So gelingen TV-Interviews in Zeiten von Corona

Fernsehinterviews auf Distanz

„Fernsehen ist teuer – gutes Fernsehen sauteuer.“ Dieser Spruch ist beliebt unter TV-Redakteur:innen, wenn es wieder einmal ums Budget geht. Und es stimmt: Die Produktion eines Fernsehbeitrags oder einer Dokumentation ist aufwendig und kostet Geld. In München beispielsweise liegen die Preise zwischen 1.000 und 1.300 Euro pro Drehtag mit Redakteur:in, Kameramann oder -frau und Tonassistent:in. Wer zusätzliche Wünsche ans Equipment hat, muss noch viele hundert Euro drauflegen.

Interview – ja oder nein?

Im Moment jedoch müssen viele Kamerateams und Reporter:innen in ihren Büros oder zuhause bleiben, denn in der Krise weichen fast alle Sender und Produktionsfirmen auf Interviews per Skype und Co. aus. So lässt sich die Ansteckungsgefahr für alle Beteiligten am besten vermeiden.

Markus Weber ist Chef von Webertainment, einer TV-Produktionsfirma in Köln. Zu seinen Kunden zählen private und öffentlich-rechtliche Sender in ganz Deutschland. „Die große Herausforderung im Moment ist, zu überlegen: Mache ich das Interview mit einem Kamerateam vor Ort oder nicht? Kann ich die Distanzregeln einhalten oder nicht? Ich trage ja hier die Verantwortung für meine Mitarbeiter:innen und die Interviewpartner:innen.“

Lieber draußen als drinnen

Entschließt sich Weber für einen Dreh vor Ort, vermeidet er es, in geschlossenen, engen Räumen zu arbeiten. Am liebsten dreht er im Moment draußen, denn hier findet sein Team genug Platz für Distanz. Doch nicht immer stößt er damit auf Verständnis.

„Manchmal bestehen die Interviewpartner:innen auf einem bestimmten Raum, weil beispielsweise das Firmenlogo im Hintergrund gut zu sehen ist. Da brauche ich dann schon ein wenig Überzeugungsarbeit.“ In der Krise heißt es also für Pressesprecher:innen und Interviewpartner:innen, auch mal flexibel zu reagieren und sich von gewohnten Abläufen zu verabschieden.

Mitarbeit ist gefragt

Auch der Dreh – ob draußen oder drinnen – läuft in diesen Zeiten anders ab als gewohnt. Reporter:innen halten den Gesprächspartner:innen nicht mehr das Handmikrophon vor den Mund – das wäre viel zu nah. Deswegen werden die Interviews „geangelt“, das heißt, das Mikrophon ist an einer langen Stange befestigt und natürlich mit einer Schutzfolie umhüllt. Alternativ arbeitet das Team mit einem drahtlosen Sender. Normalerweise bringt der:die Tonassistent:in diesen an der Kleidung des:der Gesprächspartner:in an. Das verbietet jetzt die Distanzregel.

Die Lösung: Der:die Tonassistent:in legt den Sender ab und der:die Interviewpartner:in holt ihn sich. Nun muss er selbst Hand anlegen, den Anleitungen der Tonassistent:in folgen und den Sender selbst anbringen. Für einen Laien ist das nicht immer ganz einfach und es braucht den einen oder den anderen Anlauf.

Fragen vom digitalen Gegenüber

Damit die Ansteckungsgefahr bei Fernsehinterviews so klein wie möglich ist, lassen sich Sender und Produktionsfirmen einiges einfallen. Manchmal erscheint nur der Kameramann oder die Kamerafrau zum Dreh, damit die Personenanzahl vor Ort möglichst klein bleibt. Die Reporter:in schaltet sich dann via Facetime oder einer anderen App zu und stellt seine oder ihre Fragen per Video. Idealerweise steht dann das Tablet oder das Handy auf einem Stativ direkt neben der Kamera auf Augenhöhe. Denn das ist eigentlich der Platz, an dem die Reporter:in steht. Ungewohnt für den:die Interviewpartner:in, erfüllt aber durchaus seinen Zweck.

Markus Weber sieht hier neben dem Sicherheitsaspekt einen weiteren Vorteil. „Es spart Zeit, weil ich dadurch nicht anreisen muss. Dieses Verfahren kann ich mir durchaus auch nach der Krise vorstellen.“ Der Nachteil ist allerdings, dass ungeübte Interviewpartner:innen durch die künstliche Situation verunsichert sein können und aus dem Konzept geraten.

Skype und Co. – notwendiges Übel

Wenn Kamerateam, Reporter:innen oder Interviewpartner:innen einem zu hohen Risiko der Ansteckung ausgesetzt wären, bleibt oft nur eins: Das Gespräch per Skype oder einer anderen App auf zu zeichnen. Das geht allerdings immer zu Lasten der Bild- und Tonqualität. Die Zuschauer:innen sind im Moment leidensfähig, was dunkle Wackelbilder aus unaufgeräumten Homeoffices angeht. Ungünstige Perspektiven, schlechte Internetverbindungen und Tonaussetzer machen es mühsam, dem Inhalt zu folgen.

Trotzdem führt an dieser Interviewart, im Moment aus Sicherheitsgründen kein Weg vorbei. Fernsehsender wie ProSiebenSat1. haben bereits kleine Studios für ihre Redakteur:innen eingerichtet, wo sie ungestört Skype-Interviews unter besten technischen Bedingungen aufzeichnen können.

Was geht, was bleibt

Die deutschen Fernsehzuschauer:innen nehmen es im Moment gelassen, wenn sie nicht die gewohnten, gut ausgeleuchteten Interviews vor ansprechendem Hintergrund serviert bekommen. Auch Reporter:innen und Interviewpartner:innen müssen sich mit ungewohnten Widrigkeiten plagen. Vieles, was als Notbehelf in Corona-Zeiten eingeführt wurde, wird sich etablieren und verbessern, wie zum Beispiel der Einsatz von Video-Apps.

Doch das Publikum will auch in Zukunft Qualität, da ist sich Markus Weber sicher: „Gutes Bild und guter Ton werden für die Fernsehzuschauer:innen immer wichtig bleiben. Noch entscheidender ist aber der Inhalt, das Konzept und die Umsetzung.“ Eine Wahrheit, die vor der Krise galt und auch noch lange danach fürs Fernsehen gelten wird.

 

10 Tipps für Fernsehinterviews in der Corona-Krise

 

1. Überlegen Sie sich genau, ob Sie ohne Gesundheitsrisiko einem Fernsehteam ein Interview geben können. Wenn Sie unsicher sind, schlagen Sie ein Interview per Video-App vor.

2. Empfangen Sie das Kamerateam am besten draußen, wo am meisten Platz ist.

3. Wenn Sie das Interview im Freien führen, suchen Sie vorab einen Platz, der nicht durch Straßenlärm oder andere laute Geräusche beeinträchtigt ist. Diese Location können Sie dann dem Team vorschlagen. Achten Sie dabei auf den Hintergrund. Er sollte genügend Tiefe haben, also nicht direkt vor einer Hausmauer oder Ähnlichem sein.

4. Achten Sie darauf, dass Sie nicht in die Sonne schauen müssen. Sonst kneifen sie unnötig die Augen zusammen. Allerdings sollten Sie die Sonne auch nicht im Rücken haben.

5. Seien Sie flexibel. Manchmal müssen Sie Handgriffe, wie das Anbringen eines Mikrofons, selbst erledigen.

6. Falls der:die Reporter:in nur per App zugeschaltet ist, lassen Sie sich nicht irritieren. Halten Sie Augenkotakt mit dem Punkt, den Ihnen der Kameramann oder die Kamerafrau nennen wird. Entweder ist es die Linse oder ein Punkt neben der Kamera. Die meisten Menschen lassen nämlich ihre Augen beim Nachdenken wandern. Das wirkt aber auf die Zuschauer:innen so, als wären Sie unsicher.

7. Suchen Sie einen festen Stand und versuchen Sie, Ihre Aussagen mit Gesten zu unterstreichen.

8. Falls Sie per Skype, Zoom oder ähnlichem interviewt werden, achten Sie darauf, direkt in die Kamera Ihres Computers oder Laptop zu sehen. Schalten sie möglichst Ihr eigenes Bild aus. Sie werden sonst verführt, sich selbst auf dem Monitor zu betrachten und verlieren Augenkontakt mit ihrem Gegenüber.

9. Achten Sie bei Videointerviews auf Augenhöhe und vermeiden Sie Unter- oder Obersicht. Kippen Sie nötigenfalls den Bildschirm.

10. Fragen Sie vor einem Videointerview, welche App verwendet wird. Beschäftigen Sie sich vorab mit den einzelnen Funktionen, damit Sie keine unliebsamen Überraschungen beim Interview erleben.