So kommunizieren Firmen richtig zum Klimaschutz

Klima-Kommunikation

Ein genauer Zeitpunkt, wann der Klimaschutz in den Fokus der Öffentlichkeit zurückkehrte, lässt sich nicht bestimmen. Der angekündigte Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen durfte genauso eine Rolle gespielt haben wie der Dürresommer 2018, Greta Thunbergs Auftritt in Davos sowie die Streiks zehntausender Schüler. Das Klima ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Der weltweite Klimastreik am 20. September zeigte das eindrucksvoll.

Die Bundesregierung hat sich für 2020 das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Diese Vorgabe wird sie vermutlich deutlich verfehlen, unter anderem weil Unternehmen ihre Emissionen nicht ausreichend reduziert haben. Das setzt die Wirtschaft unter Druck. Sie muss einen höheren Beitrag leisten und ist darauf nicht vorbereitet. Zum Klima- und Umweltschutz kommunizieren wollen Unternehmen trotzdem. Agenturen erleben eine enorme Nachfrage nach Klimaschutz- und CSR-Kampagnen – die grüne Welle.

Wie können Unternehmen glaubwürdig zum Klimaschutz kommunizieren? „Wenn ein Unternehmen seiner Verantwortung nicht gerecht wird, reißt die Kommunikation das jedenfalls nicht allein raus. Greenwashing wird schnell entlarvt. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist aber keine Option, denn die Gesellschaft fordert den Klimaschutz immer stärker ein. Unternehmen müssen aktiv werden – und ihren Weg von Anfang an konsequent transparent zeigen“, meint Susanne Marell, Geschäftsführerin der Agentur JP Kom.

Erwartungen versus Realität

Schritte transparent erklären? Daran scheinen Unternehmen bislang zu scheitern. Sie sind getrieben von den Erwartungen weiter Teile der Öffentlichkeit, die Maßnahmen sofort sehen wollen. Die Strategie, sich in phrasenhafte Absichtserklärungen zu flüchten, scheint immer weniger aufzugehen. Unternehmensvertreter und Politik betonen in Statements und Interviews gerne, wie wichtig für sie der Klimaschutz sei. Meist folgt der Halbsatz, dass man Unternehmen nicht überfordern dürfe, weil sonst Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet seien. Die Lizenz zum Nichtstun.

Messbare Resultate werden weit in die Zukunft verlagert. „Ambition 2039“ heißt eine Strategie bei Daimler. Sie besagt unter anderem, dass die von Daimler weltweit verkauften Neuwagen bis 2039 CO2-neutral unterwegs sein sollen. Bis 2022 sollen die Mercedes-Werke in Europa klimaneutral produzieren. Bis 2050 will der Volkswagen-Konzern CO2-neutral sein. Kein aktuell beschäftigter Manager wird zur Rechenschaft gezogen werden, wenn solche Ziele verfehlt werden. Glaubwürdigkeit und Sympathien lassen sich so allerdings kaum gewinnen.

Wer sollte überhaupt zum Thema Klima kommunizieren? „Auf jeden Fall kommunizieren sollten Unternehmen, die sich als Teil der Lösung sehen – egal aus welcher Branche. Die glaubhaft darlegen können, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten können“, erklärt Anja Schlicht, geschäftsführende Gesellschafterin bei der Agentur Navos. Welche Unternehmen sollten es lassen? Schlicht: „Nicht kommunizieren sollten Unternehmen, die Klimaschutz bisher nicht im Unternehmen verankert und umgesetzt oder ihn nicht in der eigenen Unternehmensstrategie festgelegt haben. Dann sollten erst die Hausaufgaben gemacht werden, bevor man zuerst intern, später extern kommuniziert.“

Beim Technologiekonzern Bosch scheint man der Meinung zu sein, seine Hausaufgaben gemacht zu haben. „Ab 2020 werden die über 400 Bosch-Standorte weltweit – von der Entwicklung über die Produktion bis zur Verwaltung – keinen CO2-Fußabdruck mehr hinterlassen“, heißt es in einer Pressemitteilung von Mai 2019.

Transparenz als oberstes Gebot

Es sei die „früheste CO2-Neutralstellung eines globalen Industrieunternehmens“, schreibt das Unternehmen selbstbewusst und präsentiert einen dezidierten Plan inklusive CO2-Kompensation und konkreter Maßnahmen an mehreren Standorten, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Rund zwei Milliarden Euro betrage das Investitionsvolumen bis 2030, wobei etwa eine Milliarde Euro durch eine höhere Energieeffizienz wieder reingeholt werden soll.

Für Professor Christof Ehrhart, Head of Corporate Department Communications and Governmental Affairs bei Bosch, ist Transparenz der Schlüssel zur Glaubwürdigkeit. „Wir haben bei unserem ersten kommunikativen Aufschlag zum Thema detailliert vorgestellt, mit welchen vier Hebeln wir unsere CO2-Neutralität weltweit erreichen wollen. Wir haben sogar die Kostenrechnung offengelegt. Diese Transparenz werden wir beibehalten und unterziehen uns auch externen Audits. An unseren Zielen werden wir uns messen lassen.“ Bedeutet: nichts zu versprechen, was sich dann nicht halten lasst. Boschs Präsenz auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) stand im Zeichen der Firmen-Aktivitäten zum Klimaschutz und zur Elektromobilität. CEO Volkmar Denner wählte den großen Auftritt. Er gab mehrere Interviews zu dem Thema. Die Bundeskanzlerin besuchte den Stand.

Ehrhart betont, dass Bosch den Klimaschutz schon länger vorantreibe. Eigene Ziele zur CO2-Reduktion verfolge das Unternehmen seit 2007. Fahrt aufgenommen hat die Kommunikationsoffensive erst jetzt. „Wir achten allerdings darauf, nur dann zu kommunizieren, wenn wir belastbare und relevante Neuigkeiten haben“, erklärt Ehrhart. Er verweist auf das Beispiel CO2-Neutralität ab 2020. „Für den letzten Schritt – die CO2-Neutralität ab 2020 – haben unsere Fachleute die Maßnahmen intensiv geprüft und vorbereitet. Außerdem wollten wir sicher sein, dass wir uns die rund 100 Millionen Euro jährlich dafür auch in schwierigen Zeiten leisten können.“ Das Unternehmen will Impulsgeber für andere sein: „Bosch kann das Klima nicht alleine retten“, so Ehrhart.

Kommunikation bei wirklichen Innovationen

Womit überzeugt ein Unternehmen die Öffentlichkeit? Reicht es aus, sich eine Solaranlage aufs Dach zu bauen oder Plastikstrohhalme aus der Kantine zu verbannen? Dass Werksfahrräder angeschafft wurden? Bei Dienstwagen mehr E-Mobilität zum Einsatz kommen soll? „Eine glaubwürdige und wahrnehmbare Kommunikationsstrategie muss auf wirklichen Innovationen fußen. Dinge, die radikal anders gemacht werden, für die Organisation wirklich bedeutend sind, weil sie Althergebrachtes in positiver Form deutlich verändern“, meint Anja Schlicht. Es gehe „nichts ohne nachweisbare Fakten und Daten“.

Auch Volkswagen will sich ein grünes Image verpassen. Mit dem ID.3 hat der Konzern ein neues Elektroauto vorgestellt. Der Auftritt der Wolfsburger auf der IAA wurde als im Vergleich zur Konkurrenz deutlich bescheidener interpretiert – weniger SUVs. VW-Chef Herbert Diess ist der CEO, der sich der öffentlichen Debatte am offensivsten stellt und zum Beispiel auch schon mal in einer Talkshow mit Luisa Neubauer von Fridays for Future diskutiert.

Marc Langendorf, Leiter Corporate Communications bei Volkswagen, hatte zum Kommunikationskongress einige interessante Slides mitgebracht. Die Kommunikationsstrategie von Volkswagen bestehe aus „Offensive“ und „Defensive“, so Langendorf. „#elektrisch“, „#nachhaltig“ und „#anständig“ lauteten Schlagworte auf der Offensiv-Seite, was E-Mobilität, Corporate Responsibility und einen generellen Kulturwandel beinhaltet. 2020 soll „New Volkswagen“ stehen, was Maßnahmen wie die Nutzung von 100 Prozent Grünstrom im Werk Zwickau einschließt. „Unvermeidliche Emissionen“ sollen durch „Investitionen in Klimaschutzprojekte“ kompensiert werden. Ein neues verschlanktes Logo sowie ein überarbeiteter Markenauftritt sollen das gewünschte Image für die breite Öffentlichkeit greifbar und sichtbar machen.

Kritiker treten auf den Plan

Noch offensichtlicher als Volkswagen versucht die Deutsche Bahn von der grünen Welle zu profitieren. Mit der geplanten Senkung des Mehrwertsteuersatzes im Fernverkehr von 19 auf 7 Prozent macht die Bundesregierung der Bahn zusätzlich ein Geschenk, das sich für PR nutzen lasst. Die Preise sinken.

Für jeden sichtbar wird die Grün-Strategie dadurch, dass der bisher rote Streifen auf 280 Fernverkehrszügen künftig grün sein wird – auf dem ersten und letzten Wagen. Die aktuelle Corporate-Kampagne mit Markenbotschafter Nico Rosberg stellt ebenfalls den Klimaschutz in den Vordergrund. „Feeling Good“ heißt ein Spot, in dem Bienen, ein Greifvogel, eine Eule und im Bach spielende Kinder vorkommen – Naturidylle. CO2-frei wolle der Konzern bis 2050 werden. 95 Prozent der eingesetzten Rohstoffe sollen bis 2020 recycelt werden. Insgesamt 152 Umweltmaßnahmen plane die Bahn umzusetzen.

Wer sich so aus der Deckung wagt, riskiert, dass Journalisten genau hinschauen. Im Artikel „Die Märchenbahn“ hält der „Spiegel“ der Bahn die Verwendung des Pestizids Glyphosat vor. Aber eben auch, dass der Strom-Mix nur zu 57 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehe. Der Wert relativiert sich weiter, wenn man berücksichtigt, dass dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge 2018 der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland bereits 38 Prozent betragen hat.

Auch Amazon will bis 2030 seine Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen beziehen und bis 2040 vollständig CO2-neutral sein. Dazu will das Unternehmen 100.000 elektrische Transporter bis 2030 anschaffen. Nestlé will bis 2050 klimaneutral arbeiten. Die Deutsche Bank bekennt sich zu den Grundsätzen für ein verantwortungsbewusstes Bankgeschäft der Vereinten Nationen. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit pflanzt für die Erstellung seiner Druckerzeugnisse Bäume. Der „DAK-Blätterwald“ umfasse schon „mehrere zehntausend Bäume“, wie Jörg Bodanowitz, Leiter der Unternehmenskommunikation, auf der Website erklärt. Klimaschutz ist das Trendthema der Kommunikation.

Angesichts des enormen Zuspruchs der Klimaproteste ist kaum davon auszugehen, dass das Klima so schnell wieder von der Agenda verschwindet, wie es auf sie zurückgekehrt ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KONTROVERSE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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