Social-Media-Einsatz beim Hochwasser 2013

Facebook, Twitter, Youtube, Myvideo, Google+ und Pinterest – Das Bündnis Aktion Deutschland Hilft (ADH) ist in vielen sozialen Netzwerken präsent. Und das aus gutem Grund: Die Entwicklung der sozialen Netzwerke hat zu einem Paradigmenwechsel in der Kommunikation des dritten Sektors geführt. Während die Kommunikation mit (potenziellen) Spendern in der Prä-Social-Media-Ära vor allem einseitig geprägt war, steht heute die dialogische Perspektive und die many­-to-many-Kommunikation im Vordergrund. Spender und Interessenten kommentieren und diskutieren heute öffentlich die Arbeit von Hilfsorganisationen über soziale Netzwerke. Zu Recht erwarten sie, dass Hilfsorganisationen transparent über ihre Arbeit und die verwendeten Gelder  informieren und darüber hinaus auch bereit sind, mit ihren Unterstützern in den Dialog zu treten.

Hochwasser 2013

Frühsommer 2013: Weite Teile Deutschlands versinken im Hochwasser. Zehntausende Helfer sind im Einsatz. Unter ihnen die Mitglieder der Aktion Deutschland Hilft. Doch nicht nur vor Ort bündeln wir, als Zusammenschluss von 22 deutschen Hilfsorganisa­tionen, im „Einsatzfall“ seine Kräfte. Über ein zentrales Aktionsbüro wird gemeinsam um Spenden gebeten und die Presse- und Kommunikationsarbeit gesteuert. Das Internet ist dabei aus dem Kommunikations- und Marketing-Mix nicht mehr wegzudenken. Gerade bei großen, medial begleiteten Ereignissen nutzen sowohl Interessenten, Journalisten und potentielle Spender das Internet als Pull-Medium, um Informationen zur Katastrophe zu finden und online zu spenden. Pressemitteilungen und Spendenaufrufe lassen sich kostengünstig und binnen weniger Minuten online stellen. Zudem sind sämtliche Aktivitäten nahezu in Echtzeit mess- und kontrollierbar.

Die Kommunikation über  die verschiedenen Social-Media-Plattformen ermöglicht es uns, innerhalb kürzester Zeit und zu unschlagbar niedrigen Kosten, eine große Reichweite zu erzielen.   Auf Facebook unterstützen zum Beispiel mittlerweile 40.000 Fans das Bündnis. Außerhalb eines Einsatzfalls informieren wir dort über die Arbeit des Bündnisses. Auch die Bindung von Interessenten steht im Vordergrund.

Multiplikatoren erkennen

Gerade im Fall großer Katastrophen in denen die Spendengewinnung relevanter wird – wie dem Hochwasser 2013 –, zeigt sich allerdings das Potenzial der Social-Media-Kommunikation für Nichtregierungsorganisationen. Über Social-­Media-Monitoring-Tools identifizierte Multipli­ka­toren und Prominente lassen sich beispielsweise gezielt aktivieren. Diese unterstützenden Multiplikatoren verfügen wiederum über ihr eigenes Netzwerk und können wirksam auf unser Anliegen aufmerksam machen. Denn bei großen Katastrophen gewinnen Spendenaufrufe an Relevanz. Hierbei sind nicht nur Spendenaufrufe wichtig, die ADH an die eigenen Unterstützer richtet (Bild 3) sondern auch Spendenaufrufe, die Multiplikatoren an ihr eigenes Netzwerk adressieren. Während des Hochwassers bat beispielsweise SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sein Netzwerk, Aktion Deutschland Hilft zu unterstützen (Bild 1).

„Sponsored Stories“

Um die Aufmerksamkeit für die notwendigen Hilfsmaßnahmen weiter zu erhöhen, wurde während des Hochwassers, zusätzlich zum organischen Wachstum der Fan- und Follower-Basis, verstärkt auf Werbung gesetzt. Neben Facebook-Anzeigen, wie „Sponsored Stories“, wurden auch einzelne Seitenbeiträge beworben. Dadurch konnten wir unser Fan-Wachstum während der Zeit der Hochwasser-Berichterstattung gegenüber dem Vergleichszeitraum um das 24-fache steigern. Neu war bei diesem Einsatzfall zudem die Nutzung von „Sponsored Tweets“, die dankenswerterweise kostenfrei vom Kurznachrichtendienst Twitter Deutschland zur Verfügung gestellt wurden. Täglich wurden Fans und Follower mit aktuellen Nachrichten aus den Flutgebieten informiert (Bild 4). Bei diesem Einsatzfall spielte auch die Nähe zur Katastrophe eine wichtige Rolle. Viele der Fans und Follower waren entweder direkt von der Katastrophe betroffen oder indirekt über Fälle im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis. Daher waren sie in Bezug auf die Nachrichtenlage sehr involviert.

Von der Info zur Aktion

Zu beobachten war insgesamt, dass sich die Kommunikation im Zeitverlauf leicht verschob. In den ersten Tagen nach der Katastrophe wurde vor allem Twitter genutzt, um Informationen über die Hilfe der Bündnispartner zu versenden und auch um aktuelle Nachrichten zu erhalten. Seien es Anfragen und Informationen aus den Hochwassergebieten von Journalisten oder auch Anfragen von Menschen, die ihre persönliche Hilfe in den Einsatzgebieten anboten.

Im Laufe der Zeit wurden dann Posts und Tweets über besondere Spendenaktionen von Unternehmen und Privatpersonen häufiger. Das aktivierte weitere Fans und Follower, eigene Hilfsaktionen zu starten. So spendete der Online-Shop Certeo beispielsweise einen Tagesumsatz für die Hochwasser-Opfer (Bild 2).
Aber auch abseits der offiziellen Social Media Accounts von Hilfsorganisationen war es bemerkenswert zu sehen, wie viele private Initiativen sich in kürzester Zeit zum Beispiel über Facebook formierten und ein erhebliches Wachstum verzeichneten. Sie nutzten das Netz, um Hilfe­suchende und freiwillige Helfer nachbarschaftlich zusammenzubringen.

 

Ende klassischer PR?

Wie bereits erwähnt, kommt bei Katastrophen der Spendengewinnung eine besondere Bedeutung zu. Durch die sozialen Medien gibt es die erfreuliche Tendenz, das Spenden aus der Sphäre des Privaten zu holen und den Akt öffentlich zu kommunizieren. Getreu dem Motto: Tue Gutes und sprich darüber! Online-Spenden machten 2005 nur 1,5 Prozent der Gesamtspenden aus.  Heute erfolgt circa jede fünfte Spende über die ADH-Webseite. Viele Spender präferieren das Internet zudem, um sich im Vorfeld über Projekte und Mittelverwendung zu informieren. Für die Spendenwerbung relevanter sind allerdings noch immer so genannte soziale Spendenplattformen wie betterplace.org oder das Spenden-Aktions-Tool auf der eigenen Webseite.  Mit dem Online-Tool können ADH-Unterstüzer, die sich über das Spenden hinaus engagieren wollen, eigene Sammelaktionen starten. Spender werden so selbst zu Fundraisern und Markenbotschaftern und helfen, Menschen zu erreichen, die sonst nie erreicht worden wären.

Auf diese Entwicklung hat ADH reagiert und den Bereich Online-Fundraising und -Kommunika­tion kontinuierlich­ ausgebaut. Dennoch kann das Bündnis aber weder auf klassische Fundraising-Instrumente, wie das Direct-Mailing, noch auf klassische  Pressearbeit, wie Journalistengespräche, Presse-Workshops oder Redaktionsbesuche verzichten. Online- und Offline-Kommunikation müssen sich auch künftig weiter gegenseitig ergänzen und integriert bearbeitet werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Interkulturelle Kommunikation. Das Heft können Sie hier bestellen.

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