Verloren im Konjunk-Tief

Sprachkolumne

Unternehmenskommunikatoren geben oft Aussagen wieder: von Geschäftsführerinnen, Abteilungsleitern oder externen Fachleuten. Dabei nutzen sie häufig die indirekte Rede – ein Selbstgänger, glauben Sie? Schauen wir doch mal genauer hin.

Die einfache Form bereitet selten Probleme: kurzerhand das Verb der indirekt wiedergegebenen Aussage vom Indikativ in den Konjunktiv gesetzt, das Ganze einleitend mit „XY erklärte“ oder ausleitend mit „so XY“ angerichtet – fertig. Ein Beispiel:

 

Der CEO sagt wörtlich: »Die Umsätze liegen über den Erwartungen.«
Pressemitteilung: CEO Wurzelhuber sagte, die Umsätze lägen über den Erwartungen.

 

So weit, so klar. Wenn man das täglich macht, denkt man nicht mehr lange darüber nach – und vielleicht ist genau das die Falle. Die indirekte Rede hat nämlich Konkurrenz: Die „Konkurrenzformen der indirekten Rede“, wie der Duden sie nennt, sind die Varianten, die wörtliche Aussagen mithilfe von Präpositionen wie „laut“, „zufolge“ oder „gemäß“ bilden. Und auch bei diesen Formen der Wiedergabe lese und höre ich quer durch alle Unternehmen und Medien erstaunlich oft ein Verb im Konjunktiv.

Tatsächlich arbeitet diese Konkurrenz aber mit anderen Mitteln: Sie braucht keinen Konjunktiv. Wenn Sie so wollen, ist der in „laut“, „zufolge“ und „gemäß“ schon eingebaut, sodass bei diesen Konstruktionen das Verb im Indikativ steht.

 

Laut CEO Wurzelhuber liegen (nicht: lägen) die Umsätze über den Erwartungen.
Dem Management zufolge ist (nicht: sei) das Sparprogramm sehr wirksam.

 

Wo der Dativ noch was zählt

Das Themenfeld der wiedergegebenen Aussagen ist übrigens auch ein sehr schönes Beispiel dafür, dass der Dativ eben nicht immer und überall den Genitiv verdrängt. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen der Genitiv ebenso falsch wie verbreitet ist – manchmal habe ich fast den Eindruck, dass der Genitiv in einigen Formulierungen des Dativs Tod sein wird. Genau in diese Kategorie gehören Konstruktionen mit „entsprechend“, „zufolge“, „gemäß“ und (mit Einschränkungen) „laut“.

Diese Konstruktionen erfordern den Dativ, auch wenn sich der Genitiv hier noch so hartnäckig festsetzt und hält. Die Ergebnisse sind „entsprechend den (nicht: der) Prognosen“ ausgefallen. Korrekt ist „gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (nicht: der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Eine kleine Ausnahme gibt es bei „laut“: Dort kann in Einzelfällen auch der Genitiv richtig sein, immer korrekt ist aber der Dativ („laut dem Geschäftsführer“).

Wenn sich Dinge anders verhalten, als es zu erwarten gewesen wäre, lässt sich das mit „entgegen“ gut auf den Punkt bringen. Auch in solchen Fällen lese ich sehr oft den Genitiv, der hier aber ebenso falsch ist wie bei „entsprechend“ oder „gemäß“. Richtig ist ein weiteres Mal der Dativ:

 

Entgegen den (nicht: der) Prognosen ist die Nachfrage im Inland weiter gestiegen.

 

Da die Duden-Redaktion deskriptiv arbeitet, also den realen Sprachgebrauch abbildet, ist es durchaus möglich, dass der Genitiv in solchen Konstruktionen irgendwann als standardsprachlich in der Rechtschreib-Bibel verzeichnet sein wird. So weit sind wir aber noch nicht. Lassen wir also dem Dativ seinen angestammten Lebensraum.

 

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