„Playmobil ist nicht Spiegel der Gesellschaft“

Sprecher Björn Seeger im Interview

Herr Seeger, Playmobil geht es prächtig und der Umsatz steigt seit Jahren. Dennoch ist Ihre Pressearbeit eher zurückhaltend. Weshalb?

Björn Seeger: Wir machen kein Geheimnis daraus, dass es seit dem Tod von Playmobil-Erfinder Horst Brandstätter 2015 viel Bewegung im Unternehmen gibt. Die Unternehmensleitung arbeitet weiter an ihrer Zukunftsstrategie und stellt wichtige Weichen. Mit Erfolg. Dennoch stecken wir in einem Transformationsprozess, der kein öffentlicher Prozess ist. Das macht sich in der Frequenz der Öffentlichkeitsarbeit bemerkbar. Von manchem wird das als Verschlossenheit ausgelegt – zu Unrecht. Wir treten natürlich weiterhin nach außen auf und sind mit vielen Journalisten im Gespräch, wie zuletzt bei der Nürnberger Spielwarenmesse.

Die Spielzeugindustrie steckt gerade in der Transformation, da es immer mehr elektronisches Spielzeug, Computerspiele, digitale Angebote und die Blockbuster-Produkte wie die Eiskönigin Elsa gibt. Wie kriegen Sie als Sprecher in diesem mächtigen Umfeld einen klassischen Spielfigurenhersteller in die öffentliche Wahrnehmung?

Die gesamte Branche ist im Umbruch, und zwar massiv. Das Kinderzimmer ist keine analoge Insel, das ändert aber nichts am Alleinstellungsmerkmal von Playmobil: Es ist eine Einladung zum kreativen Rollenspiel. Diesen Markenkern können wir auch im digitalen Umfeld verteidigen. Bisher sehr gut. Über das haptische Spielerlebnis hinaus bauen wir Brücken in die digitale Erlebniswelt. Aktuell beispielsweise mit einem „Playmogram 3D“, mit dem man mittels Smartphone-App ein Hologramm projiziert, das ins Spiel integriert wird. Das ist ein Baustein neben vielen anderen. Kinder mögen das Digitale, ein einfacher Entertainment-Gedanke reicht jedoch nicht.

Heißt das, dass sich die Kommunikationsstrategie bei Playmobil im Laufe der Jahre kaum verändert hat?

Im Gegenteil. Sie ist komplexer geworden. Neue Kanäle wie Youtube sind hinzugekommen und werden konsequent bespielt. Die Grundidee von Playmobil, in eine andere Welt einzutauchen, verfängt auch bei Digital Natives, Vloggern und Co. Auch wenn ich natürlich nicht sagen kann, wie Kinder in 20 Jahren spielen werden. Eine Frage übrigens, die Journalisten häufig stellen.

Wollte ich eigentlich auch noch fragen. Was für ein Image hat Ihr Unternehmen bei Journalisten? Gibt es bei denen vielleicht auch eine gewisse Nostalgie, wenn sie über Playmobil berichten?

Playmobil ist ein Stück deutscher Spielzeuggeschichte, mit der viele Journalisten emotional etwas verbinden. Das ist positiv, erhöht aber auch den Reiz, Unternehmensnachrichten kritisch zuzuspitzen. Stichwort „Fallhöhe“.

Was heißt das?

Die Marke ist absolut positiv besetzt, wird aber gelegentlich zu einer Art Projektionsfläche. Dann wird von uns als Spielzeughersteller erwartet, dass wir gesellschaftspolitische Statements abgeben. Das sind Momente, in denen ich auf die Bremse treten muss, nicht immer mit Erfolg.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Das Spektrum an humorvollen, teils skurrilen Anfragen und Vorwürfen reicht weit. Interessengruppen adressieren uns mit Bedenken am Sortiment. Unser Set „Meeresaquarium“ stand mal bei Tierschützern in der Kritik, weil dort ein Delfin enthalten war – und es bekanntlich Bedenken gegen eine solche Haltung von Delfinen gibt. Es erreicht mich die Frage, ob die Gleichberechtigung von Mann und Frau ausreichend abgebildet wird. Im Reformationsjahr habe ich diskutiert, ob die Playmobil-Figur Martin Luther eine Frau erhält und ob das nicht ein gutes Statement wäre. Ich erinnere gern daran, dass Playmobil ein Spielzeug ist, nicht Spiegel der Gesellschaft oder politisches Statement. Ich meine, Kinder haben das Recht auf ein freies Spiel – ohne gesellschaftliche Konflikte im Kopf.

Das klingt anstrengend. Hatten Sie schon mal einen richtigen Shitstorm?

Das hängt von Ihrer Definition ab. Wir machen die gute Erfahrung, dass Dialog weiterhilft. Es gibt Situationen, in denen sich Negativ-Themen verfestigen. Wir sind besonders wachsam, wenn wir in politische Kontexte gestellt werden und mit unseren Playmobil-Figuren offenbar eine Art „Symbolbild“ erstellt wird. Dem gehen wir dann nach. Der Schutz der Marke hat oberste Priorität.

Die Sache mit den historischen oder politischen Szenen, die mit Playmobil nachgestellt werden, hat ja seinerzeit Harald Schmidt groß rausgebracht, heute machen das auch gerne mal TV-Magazine oder Zeitungen. Kann man da nicht einfach darüber hinwegsehen? Ist ja auch kostenlose Werbezeit für Ihr Produkt, oder?

Die Marke verträgt Humor. Ein Late-Night-Show-Auftritt kann schmeichelhaft sein, allerdings darf man die Wirkung nicht unterschätzen. Kinder wissen nicht, was Satire ist. Beispiel: Die Heute-Show hat 2016 einen Satire-Werbespot gezeigt und für die „Trump Force One“ als Playmobil-Set geworben – unter anderem mit der Möglichkeit zum Waterboarding. Ich finde, damit wird eine Grenze überschritten. Die Redaktion hat sich in diesem Fall kein Bild gemacht, wie negativ dies bei Kindern und Eltern ankommt. Satire geht auch mit Verantwortung. Und ganz ehrlich: Manchmal denke ich auch, dass die Playmobil-Illustrierung sich publizistisch etwas totgelaufen hat.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe SPIELEN. Das Heft können Sie hier bestellen.

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