Schwierige Interviewsituationen meistern

Kommunikationstipps

„Welche Position vertritt Ihr Unternehmen in dieser Frage?“ Die meisten Pressesprecher, Vorstände und Geschäftsführer haben die Erfahrung gemacht, dass Äußerungen gegenüber den Medien immer ein zweischneidiges Schwert sind. Der Trend der letzten Jahre lautete daher klar: Wir wollen Sicherheit. Aus meiner Sicht durchaus verständlich, denn nur in den seltensten Fällen wird eine Aussage ungekürzt und im Original wiedergegeben. Natürlich obliegt es der journalistischen Freiheit, Interviews und Statements zu schneiden und passende Stellen auszuwählen. Doch das Ergebnis ist oft alles andere als objektiv und lässt den O-Ton-Geber womöglich in einem schlechten Licht erscheinen. Von einem Wunschtraum sollten Sie sich an dieser Stelle schnell verabschieden: Hundertprozentige Sicherheit werden Sie nicht bekommen. Es lässt sich niemals komplett vermeiden, dass Sie aus dem Zusammenhang gerissen zitiert werden und Ihre Botschaft schlimmstenfalls in einem, von einer nebensächlichen Bemerkung, ausgelösten Shitstorm untergeht. Pressesprecher sind sich dessen bewusst, Vorstände meist weniger.

Mit guter Vorbereitung Unsicherheiten senken

Wer diese Regel verinnerlicht hat, beginnt leider automatisch vorsichtiger zu werden. Allerdings sollten Sie es nicht übertreiben. Wenn Sie nicht nur akribisch an Ihren Antworten feilen, bis die Rhetorik perfekt ist, sondern obendrein auch noch jedes Wort auf die Goldwaage legen und überlegen, was es außerhalb des von Ihnen gewählten Kontextes bedeutet – lassen Sie es einfach. Davon werden Sie bestenfalls paranoid.

Lassen Sie sich von der Interview-Situation nicht blenden. Häufig ist es der Journalist selbst, der Sie womöglich noch darin bestärkt, dass doch eigentlich nichts dabei ist. Frei nach dem Motto: Vergessen Sie die Kamera, wir beide plaudern einfach ein wenig. Hier sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten, denn ein Interview ist kein Gespräch. Auch nicht, wenn es so aussieht. Denn es ist nicht für zwei Menschen gedacht, sondern immer für andere. Journalisten verkaufen ein Produkt: Geschichten. Und genau deswegen sind sie auch bei Ihnen – und nicht, weil Sie so nett sind. Journalisten sind nicht die Marketing- oder Werbeabteilung Ihres Unternehmens. Ihr Ziel ist, einen Beitrag zu produzieren, der sich verkauft und der Zielgruppe liefert, was sie verlangt. Seien es Informationen, Aufregung oder Wissenszuwachs. Deshalb ist Vorbereitung wichtig. Und: Sie sollten sich nicht nur überlegen, was Sie sagen, sondern auch, wann Sie es sagen. Denn auch ein TV- oder Radio-Interview wird nur in den seltensten Fällen ganz ausgestrahlt. Versuchen Sie daher, möglichst präzise Antworten zu geben.

Ruhe bewahren und Fehler eingestehen

Viele Sprecher fühlen sich besonders in Interview-Situationen unter Druck gesetzt. Natürlich ist es unangenehm, wenn man sich auf dem Präsentierteller befindet und sich verspricht. Selbst erfahrenen Pressesprechern steigt hier gelegentlich noch die Röte ins Gesicht. Machen Sie sich darum keine Sorge, das ist absolut menschlich. Ein Tipp: Wenn Sie bereits im Satz merken, dass Sie den Faden verlieren oder alles zu kompliziert wird – bekennen Sie sich dazu. Setzen Sie direkt nochmal neu an oder sagen Sie einfach: „Ich mache den O-Ton nochmal“. Der Journalist wird Ihnen diese Professionalität danken, denn damit ersparen Sie ihm eine Menge Zeit, die er sonst mit dem Zurechtschneiden Ihres Statements verbracht hätte. Außerdem: Niemand möchte einen Roboter vor sich haben.

Viele wünschten sich dann Mittel, die Sie gegen solche Situationen schützen sollten. Und alle Trainer sind diesem Wunsch gefolgt. Was das angerichtet hat, können Sie heute in jeder Nachrichtensendung sehen und in jeder Tageszeitung oder Pressemitteilung lesen: Glattgeschliffene Statements, Wiederholung von unverfänglichen Worthülsen und leichte bis mittlere Verkrampfung. Spaß bei der Arbeit sieht definitiv anders aus. Vollkommen entspannt zu sein und zugleich die Kontrolle zu behalten ist komplex. Zuviel Kontrolle = langweilig. Zuwenig Kontrolle = gefährlich, denn dann finden Sie am nächsten Tag unter Umständen verfängliche Aussagen in der Presse. Das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Spaß zu finden ist die hohe Kunst des Pressesprechers oder Vorstandes.

Gerade wenn Sie als Sprecher Ihres Unternehmens eine negative Botschaft zu verkünden haben, ist sie meist schon im Hinterkopf: Die Angst vor kritischen Fragen. Werden Sie keinesfalls hektisch. Die meisten Interviews sind nicht live. Sie haben also sehr wohl Zeit um nachzudenken. Außer Sie sind in einer extremen Rechtfertigungssituation – dann könnte man Ihre Pause senden. Ebenfalls auf der sicheren Seite sind Sie mit einer Methode, die ich als geteilte Aufmerksamkeit bezeichne. Hören Sie mit 50 Prozent Ihrer Gehirnleistung zu, was der Journalist sagt – während Sie mit den anderen 50 Prozent schon Ihre Antwort auswählen. Dann sind Sie bereits gefasst und wissen, in welche Richtung Ihre Antwort gehen wird. So geben Sie peinlichen Verlegenheitsantworten keine Chance.

Botschaft und Haltung in Einklang bringen

Wiederholt wird mir die Frage gestellt, wie man am besten über komplexe Themen informiert. Eine durchaus knifflige Angelegenheit, wie Sie an der aktuellen Situation im Umgang mit der Flüchtlingskrise beobachten kann. Es ist natürlich die Pflicht der Medien, die Bürger über die Geschehnisse zu informieren – im Idealfall ohne Angst und Schrecken zu verbreiten. Hier ist es entscheidend, wie mit dem Wort „Krise“ umgegangen wird. Verinnerlicht der Sprecher die Krise, wird die ganze Kommunikation danach aussehen und eine dementsprechend negative Botschaft verbreiten. Wie wäre es stattdessen mit Zuversicht? Eine Krise bietet auch immer Chancen und Herausforderungen, die es sich lohnt anzunehmen.

Zwei Dinge, auf die es beim Kommunizieren immer ankommt, sind Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Kennen Sie das Phänomen der Inkongruenz? Mit Sicherheit haben Sie es selbst schon erlebt, zum Beispiel beim Zahnarzt. Dieser versicherte Ihnen, dass die Behandlung absolut schmerzfrei sein würde – doch Sie spürten bereits, dass dies eine Lüge war. In solchen Situationen entsteht bei uns Menschen Panik. Daher ist entscheidend, dass Sie unbedingt aufrichtig kommunizieren, was Sache ist. Auch wenn das für Sie und Ihr Unternehmen vielleicht unangenehm ist. Um Ihre Botschaft authentisch und überzeugend zu vermitteln, ist es zudem unabdingbar, dass Ihre innere und äußere Haltung miteinander in Einklang sind. Bewegungen und Emotionen sind eng miteinander verknüpft; ein Gesichtsausdruck sagt oft mehr als tausend Worte. Wenn Sie beispielsweise mit hängenden Schultern und Regenwetter-Miene die Planung für das kommende Geschäftsjahr präsentieren – was glauben Sie, welche Botschaft dabei ankommt? Hier wird jeder sofort den Eindruck gewinnen, dass Sie von Ihrem Plan überhaupt nicht begeistert sind, selbst wenn Sie ihn in den höchsten Tönen loben.

Kernbotschaft als Leitfaden verwenden

Manche CEOs erhoffen sich von einem Medientraining, dass sie lernen Fragen geschickt zu umgehen. Das geht gar nicht! Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis, dem niemand ausweichen sollte. Gerade in diffizilen Situationen wollen wir wissen, woran wir sind – dann ist uns nicht damit geholfen, wenn einer der Verantwortlichen vor die Kamera tritt und nur um den heißen Brei herumredet. Hier ist es viel besser, wenn die Zuständigen vorher etwas Zeit investieren und genau nachdenken, welche ihre Kernbotschaft ist, welche Haltung sie selbst dazu haben und mit welchen Beispielen sich diese veranschaulichen lässt. Aus dem Kern Ihres Anliegens heraus werden Sie jede Frage überzeugend beantworten können. Natürlich können Fragen unbequem sein. Doch gerade indem Sie sich Ihnen stellen, beweisen Sie echte Größe. Und das kommt bei Ihren Zuhörern besser an, als wenn Sie bereits vorab bestimmte Fragen auf eine schwarze Liste setzen lassen.

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