Vom Irrsinn heutigen Führungsverhaltens

Rezension "Mad Business"

Sie scheinen übergeschnappt zu sein, unsere hiesigen Führungskräfte. Zumindest sind sich die rund 30 Zitatgeber dieses Quasi-Romans darin einig. Ihre Aussagen sind Zeugnis des alltäglichen Irrsinns, der in deutschen Unternehmen sorgfältig gepflegt wird. Die Autoren von „Mad Business“, Oliver Weyergraf und Joerg Bartussek, haben selbst beide lange als Manager in Großkonzernen gearbeitet und später als freie Unternehmensberater. Dadurch kamen sie auch in Kontakt mit ihren Interviewpartnern; allesamt CEOs, Vorstände und Abteilungsleiter weltweit agierender Unternehmen. Sie wollen aufgrund der Brisanz ihrer Informationen anonym bleiben.

Erzählt wird die Geschichte jedoch von einem selbstverliebten Ich-Erzähler. Er ist eine Art Musterbeispiel an Skrupellosigkeit, der gängige negative Facetten deutscher Top-Manager zu vereinen scheint. Paul Hecht berichtet auf rund 230 Seiten von einer charakteristischen Arbeitswoche. Untermalt werden seine Anekdoten von 350 dazu passenden realsatirischen Zitaten der befragten Top-Manager.
Paul Hecht ist Bereichsleiter einer Landesgesellschaft eines der größten Unternehmen der Welt und verantwortlich für 400 Mitarbeiter. Es ist die Geschichte vom Aufstieg und Fall dieses „Kronprinzen“ des Vorstands, der Einblick in seine mitunter fragwürdige Sicht- und Denkweise gewährt.

Innovationen scheitern am Beamtentum

Er spricht direkt zum Leser, seine Wortwahl ist salopp, unelegant, aufgebracht. In knappen Sätzen berichtet er von absurden Bevorteilungen der Vorstände, erbitterten Abteilungskriegen, übersteigerten Controlling-Maßnahmen, Prozessen, die das Unternehmensgeschehen verunstalten, Strategielosigkeit, Floskel-Gesprächen, sinnentleerten Meetings sowie Hotelbuchungen nach Hierarchieebene. Er dekliniert den gesamten Unternehmensalltag durch – sicherlich eine Wohltat für jene Leser, die Ähnliches erfahren haben.

Innovationen scheitern am Beamtentum, das laut Paul Hecht unweigerlich bei rund 100 Mitarbeitern einsetzt. Sind Projekte durch die Prozesskette mäandert, ist ihr Nutzen meist schon überholt. Entscheidungen werden grundsätzlich oben getroffen und nie von jenen, die nahe am Kunden sind. Die ressourcenfressende Planungskultur steht dabei im wahnwitzigen Widerspruch zu Hauruck-Entscheidungen des Top-Managements. Oft stehen Einsparungen an, und wer sind die einzigen, die von diesen Maßnahmen ausgeschlossen sind? Budgetverantwortliche und das Controlling. Geht ein Projekt schief, wird das Team, selten jedoch die verantwortliche Führungskraft entlassen. Für erfolgreiche CSR-Arbeit engagieren sich Manager einmal im Jahr in einer Suppenküche und planen danach Umstrukturierungen, die unzähligen Mitarbeitern den Job kosten.

Die eingeflochtenen O-Töne der anonymen 30 Top-Manager überbieten die fiktive Geschichte noch an Irrsinn und lassen den Leser kopfschüttelnd zurück. Gelesen hat man „Mad Business“ in kürzester Zeit, die Erkenntnisse sind nicht neu, die Sprache simpel – dennoch hinterlässt diese Verdichtung der Unternehmensrealität Betroffenheit, stimmt nachdenklich. Um sich das Ausmaß der Absurdität von Prozessen und Change-Management-Projekten bewusst zu machen und das eigene Verhalten zu hinterfragen, ist die Lektüre wertvoller Wegweiser. Eine Lösung für den Schlamassel? Einige Maßnahmen des Lean Managements böten bereits Abhilfe, lautet ein Tipp der Autoren in einem Interview mit „Brand eins“. Ein weiterer? Change Management. Tauscht die Führung aus.

(c) Campus-Verlag
Joerg Bartussek und Oliver Weyergraf. „Mad Business – Was in den Führungsetagen der Konzerne wirklich abgeht“. Campus Verlag. 22,99 Euro  (c) Campus-Verlag

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Change. Das Heft können Sie hier bestellen.

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