Und wieder schrillen die Alarmglocken

EU-Urheberrechtsreform

Am Donnerstag wird das EU-Parlament über eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben seit der Datenschutzgrundverordnung abstimmen: die Reformierung des Urheberrechts. Selbst parteiübergreifend bildete sich Protest.

Kern des Gesetzes sind zum einen ein Leistungsschutzrecht, das eine Geldzahlung an Medienhäusern bereits bei einer Verlinkung auf ihre Inhalte vorsieht. Und zum anderen sogenannte Upload-Filter: automatisierte Mechanismen, die nicht-lizenzierte Inhalte im Netz aufspüren und gegebenenfalls löschen sollen. Kritiker sprechen von einer „Zensurinfrastruktur“. Sie befürchten, dass einfache Zitate bis hin zu Kunstformen wie Satire den Filtern zum Opfer fallen könnten.

Doch wie schlimm würde sich ein solches Gesetz tatsächlich auf die Onlinekommunikation auswirken? Ist das Gesetzesvorhaben ein Grund für PR-Schaffende, in Panik zu verfallen?

Wir haben zwei Fachjuristen um ihre Einschätzung gebeten. Cornelius Renner, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, sieht keinen Grund zur Aufregung. Gleichzeitig räumt er ein, dass die PR-Arbeit durch das neue Gesetz nicht gerade einfacher werden würde. Drastischer sieht es dagegen BdP-Justiziar Jan Mönike: Er befürchtet eine fortschreitende Beschränkung der Kommunikation.

„Es wird pragmatische Lösungen geben“

Cornelius Renner, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz bei der Anwaltskanzlei LOH Rechtsanwälte

Die europäische Reform des Urheberrechts ist für die Unternehmenskommunikation kein Grund zur Panik. Ebenso wenig wie sich in Deutschland signifikante Änderungen (und die erstrebten Vorteile für Verleger) durch das Leistungsschutzrecht ergeben haben, vermute ich dies auf der europäischen Ebene. Mit den großen „Playern“ wie Google werden die Verlage im eigenen Interesse Lösungen suchen müssen, weil sie auf die Suchmaschinen angewiesen sind. Auch erwarte ich, dass die geplante Regelung nicht so gestaltet ist, dass die Verlinkung von Artikeln als solche maßgeblich eingeschränkt wird. Bei den Hinweisen auf die verlinkte Quelle wird allerdings häufiger auf eigene Texte als auf Schnipsel aus den Originaltexten zurückgegriffen werden müssen.

Spannend wird die Frage, wie sich die Regelung auf Plattformen jenseits der Suchmaschinen auswirkt. Hier gibt es durchaus noch „Sprengstoff“, etwa wenn das Teilen von Zeitungsmeldungen dem Leistungsschutzrecht unterliegen sollte und die sozialen Netzwerke, wie es die Piraten-Abgeordnete im EU-Parlament Julia Reda in der Zeit befürchtet, zu Fehlermeldungen beim Teilen von Zeitungsmeldungen kommt. Auch hier scheint es mir aber unwahrscheinlich, dass es nicht zu pragmatischen Lösungen kommen wird.

Die daneben geplanten Upload-Filter dürften in der Unternehmenskommunikation keine so große Rolle spielen, abgesehen von einer faktischen Erschwerung und möglicherweise komplizierteren Handhabung des Uploads bestimmter Inhalte.

„Die Sorge ist berechtigt“

Jan Mönikes, Partner der Anwaltskanzlei Schalast & Partner und Justiziar des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP)

Ein Zwang zur Implementierung von Upload-Filtern ist nichts anderes als der Aufbau einer technischen Infrastruktur, die totale Kontrolle und Zensur über alle Arten von Inhalten ermöglicht, die auf Social-Media-Plattformen verbreitet werden sollen. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Inhalten können daher dazu führen, dass eine Veröffentlichung unterbunden bleibt, so lange, bis am Ende darüber gerichtlich entschieden wird. Da die für diese Filter eingesetzte Technik den Kontext eines Inhaltes nicht erkennen kann, ist leider damit zu rechnen, dass auch erlaubte Inhalte geblockt werden. Damit würde die PR-Arbeit deutlich erschwert. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass etwa Videos schon wegen einiger Takte Musik im Hintergrund von diesen Systemen auch dann geblockt werden, wenn überhaupt keine Rechte verletzt wurden.

Das vorgesehene Leistungsschutzrecht für Presseverleger wird zudem alle einschränken, die mit Linksammlungen und kurzen Auszügen arbeiten. Wenn auch noch das maschinelle Lesen von Inhalten reglementiert wird, ist jegliches Text- und Datamining, jedes maschinelle Auslesen und Analysieren von Inhalten kostenpflichtig. Eine Katastrophe für jedes intelligente PR-Monitoring.

Gibt es also einen Grund zur Panik? Wenn mit „Panik“ die berechtigte Sorge vor einer fortschreitenden Beschränkung kommunikativer Möglichkeiten der PR und der Informations- und Meinungsfreiheit allgemein gemeint ist: Ja.

 

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