Sechs Fragen, die jedes Unternehmen stellen sollte

Digital Leadership

Sattgrün reiht sich Pflanze an Pflanze, perfekt parallel strebt Pflanzenreihe um Pflanzenreihe dem Horizont entgegen. So sieht akkurater Ackerbau aus, so hat es der Landwirt gern. Als erfahrener Wirtschafter weiß er, wie er seinen Acker bestellen muss, um im Folgejahr die Ernte einzufahren. Er hat einen Plan.

Es ist ein anschauliches, simples Bild, das Michael Groß zur Versinnbildlichung von Management im klassischen Sinne gewählt hat. In einem Modus, den der Autor, Kommunikationsberater und Schwimm-Olympiasieger „Bestandsmodus“ nennt, sei diese Art von Management ja auch sinnvoll. Jedoch: Der Bestandsmodus wird verdrängt. Immer öfter widerfährt Unternehmen nämlich das, was Groß mit einem weiteren Bild veranschaulicht: eine Wildwasserfahrt mit dem Schlauchboot.

Plötzlich lässt sich nicht mehr viel planen. Plötzlich kann jede Stromschnelle das Boot herumreißen, ihm jäh eine andere Richtung geben, es schaukeln und schwanken lassen − und im schlechtesten Falle kentert das Boot. Groß: „Das ist eine ganz andere Dynamik. Sie erfordert permanente Justierungen.“

Willkommen in der VUCA-Welt! Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – es ist beinahe schon eine Binse − verlangen Führungskräften heute weitaus mehr Kompetenzen ab als früher. Eine dieser Kompetenzen benannte Groß auf der Tagung „Interne Kommunikation“ der Deutschen Presseakadamie (depak) Ende April in Berlin folgendermaßen: „Flexibles Agieren nach Prinzipien statt geregeltes Arbeiten nach Plan.“

Digital Leader stellen die richtigen Fragen

„Lust am Machtverlust – Wie Digital Leader führen“, lautete der Titel seiner Keynote. Er ist durchaus provokant. Denn welche Führungskraft gibt schon gern Macht ab, wer verzichtet bewusst auf Kontrolle, wer hebelt Hierarchien von ganz oben aus?

Ein guter Digital Leader treffe nicht immer die richtige Entscheidung, meint Michael Groß. Aber er stelle die richtigen Fragen. Auf diese Art sorge er für Partizipation sowie höheres Engagement seiner Mitarbeiter. Und die Grundlage dafür schafft, genau: die Interne Kommunikation, und zwar über Netzwerke und Plattformen hinweg.

Das Knifflige an der Sache: Um zu einem vorausschauenden, agilen Wildwasser-Kapitän zu werden, bedarf es des entsprechenden Mindsets. Ein Digital Leader findet sich mit Unwägbarkeiten nicht nur ab. Er nimmt sie als Herausforderung an.

Dumm nur, dass die Zukunft – folgt man Michael Groß − völlig ungewiss ist. Vor zehn Jahren beispielsweise wurde das erste I-Phone vorgestellt. Es hatte noch keine Apps. Erst ein Jahr später gab es die ersten. Heute sind etwa 2,3 Millionen Apps allein für Apple-Geräte am Markt.

Von linearem Denken verabschieden

Wie nun Kommunikation in zehn Jahren verlaufen wird? Niemand könne es vorhersagen. Nur so viel prognostizierte Groß: In einer zunehmend technisierten Umwelt werde das gesprochene Wort sehr viel dominanter sein als heute. Helferlein wie „Alexa“ sind nur die Vorläufer.

„Die Zukunft kann man sich nicht vorstellen“, meint Groß. „Man kann sich aber auf sie vorbereiten und sie mitgestalten.“ Wichtig sei es, sich von linearem Denken zu verabschieden. Denn Entwicklungen verlaufen exponentiell.

Der Redner verdeutlichte es am Bild eines Teichs. Erst ist da eine Seerose. Kurz darauf sind es zwei. Und sehr bald ist die gesamte Wasseroberfläche von Seerosen bedeckt. Je besser das eigene Bestandsgeschäft optimiert sei, desto mehr könne ein Unternehmen entwickeln, um jene exponentielle Entwicklung zu gestalten, sagte Groß.

Die gute Nachricht lautet: Digital Leader ist man nicht qua Geburt, man kann es jedoch werden. Als Digital Leader muss der- oder diejenige auch kein „Digitaler Visionär“ sein. „Manchmal heißen diese Personen in Unternehmen auch ‚Chief Evangelists‘“, grinste Groß. Denn sie verkünden die Chancen der Digitalisierung als „frohe Botschaft“. Nein, ein guter Digital Leader betrachtet die Dinge ganzheitlich: „Er verfolgt eine faszinierende Mission mit konkreter Umsetzung in einer digitalen Roadmap.“

Sechs Fragen, die sich jedes Unternehmen stellen sollte

Die Botschaften des Digital Leaders an der Spitze an alle Mitarbeiter zu kommunizieren, obliegt der Internen Kommunikation. Ist die Unternehmensleitung oder ist der Meinungsführer allerdings nicht überzeugt von (s)einer digitalen Roadmap, macht es die Mission schwierig.

Wie es Kommunikatoren gelingen kann, Vorstand oder Geschäftsführung klarzumachen, dass ein Machtverlust – beziehungsweise das Abgeben von Macht oder auch „Loslassen“ oder „Zulassen“ (O-Ton Michael Groß) – dem eigenen Unternehmen in der VUCA-Welt mehr hilft als schadet, skizzierte Groß an sechs Fragen. Er nennt sie „eine Art Readiness-Check“.

Folgende Fragen sollten Unternehmen beziehungsweise Kommunikatoren sich stellen:

  1. Warum soll es uns in zehn Jahren unbedingt noch geben?
  2. Wie greifen wir uns selbst am besten an?
  3. Was passiert, wenn nichts passiert?
  4. Welches Szenario leitet uns?
  5. Was tun wir sofort heute für morgen?
  6. Was sind die Vorteile der Veränderung jetzt?

Mit Mut zur Veränderung andere anstecken

Als Problem mag sich erweisen, dass Menschen laut Groß per se sicherheitsorientiert denken. Sie hegen eine „Verlustaversion“. Was die Interne Kommunikation dagegen tun kann? Groß‘ Appell: „Machen Sie die Angst, was die Zukunft bringt, handelbar. Inspirieren Sie! Sie sitzen an der strategischen Schaltstelle. Verdeutlichen Sie den sofortigen Nutzen von Veränderungen.“

Denn am Ende seien Kommunikatoren vor allem eines: Brückenbauer – und im besten Falle stecken sie mit ihrem Mut nicht nur andere Mitarbeiter an. Sondern auch die Führungskräfte, falls noch nötig. Auf dass diese Lust bekommen auf Digital Leadership und Lust auf Machtverlust zur rechten Zeit.

 

Weitere Artikel