Sprecht die Sprache Eurer Leser!

Kolumne

Vor Kurzem war ich zum Bundeskongress Kommunikation der deutschen Diakonie eingeladen, um über die Arbeit von Pressestellen und deren Verhältnis zu Redaktionen zu sprechen. Da ging es unter anderem darum, Verständnis für die jeweils andere Seite der Kommunikatoren-Werkbank zu entwickeln. Was interessiert Journalisten? Wie muss eine Pressemitteilung aussehen, damit Redaktionen sie inhaltlich verwenden können? Welche anderen Maßnahmen der Pressearbeit gibt es noch, wie kann ich sie kombinieren?

Es ging aber auch um einen anderen wichtigen Punkt: Wie muss ich Texte schreiben und Kommunikation gestalten, damit die Empfänger sie verstehen? Empfänger können viele sein – Journalisten, Mitglieder eines Vereins, Betroffene in Selbsthilfegruppen, Bürger und so weiter. Die Fülle ist groß. Das Verständnis für die Sprache der Empfänger hingegen leider oft klein. 

Es gibt nur eine Wahrheit: die des Empfängers

Paul Watzlawick (ja, der mit „Man kann nicht nicht kommunizieren“) hat das in einem zweiten, sehr berühmten Satz auf den Punkt gebracht: „Es gibt nur eine Wahrheit, nämlich die des Empfängers.“ Was so viel heißt wie: Der Satz „Das hast du falsch verstanden“ hat keine Gültigkeit. Der muss dann heißen: „Sorry, das habe ich falsch ausgedrückt.“ 

Wenn eine Pressemitteilung von einer Redaktion nicht eins zu eins abgeschrieben wird, dann hat das natürlich mit dem Pressekodex zu tun, nach dem bloßes Copy-and-paste in das eigene Redaktionssystem nicht dem Berufsbild der Journalisten entspricht. Zu Recht! In vielen Fällen hat es aber auch damit zu tun, dass eine Pressemitteilung inhaltlich dermaßen kompliziert und sprachlich verknotet zusammengezimmert wurde, dass die wichtigsten Kernbotschaften kaum noch zu erkennen sind. Also versuchen feste oder freie Mitarbeiter, aus dem Rohmaterial einen lesbaren Text mit (leider auch nicht immer) journalistischem Anspruch zu machen.

In solchen Fällen sage ich mit Watzlawick: Vergesst Helmut Kohl. Wichtig ist nicht, was hinten raus kommt. Obwohl: doch, das ist es ja auch. Wichtiger ist aber, was Ihr vorne reinkippt. Nur wer die Presse qualifiziert und an Informationen reich füttert, kann am Ende die gewünschte Schlagzeile erwarten.

Auch der Journalist ist ein Leser

Das gilt im Übrigen nicht nur für den Kommunikationsweg von der Pressestelle über die Redaktion in die Zeitung, sondern für jede Form von Kommunikation: für Newsletter, Mailings und Webseiten. An Kunden, Mitarbeiter, Investoren oder Mitglieder. Journalistisch schreiben heißt Empfänger-orientiert schreiben.

Wie oft hören wir die Aussage: „Ich muss das nicht erklären. Wenn ich das weiß, wissen das meine Leser bestimmt auch …“ Nee, wissen sie leider nicht. Oder nicht immer. Wer von seiner Zielgruppe gehört werden möchte, muss ihre Sprache sprechen. Wenn ich als Zeitungsredakteur, geschweige denn als Verbraucher kein Ohr habe für die „innovative, ultraleichte Technologie“ mit „bahnbrechender Nanotechnologie“, die „komplett metallfrei und damit frei von jeder Strahlung“ ist (häh?), dann bleiben dem Absender solcherlei nichtssagender Superlativ-Orgien nur zwei Möglichkeiten: auf die erhoffte ultra-hyper-super-geile Mega-Umsatz-Steigerungs-Reaktion verzichten. Oder so zu sprechen, dass andere ihn verstehen. Zumindest wenn er informieren will. Wenn’s aber gar nicht ums Hinhören geht, sondern nur ums Plakative, dann mag das so okay sein. Ich höre ja nicht hin.

 

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