„Vertrauen kommt von Vertrautheit“

Harald Maass über CEO-Positionierung

Herr Maass, warum sollten Unternehmen ihre CEOs positionieren?

Harald Maass: Zum einen rücken die Medien das Top-Management von Unternehmen immer häufiger in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftsberichterstattung – selbst sehr fachliche Berichte über Unternehmen werden immer stärker anhand der Person des CEOs erzählt. Zum anderen kann mit der Positionierung Reputation aufgebaut werden.

Warum ist Reputation so wichtig? Manche sehen das als unnötige Selbstdarstellung.

Tatsächlich sind viele Vorstände noch immer der Überzeugung, dass sie sich allein über die Qualität ihrer Arbeit definieren können. Sie glauben, dass so lange sie gute Ergebnisse liefern, der Auftritt nach außen und das Gespräch mit den Medien keine Rolle spielen. Das ist ein großes Missverständnis. Denn ab einer gewissen Unternehmensgröße ist der CEO eine öffentliche Person. Wer das nicht wahrhaben will, wird es spätestens erkennen, wenn das Unternehmen eine schlechte Phase erlebt und zum Beispiel mit einer Krise umgehen muss. Wenn der CEO erst in der Krise die öffentliche Bühne betritt und zu den Medien spricht, wird er es schwer haben, die Öffentlichkeit von der Position des Unternehmens zu überzeugen. Denn wie soll sie Vertrauen in eine Person haben, die sie nicht kennt? Vertrauen kommt auch von Vertrautheit.

Unternehmen sollten also früh mit der Positionierung ihrer CEOs beginnen. Wie gehen sie das an?

Jedes Unternehmen sollte sich Gedanken darüber machen, wie es den Vorstandsvorsitzenden und den Vorstand strategisch für die Kommunikation einsetzt. Und dies in einem klaren Positionierungsplan festlegen. Zunächst braucht es dafür eine Gesamtstrategie in der Unternehmenskommunikation – das ist die Grundlage. Dann muss man überlegen: Welche Rolle soll mein CEO erfüllen? Welche Persönlichkeit, welchen Charakter hat er? Für welche Themen begeistert sich mein Chef, welche kann er gut transportieren?

Das heißt, es zählen die persönlichen Vorlieben des Unternehmenschefs.

Ja, aber nicht nur – die Ziele der Unternehmenskommunikation sind mindestens genauso wichtig. Die Positionierung des CEOs sollte immer auf die Kommunikationsstrategie des Unternehmens einzahlen. Es wäre falsch, den CEO so zu verbiegen, dass er in ein vorgegebenes Raster passt, in dem er sich nicht wiederfindet. Umgekehrt kann es aber auch nicht die Strategie sein, nur die Themen und die Plattformen zu besetzen, die der CEO am liebsten mag. Im Idealfall findet man eine Schnittmenge – der CEO fühlt sich mit den Themen, die er transportieren soll, wohl und gleichzeitig holt die Kommunikation den maximalen Effekt für das Unternehmen raus. 

Bei Dieter Zetsche, dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler, scheint das zu klappen.

Ja, das ist ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene CEO-Positionierung. Denn die ist bei Zetsche deutlich erkennbar, auch für ein breites Publikum. Zum einen wird er klar als Vertreter seines Unternehmens wahrgenommen, zum anderen steht er aber auch für sich selbst, das heißt, er hat eine starke Präsenz als Person. Andere CEOs nehmen sich mitunter so weit zurück, dass sie als Person nicht mehr wahrnehmbar sind – dann wirken sie als Unternehmenschef austauschbar. Wenn aber umgekehrt der CEO zu stark in die Öffentlichkeit drängt, kann es passieren, dass die Verbindung zum Unternehmen verloren geht – auch das ist nicht erstrebenswert. Bei Zetsche funktioniert beides.

Zetsche wird in den USA auch „Dr. Z“ genannt. Der Humorforscher Alfred Kirchmayr sagte einmal im Handelsblatt über die Positionierung von CEOs: „Wer keinen Spitznamen hat, ist wahrscheinlich ein farbloser Langweiler.“ Stimmt das?

Das ist eine schöne Verkürzung für die Medien, aber nein, das sehe ich nicht so. Natürlich gibt es auch bei CEOs ganz unterschiedliche Charaktere. Manche sind aufmerksamkeitssuchend, andere öffentlichkeitsscheu. Manche sind detailbegeisterte Mikromanager, andere beschäftigen sich nur mit den großen Linien, können dafür aber sehr gut begeistern. Jede dieser Eigenschaften ist für die Kommunikation nutzbar. Auf einen Spitznamen kommt es nicht an.

Ungewöhnlich ist, über welche Kanäle der Daimler-Chef kommuniziert. Im Juli meldete er das Sponsoring-Aus für die DFB auf dem konzerneigenen Blog, kurz darauf nahm er Stellung zum Kartellverdacht auf Linkedin

Und vor einem Jahr trat er beim Grünen-Parteitag auf!

Finden Sie das richtig?

Ja, absolut. Denn damit zeigt er, dass er sich auch kritischen Diskussionen stellt. Zetsche gewinnt als Vertreter der Automobilwirtschaft mit solchen Auftritten enorm an Glaubwürdigkeit. Das nützt dem Konzern nicht zuletzt auch beim Dieselskandal.

Stichwort Dieselskandal – wie schlägt sich denn Volkswagen-Chef Matthias Müller? Gegen ihn wird ja nun seit Kurzem wegen des Verdachts auf Marktmanipulation ermittelt.

Das ist ein sehr spezieller Fall. Und ich denke, diese Krise wäre für jeden Konzern eine große Herausforderung. Dennoch glaube ich, dass Volkswagen schon früh in der Kommunikation und in der Positionierung seines CEOs Fehler gemacht hat.

Welche?

Zum Beispiel hat Müller in einem Interview mit einem US-Radiosender zu Beginn der Krise falsche Botschaften gesendet. Damals sagte er, VW habe im Dieselskandal „nicht gelogen“. Das war genau die falsche Botschaft für die amerikanische Öffentlichkeit und das hängt bis heute nach.

Was sollte der VW-Chef anders machen?

Zu oft entsteht der Eindruck, dass Volkswagen die Krise mit juristischen und anderen Mitteln zu überwinden versucht, am Kurs selbst aber nichts ändern will. Ein grundsätzlicher Richtungswechsel und Kulturwandel im Unternehmen wäre jedoch notwendig. Müller, der von Porsche an die VW-Spitze kam, hätte sich viel stärker als Erneuerer präsentieren sollen. Er hätte den Veränderungswillen stärker transportieren müssen. Stattdessen wirkt er wie ein Verwalter der Krise.

Eine Möglichkeit, viele Menschen auf direktem Weg zu erreichen und von sich zu überzeugen, bieten die sozialen Medien. Sollte ein CEO twittern?

Ich glaube nicht, dass die Kommunikation über Social Media mehr Glaubwürdigkeit vermittelt als über klassische Medien. Schließlich erreichen die Leitmedien nach wie vor noch immer viele Entscheider und setzen Themen, die dann in die sozialen Medien weitergetragen werden. Gute CEO-Positionierung heißt auch nicht, dass man möglichst viel kommuniziert und auf allen Kanälen präsent ist. Wichtig ist, dass der Kanal zum Kommunikationsziel und zur Zielgruppe passt. Ob Twitter oder Facebook die richtigen Medien sind, hängt immer auch von der Situation des Unternehmens ab. In großen Konzernen sollte es aber ohnehin ein Zusammenspiel verschiedener Kanäle geben. Und das ergibt sich aus der jeweiligen Unternehmensstrategie.

In den Vorständen von Dax- und Mdax-Unternehmen machen Frauen nach jüngsten Zahlen der Allbright-Stiftung gerade einmal 13,4 respektive 3,8 Prozent aus. Die CEO-Positionierung ist also ein männlich dominiertes Thema. Gibt es Unterschiede bei der Positionierung von Frauen?

Nein, denn jede Positionierung ist individuell. So wie es nicht die eine Positionierung für den Vorstand in der Automobilbranche oder eine für Chemie-CEOs gibt, gibt es auch keine pauschale Strategie für Konzernchefinnen. Die Positionierung eines oder einer Vorstandsvorsitzenden hängt immer von den jeweiligen Anforderungen und Zielen des Unternehmens und von der Persönlichkeit des CEOs ab.

 

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