Verkaufstipps vom Flirt-Coach

Verführung und Vertrauen

Wenn man Frauen verliebt in einen Mann machen kann – klappt das auch mit Kunden und Marken? Ja, sagt Flirt-Coach Horst Wenzel und erklärt die Parallelen, Do´s and Don´ts zwischen der Suche nach dem Traumpartner und dem Abverkauf von Dingen.

Herr Wenzel, Sie sind unter 30. Ist Ihr nicht gerade generationsgerechter Vorname Horst echt?

Horst Wenzel: Ja. Und ich bin meinen Eltern dankbar – sobald ich mich vorstelle, bin ich schon mitten in einem Gespräch. Der erste Kontakt ist da schnell hergestellt.

Sie schulen Singles ebenso wie Sales-Mitarbeiter. Welche Parallelen gibt es zwischen Flirten und Verkaufen?

Bei beiden gibt es dieselben Regeln, warum etwas funktioniert: Auch ein Unternehmen muss erst einmal Kontakt zum Kunden herstellen. Stellen Sie sich vor, zwei Typen stolpern nachts in einer Bar auf eine Frauengruppe zu. Der eine fragt mit hängenden Schultern, ob er sich dazu stellen darf. Der andere grinst „Tuutuut, hier kommt der Party-Express!“ und nimmt Getränkebestellungen auf. Raten Sie, wer am Ende nicht allein nach Hause geht…

Und das funktioniert wirklich im wahren Leben?

Meistens. Der eine will Gesellschaft haben, sendet Bedürftigkeit aus und nimmt nur, während der andere einen Mehrwert mitbringt. Dieses unterschwellige Prinzip gilt auch für Unternehmen. Es gilt, Begeisterung auszulösen und Anziehung herzustellen, indem man Geschichten erzählt und emotionale Verbindungen schafft. Marketing kann es schaffen, Beziehungen zwischen Marken und Menschen herzustellen. Wenn Tausende weltweit nachts vor dem Apple-Store campieren, um ein Telefon zu kaufen, MUSS das Liebe sein.

Muss man nicht schon früher ansetzen und sich erst einmal selbst optimieren?

Klar, Sie können sich neu einkleiden und vor dem ersten Date zum Friseur gehen. Aber viel wichtiger ist die Persönlichkeitsentwicklung. Wer flirten will, muss an seiner Einstellung arbeiten. Wir verkünden den Glaubenssatz: „Hab keine Angst vorm Scheitern!“ Das gilt beim Flirten wie im Sales-Bereich gleichermaßen. Viele Abschlüsse werden nicht geclosed, weil der Verkäufer Angst davor hat, abgewiesen zu werden. Wer aber diese Ansprechangst im Kopf hat, flirtet automatisch schlecht.

Was kann man also tun?

Man muss diese Angst überwinden. Denn: Nicht gekauft hat der Kunde ja schon! Flirt- und Verkaufstipps drehen sich fast immer nur allein um das Verhalten: „Schau ihr in die Augen!“, „lächel´ sie an!“. Auch in Sales-Abteilungen wird allein am Außen rumgedoktert, aber man will ja kein Verhalten imitieren. Es geht nicht um Schauspiel – sondern eine tiefgreifende Veränderung im Inneren, nicht ums Verstellen sondern ums Verändern.

Fliegt Schauspiel auf?

Immer. Ich bin davon überzeugt dass das Innere immer durchscheint und der Andere das auch merkt. Eine Bäckereifachverkäuferin, der man im Training beigebracht hat zu lächeln, wird Sie nie so sehr berühren wie eine, die verinnerlicht hat, dass in ihrer Firma die freundlichsten Verkäuferinnen der Stadt arbeiten: Das eine ist eine Rolle, das andere eine Vision. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz.

Gilt das auch für Ihre Teilnehmer?

Ja, wir machen 50 Prozent Praxis und bringen die Leute so ins Handeln. In einer Verkaufsschulung sollen Sales-Mitarbeiter zum Beispiel in der Fußgängerzone einen Fremden davon überzeugen, mit dem Rauchen aufzuhören. Am Anfang geht er vielleicht hin und sagt „Hören Sie auf damit!“ Das klappt natürlich nicht. Am Ende aber wird er Gemeinsamkeiten herstellen, erzählen, dass er selbst geraucht hat, aber er musste immer husten und das war so teuer und eigentlich will er ja lieber gesund leben. Und dann macht er eine kurze Pause – so kommt der Fremde von sich aus ins Gespräch und auf neue Gedanken.

Hat´s geklappt?

Bei den Teilnehmern schon (Wenzel zündet sich eine Zigarette an). Es geht um Spaß und positive Energie. Unser Firmenmotto ist: „Mehr Liebe im Leben“. Ich finde, es ist eine gute Philosophie, das Glück in der Gesellschaft zu maximieren. Aber man muss bei sich selbst anfangen.

Und woran scheitern Flirtwillige in Ihren Kursen?

Ein heikler Punkt sind Berührungen, die sind ein unterbewusster Part beim Flirt und sagen mehr als tausend Worte: Wenn er mitten im Gespräch über ein scheinbar harmloses Thema plötzlich ihre Hand hält, wird´s ernst. Denn auf jede Berührung folgt automatisch ein Feedback. Servicekräfte bekommen bis zu einem Drittel mehr Trinkgeld, wenn sie ihre Gäste beiläufig und kaum merkbar im Vorbeigehen berühren. Es hilft also, wenn Unternehmen möglichst viele touch points schaffen.

Aber vorher brauche ich einen Plan.

Ja, auch Unternehmen brauchen zuerst eine Vision, eine Antwort auf die Frage nach dem „Why?“. Ich muss vor dem Umwerben wissen, ob meine Strategie gewinn- oder kundennutzen-maximierend ist. Ein Beispiel: Mein bester Freund kam gestern aus Asien zurück, wo er sich einen Anzug schneidern ließ. Beim ersten Termin bot der Schneider noch Getränke und Fahr-Shuttle zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Als es aber einige Änderungen gab, fragte der beim dritten Termin nur noch „Sind wir jetzt fertig?“ Und mein Freund erkannte, dass es nicht darum ging, aus ihm den zufriedensten Anzugkunden von Hongkong zu machen – sondern nur um Umsatz. So bleiben viele Produkte ein One-Night-Stand! Es ist wie in der Liebe: Erst wenn etwas berührt und Nutzen bringt, kann eine langfristige Beziehung entstehen. Auch ein Unternehmen könnte sagen: Es ist besser, wenn mich eine kleine Gruppe Menschen liebt, als dass mich eine große mag. Wenn die Liebhaber dann noch dem Unternehmen Feedback geben und das Produkt viral feiern, hat man gewonnen. Wer gleichgültig ist, geht schnell zur Konkurrenz. Aber wer liebt, dem kann man auch mal was zumuten.

Und wie erreicht man mehr als den One-Night-Stand?

Indem Sie es schaffen, die rosarote Brille abzulegen. Sie stehen in einer Bar und lernen zwei Männer kennen. Der eine spricht mit Ihnen. Je mehr Sie von ihm wissen, desto toller finden Sie ihn. Und wenn er nach der ersten gemeinsamen Nacht von sich erzählt, wird es optimal und Sie wollen ihn wiedersehen. Ab da zählen Ehrlichkeit und Vertrauen, das ist immer eine gute Strategie. Auf Seiten von Unternehmen spielt dann zum Beispiel das Thema CSR eine wichtige Rolle.

Die Vision ist also der Anfang vom Erfolg.

Absolut. Menschen und Unternehmen geht es vor allem um Gewinnmaximierung. Doch wären Marken Menschen, hätten sie eine egozentrische Persönlichkeitsstörung – denn sie reden nur von sich! Man muss sie also füllen mit etwas Menschlichem. Verkäufer flirten mit Kunden und Unternehmen auch mit den eigenen Angestellten. Selbst da geht es doch darum, eine langfristige Beziehung aufzubauen, in der sich der Einzelne wohlfühlt.

Ist der Einzelne als Zielgruppe leicht zu erreichen?

Ja. Menschen wollen besonders sein. Auch beim Flirt geht es nicht um irgendeine Frau sondern um DIE Frau. Coca Cola und Nutella machen das schlau, indem sie individualisierbare Etiketten eingeführt haben. Auch beim Flirten, macht es sich gut, den Namen des anderen ab und zu einzustreuen, Hilkka.

So nennt mich sonst nur meine Mutter, wenn sie sauer ist …

Und schon lachen wir gemeinsam und sind im Gespräch.

Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Beim Flirten ja, im Verkauf nicht. Auf der Suche nach dem Traumpartner haben Frauen allerdings andere Probleme als Männer: Sie sind oft verliebt in einen Typen, den sie nicht haben können, aber wollen ihn trotzdem erobern. Das ist meistens aussichtslos, sie verstricken sich in unzählige unnötige Gedanken und interpretieren in alles etwas hinein, wo nichts ist.

Ich fühle mich ertappt…

Ja (lacht), Frauen denken zu viel und Männer machen sich zu wenige Gedanken. Ein gutes Beispiel von zu viel und zu wenig in Unternehmen war die „Supergeil“-Kampagne von Edeka: Die war überraschend, also emotional. Friedrich Liechtenstein war lustig und er sprach den Zuschauer sogar direkt an und versicherte ihm: „Du bist eine supergeile Frau“ oder „Du bist ein supergeiler Kollege“. Echter Mehrwert eben! Kurz danach versuchte sich Rewe auch an einer vermeintlich lustigen Idee, bei der Menschen mit Chips und Salzstangen im Mund Weihnachtslieder singen. Das sollte lustig sein, aber war angesichts von bröseligen Essensresten, die aus Gesichtern fallen, total unästhetisch.

Was wollen denn Männer im Training?

Die meisten sind in Führungspositionen, um die 40, haben eine Karriere aber keine Zeit und hohen Leidensdruck. Jeder fragt sich „der hat doch alles, was stimmt mit dem nicht?“ Wir schaffen positive Referenzerfahrungen, indem sie ihr Inneres entdecken, das ja immer durchscheint. Ein Mann, der sich von Frauen geliebt fühlt, geht anders durchs Leben. Das Wichtigste ist: Handelt man aus einem Mangel heraus oder aus der Fülle? Frauen merken das sofort. Kunden auch.

Sind Sie durch Ihr Wissen ein besonders vorsichtiger Kunde?

Durch meine Sales-Schulungen entdecke ich immer neue Tricks, die mir natürlich auch privat bewusst werden. Sie funktionieren trotzdem. PR und Marketing schaffen jeden Tag künstliche Situationen mit viel Fake-Potenzial. Menschen projizieren alles Mögliche in ein Produkt hinein allein wegen der Werbung, das bewies der Blindtest von Pepsi und Coca Cola ja eindrücklich. Auch beim Flirt schafft es eine Person, besonders zu sein, indem sie Geschichten erzählt, Gemeinsamkeiten schafft oder Spaß macht. Mich hat zum Beispiel die Marke Gauloises gecatcht, indem sie in meiner Heimatstadt Berührungspunkte geschaffen hat, die zunächst gar nichts mit Zigaretten zu tun hatten: Da wurden Croissants vor der Uni verteilt oder eine WG-Party mit DJ und vollem Kühlschrank gesponsert.

Schmeckt Ihnen die Zigarette auch?

Ich bilde es mir ein (lacht).

Und was war Ihr persönlicher letzter Lustkauf?

Ich stehe gerade davor und streichele ihn: Ein roter Retro-Kühlschrank von Smeg in tollem Produktdesign. Ich liebe seine Kurven.

 

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