Von bröckelnden Silos, Gamification und Pornos

PR-Trends beim SuCoLa 2019

Der Journalist Helge Weinberg besuchte im März 2019 für den pressesprecher das „Super Communication Land“ (SuCoLa) und teilt seine Eindrücke vom Hamburger Netzwerk- und Austausch-Event.

Die Silos bröckeln, die Grenzen in den Köpfen fallen. PR und Personaler liegen in vielen Fällen im gleichen Bett, auch wenn sie dabei manchmal noch etwas fremdeln. Um beim Stichwort „Bett“ zu bleiben: Wenn ein Konzern wie Otto sich im Storytelling von Pornhub inspirieren lässt, dann zeigt das auch, wie offen PR heute für professionellen Input und Inspiration aus vielen Bereichen ist.

Was Veranstalter News aktuell am 21. März in Hamburg aufgeboten hatte, war teils altbekannt in der Kommunikationswelt, teils wegweisend. Krisenkommunikation, Newsroom, Personal Branding, SEO – alles gut und wichtig, aber nicht knackig frisch anno 2019. Anders sieht es aus mit Ideen, die den Weg für neue Ansätze in der Kommunikation bahnen. SuCoLa hatte auch davon etwas im Angebot.

Diese Ideen schleichen sich manchmal einfach in eine Organisation ein, breiten sich dort langsam aus, so harmlos und unscheinbar, dass Entscheider sie gar nicht so recht wahrnehmen. Was Innovatoren freie Hand lässt. Solch ein Trojaner war früher – heute unfassbar – einmal Social Media, lange Zeit von der PR stiefmütterlich behandelt.

Gamification in der Change-Kommunikation. Das soll funktionieren?

Auftritt Gamification: Spielerische Elemente in ein nicht-spielerisches Umfeld einzubauen, dafür konnte ich mich lange nicht begeistern. Arbeiten und Spielen, das geht gar nicht, dachte ich. Falsch gedacht.

Wer hat denn jemals überzeugend begründen können, dass „Change“ bierernst und bestmöglich verkrampft im Unternehmen durchgezogen werden muss? Dass Führungskräfte ihr eigenes Entwicklungsprogramm so trocken wie ein Excel-Sheet serviert bekommen müssen? „Führungskräfteentwicklung“ hört sich nicht wirklich empathisch an, aber muss sie auch so sein?

Nein, meinen zunehmend Unternehmen. Mit Vodafone hatte eines den Weg ins SuCoLa gefunden.

Der Affe in Raumanzug als Mitarbeiter-Motivator

Was macht ein Affe im Raumanzug im Dschungel? Die Geschichte ist etwas länger, Marilena Preuß und Martin Müller können sie allerdings recht packend erzählen. Beide arbeiten in der internen Kommunikation bei Vodafone. Ihre Meinung: Wer als Unternehmen in der schönen neuen Welt der Nullen und Einsen erfolgreich sein möchte, braucht Mitarbeiter, die „nicht nur stark im Digitalisierungs-Buzzwordbingo“ sind, sondern tatsächlich verstehen, worüber geredet wird.

Der Weg dahin war allerdings hausintern zunächst nicht so ganz klar. Hilft es, coden zu lernen, ist “Working Out Loud” die Lösung? Die Antwort: Statt in Aktionismus zu verfallen mit den richtigen Leuten zusammensetzen, in diesem Fall mit den Brand-Strategy-Experten. Hier fiel dann zum ersten Mal „das böse G-Wort“, so Preuß. „G“ wie „Gamification“ – und das war auch die Geburtsstunde des Raumanzugs. Affe und Dschungel kamen später hinzu.

Teams auf einer spielerischen Mission

Das Resultat vieler Gespräche: Die „Mission Digital“, eine Plattform, die alle Aktivitäten zur digitalen Transformation bündelt – und den Spieltrieb der Mitarbeiter anregen soll. Technisch wurde sie als Web-App mit vielen bunten Bildern umgesetzt, die über die Mitarbeiter-App anwählbar ist. Mitarbeiter gehen auf Missionen, die sie selber zusammenstellen. Es gibt digitale Fitnesspläne, Einzel- und Teamaufträge. Dann gilt es, Punkte zu sammeln und „sich im Ranking nach oben zu arbeiten“, erklärt Preuß. Wettbewerb beflügelt. Die Plattform ist skalierbar, was sich als vorteilhaft erweist. Denn recht bald meldete sich HR. Gesucht war ein Tool für die Führungskräfteentwicklung, das Talentprogramm folgte.

Was es mit dem Affen und dem Dschungel auf sich hat? Eigentlich war die spielerische Mission im Weltall gestartet. Jetzt habe man sich der Erde genähert, aber so ganz den Durchblick habe man noch nicht. Deshalb der Dschungel, das Unternehmen hangele sich momentan noch von Liane zu Liane. Und der Affe? Der entstand als Motiv für einen Laptopsticker. Wen die Initiatoren hausintern vom Gamification-Ansatz überzeugen mussten? Eigentlich nur sich selber, lautete die Antwort.

Wie die Pornobranche das Storytelling inspiriert

„Es wird schlüpfrig, romantisch, gefühlvoll. Was ist eigentlich Daten-PR? Wie entstehen aus langweiligen Excel-Tabellen spannende Stories? Und was hat das alles mit der Pornobranche zu tun?“, fragte Otto-Pressesprecher Nick Marten in einem Tweet. Seine Antwort auf dem SuCoLa: sehr viel.

Pornhub und andere Anbieter dieser Branche sind in einem wirklich exzellent: Sie messen alles, was sie messen können. Und zumindest im Fall Pornhub nutzen sie ihren Datenschatz auch für recht wirksame PR, genauer gesagt: Daten-PR. Das ist PR, die auf anonymisierten Kundendaten aufsetzt, mit passenden Grafiken garniert. Kurz, prägnant, visuell ansprechend, leicht bekömmlich. Die Meldungen von Pornhub gingen quer durch die deutsche Boulevard- und Qualitätspresse, von Bild bis zur Süddeutschen Zeitung.

Auftrag an PR: Datenschätze heben

So manches Unternehmen sitzt auf Datenschätzen. Otto nutzt diese bereits seit einigen Jahren für sein datengetriebenes Storytelling. Bei der Fußball-EM 2016 hatte das Unternehmen während der Deutschland-Partien die Seitenzugriffe und die Verkaufszahlen von TV-Geräten und Trikots unter die Lupe genommen. Die wenig erstaunliche Erkenntnis: Bei Toren und Elfmetern brach der Traffic ein, dafür zog der Shop in der Halbzeitpause deutlich an.

An anderer Stelle fragte Otto, wie hoch das Gesamtgewicht aller Kleiderschränke gewesen sei, die das Unternehmen in 2017 verkauft habe. Antwort: so hoch wie 3.772 ausgewachsene afrikanische Elefanten. Selbst große Medien greifen diesen „snackable content“ auf. Vor allem kleinere Unternehmen können mit diesem Konzept zu kleinen Kosten punkten, tun dies allerdings noch allzu selten.

SuCoLa kommt zurück: Für den 19. März 2020 ist die nächste Ausgabe des Events geplant, dann jedoch in Berlin.

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