Unternehmen in der Krise: Diese rechtlichen „Werkzeuge“ müssen Sie kennen

Berichte über Korruptionsvorwürfe, skandalöse Arbeitsbedingungen oder über einen verheerenden Produkttest schädigen die Reputation eines Unternehmens massiv. Mehr noch: Wellen der Empörung können durch soziale Netzwerke gehen und der Druck auf den Aktienkurs somit steigen. Krisen haben viele Gesichter.
Was tun? Abmahnungen, einstweilige Verfügungen, Klagen – in Kommunikationsabteilungen bestehen häufig Vorbehalte, in Krisensituationen mit der „juristischen Keule“ vorzugehen. Oft wird befürchtet, dass dies das Verhältnis zu den Medien beeinträchtigt oder eskalierend wirkt. Letztlich muss dies im Einzelfall entschieden werden. Ihre juristischen Möglichkeiten sollten Sie jedoch in jedem Fall kennen.

 

Effektiv und schnell: Die Unterlassung

Der Unterlassungsanspruch spielt in der Praxis die wichtigste Rolle. Er ist darauf gerichtet, eine bereits erfolgte oder erstmals drohende Berichterstattung zu verbieten. Mit Unterlassungsansprüchen kann grundsätzlich sowohl gegen Texte als auch gegen Bildaufnahmen vorgegangen werden, die Persönlichkeitsrechte des Unternehmens oder seiner Führungskräfte und Mitarbeiter verletzen. Der Hauptanwendungsfall ist die Verbreitung unwahrer, rufschädigender Tatsachenbehauptungen. Wird beispielsweise behauptet, es komme infolge von Streiks zum Produktionsstillstand und zu Lieferengpässen, was nachweislich nicht der Fall ist, kann dies untersagt werden. Auch ein zwischen den Zeilen erweckter falscher Eindruck oder eine haltlose Verdachtsberichterstattung, zum Beispiel über strafrechtliche Ermittlungsverfahren, sind angreifbar. Darüber hinaus kommt ein Verbot selbst bei wahren Tatsachen – zum Beispiel bei Verletzung der Privat-/Intimsphäre eines Vorstands – und anderen unsachlichen Meinungsäußerungen in Betracht.

Von besonderer Bedeutung ist der Unterlassungsanspruch in der Krise vor allem, weil er durch die einstweilige Verfügung schnell und effektiv durchgesetzt werden kann. Auf diese Weise wird ein gerichtliches Verbot schon innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden nach der Veröffentlichung erwirkt; und zwar in der Regel ohne vorgeschaltete öffentliche Gerichtsverhandlung.

Die einstweilige Verfügung ist formal nur für das beklagte Medienunternehmen verbindlich, gegen das sie erlassen wurde. Unter strategischen Gesichtspunkten kann sie aber für die Krisenkommunikation auch darüber hinaus eine große Rolle spielen, weil sie in der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden kann. Zum Beispiel können andere Medien unter Hinweis auf die ergangene einstweilige Verfügung von der Unwahrheit der ursprünglichen Meldung überzeugt und so von Folgeberichten abgehalten werden.
Oder es besteht die Chance, umgehend eine korrigierende Berichterstattung über die erlassene einstweilige Verfügung in anderen Medien herbeizuführen, soweit dies im konkreten Fall sinnvoll erscheint.
Absolut überholt ist das Credo: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Heute gilt vielmehr: Das Internet vergisst nichts! Das einzige Mittel, um sicherzustellen, dass Falschmeldungen über das Unternehmen nicht dauerhaft weltweit im Internet kursieren, ist eben häufig der Unterlassungsanspruch.

 

Gegendarstellung: Pro und Contra

Grundgedanke der Gegendarstellung ist das Prinzip der „Waffengleichheit“. Eine Gegendarstellung ist die Entgegnung auf eine bereits veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung, zum Beispiel wie folgt:

Gegendarstellung
In der Zeitung XY vom 10.01.2014 heißt es auf Seite 13: „A. B. plant die Schließung des Standorts in Berlin und die Entlassung aller 3.000 Mitarbeiter.“ Hierzu stellen wir fest:
Wir planen nicht, den Standort in Berlin zu schließen und Mitarbeiter zu entlassen. A. B.

Bei bloßen Meinungsäußerungen kommt dagegen keine Gegendarstellung in Betracht. Auf die Mitteilung, die Produktpräsentation eines neuen Smartphones auf der Elektronik-Messe sei „eine einzige Enttäuschung“ gewesen, könnte also nicht etwa entgegnet werden: „… Hierzu stellen wir fest: Die Präsentation war ein voller Erfolg“. Die Abgrenzung zwischen gegendarstellungsfähiger Tatsachenbehauptung und Meinung kann im Einzelfall schwierig sein.

In der Krise kann die Gegendarstellung – je nach Situation – ein probates Mittel sein, um einer Darstellung in den Medien zeitnah zu widersprechen und ihr den eigenen Standpunkt des Unternehmens an gleicher Stelle öffentlich entgegenzusetzen. Hierzu muss die eigenhändig unterzeichnete Gegendarstellung dem Verlag, Sender oder Online-Dienst zunächst mit der Aufforderung zur Veröffentlichung schriftlich zugeleitet werden, und zwar innerhalb von nur circa zehn Tagen ab Kenntnis der Berichterstattung. Wird die verlangte Gegendarstellung, wie häufig, nicht freiwillig veröffentlicht, kann dies per einstweiliger Verfügung gerichtlich erzwungen werden.
Ein strategischer Nachteil der Gegendarstellung aus PR-Sicht besteht darin, dass die für das Unternehmen negative Mitteilung – wie im obigen Beispiel – im Rahmen der Gegendarstellung noch einmal wiederholt werden muss. Dadurch wird die unliebsame Schlagzeile „aufgewärmt“ und erregt erneut öffentliche Aufmerksamkeit, eventuell sogar größere als der ursprüngliche Bericht.

Die Berichtigung ist – im Unterschied zur Gegendarstellung – die Erklärung des Medienunternehmens selbst, sein Beitrag habe unzutreffende Tatsachenbehauptungen enthalten. Also zum Beispiel:

Widerruf
Im M-Magazin haben wir am 10.01.2014 auf Seite 2 behauptet, dass die D-AG 20.000 Kundendaten weitergegeben hätte. Diese Behauptung widerrufen wir hiermit als unwahr. Die D-AG hat keine Kundendaten weitergegeben.
Der Verlag

Zur akuten Krisenbewältigung taugt die Berichtigung in der Praxis aber kaum, da sie nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren, sondern nur mit einer „normalen“  Hauptsacheklage durchsetzbar ist. So erscheint der Widerruf unter Umständen erst Jahre später, wenn längst Gras über die Sache gewachsen ist.

 

Schadensersatz

Bei vorsätzlich oder fahrlässig rechtsverletzender Berichterstattung stehen auch Schadensersatzansprüche im Raum. Für die schnelle Problemlösung im Krisenfall, bei der es in erster Linie darum geht, dass es zu wirtschaftlichen Schäden erst gar nicht kommt, hilft das aber wenig. Abgesehen davon gibt es oft Beweisprobleme und kann Schadensersatz nur mühsam auf dem Klageweg und nicht per einstweiliger Verfügung verlangt werden. Allerdings kann ein deutlicher Warnhinweis auf drohende massive Umsatzeinbußen im Einzelfall dazu führen, dass eine Veröffentlichung überdacht wird, eventuell sogar (teilweise) unterbleibt.

 

Presserat und Strafanzeige

Bei Verstößen gegen den Pressekodex besteht die Möglichkeit einer kostenfreien Presseratsbeschwerde. Sie ist im Rahmen der Krisenkommunikation aber von geringer Relevanz, zumal die Sanktionsmöglichkeiten des Presserates äußerst begrenzt sind. Auch die Einleitung strafrechtlicher Schritte gegen Journalisten ist oft nicht empfehlenswert. Denn Ermittlungsverfahren – etwa wegen Beleidigung oder übler Nachrede – dauern meist lange, führen aber nur selten zu einer Verurteilung.

 

Fazit

Rechtliche Maßnahmen sind kein „Allheilmittel“ und nicht immer ratsam. Richtig eingesetzt, können sie für Unternehmen bei der Bewältigung von Krisen aber – je nach Lage des Einzelfalls – eine wichtige Handlungsoption und sinnvolle  Ergänzung einer erfolgreichen Krisenkommunikation sein. Vor allem wenn eine rufschädigende Berichterstattung evident unwahr ist und von anderen Medien aufgegriffen zu werden droht, kann es erforderlich sein, ein klares Zeichen zu setzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe PR und die "bösen" Stiefgeschwister. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel