer ich bin, und lacht: „Nein, Sie bekommen ganz sicher keine Antwort.“ Fünf Minuten später klingelt mein Telefon: „Das war ein Missverständnis, Sie bekommen in einer halben Stunde eine Antwort“, sagt die hörbar aufgeregte Mitarbeiterin jetzt.

Es meldet sich ein Anwalt und Partner aus der Kanzlei des bekannten Kölner Medienrechtlers Ralf Höcker, der zuletzt durch seine Vertretung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Schlagzeilen machte. Die andere Kölner Kanzlei halte die Anteile an der Dating-GmbH aus Berlin nur treuhänderisch. Wer wirklich dahintersteckt, will er nicht sagen. Schon die erste Antwort ist mit einer Drohung verbunden: Eine Berichterstattung über die ­öffentlich im Handelsregister einsehbaren Informationen sei „unzulässig“.
Bei manchen Journalisten mag die Strategie der Abschreckung wirken – bei anderen führt sie zum Gegenteil. Im Laufe der Recherche droht mir der Höcker-Anwalt sogar mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, da ich die Eingangshalle der Berliner Briefkastenfirma unerlaubt betreten hätte. Je mehr die Kanzlei droht, desto größer planen wir die ­Recherche.

Am Ende finden wir heraus, dass Ralf Höcker selbst Aufsichtsratsvorsitzender der Internetone AG ist, die hinter dem Netzwerk von Dating-Seiten steckt. Unser Bericht wird unter anderem vom Handelsblatt, Meedia und Golem.de zitiert. Am nächsten Tag tritt Höcker als Aufsichtsratschef der Internetone AG zurück.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Macht. Das Heft können Sie hier bestellen.

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