"Kommunikatoren, wir stehen auf derselben Seite!"

Replik eines Presseanwalts

Ich bin‘s, der Presseanwalt. Ich bin unbeliebt bei Journalisten, die über meine Mandanten berichten möchten. Das ist verständlich. Offenbar bin ich auch unbeliebt bei einigen Kommunikatoren. Das ist nicht verständlich. Denn wir streiten für dieselben Interessen. Und dies können wir am besten gemeinsam.

Der Beitrag pressesprecher-„Krisenkommunikation vor der Kamera“ von Claudia Bender bringt die Vorbehalte von Kommunikatoren vor der Hinzuziehung des Presseanwalts im Krisenfall zum Ausdruck. Er enthält einerseits hilfreiche Tipps für die Kommunikation im Krisenfall, offenbart andererseits aber, dass die reine Kommunikation viel zu stark von dem Sich-Hineinversetzen in den anfragenden Journalisten dominiert ist. Im Vordergrund sollten indes die Interessen des Mandanten stehen. Um diese zu wahren und rechtswidrige Berichte zu verhindern, bedarf es des presseanwaltlichen Handwerks. Ich erlaube mir daher die folgende Gegenrede zum Beitrag.

1. Der Mandant ist kein „Täter”

Frau Bender schreibt: „Selten kommen die Täter gut dabei weg, sonst wären diese Formate ja nicht investigativ.“. Sie stellt beim Telefonanruf des Journalisten die Frage: „Bin ich Täter, Opfer oder Zeuge für die Geschichte?“.

Jeder, der von einem Journalisten Fragen zu sich oder seinem Verhalten gestellt bekommt, ist potentiell Betroffener einer rechtswidrigen Berichterstattung. Ich stelle fest, dass die Bezeichnung dieses Betroffenen als „Täter“ vorverurteilend ist. Ich sehe in der Herangehensweise der Kommunikatoren die Gefahr, dass diese sich den Verdacht des Journalisten schon zu Beginn zu eigen machen und dabei schon die Möglichkeit vernachlässigen, dass der Betroffene gar kein Täter sein könnte. Zu nennen ist daher die wichtigste Kategorie der Rolle, welche der Angefragte einnehmen kann, nämlich diejenige des „Verdächtigten“ eines strafrechtlich relevanten oder moralisch verwerflichen Verhaltens.

Will der Journalist einen Verdachtsbericht veröffentlichen, unterliegt er erhöhten journalistischen Sorgfaltspflichten. Er muss über einen selbst recherchierten Mindestbestand an Beweistatsachen verfügen. Es muss sich um den Verdacht einer schwerwiegenden Tat handeln, an deren Berichterstattung überhaupt ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Der Bericht darf ferner nicht vorverurteilend sein. Selbst ein Journalist darf den Mandanten in diesem Stadium nicht als „Täter“ bezeichnen. Schließlich muss der Journalist den Mandanten vor der Berichterstattung anhören und ihm unter Vorhalt seiner konkreten Vorwürfe und seiner Beweistatsachen sowie unter Einräumung einer angemessenen Antwortfrist die Gelegenheit geben, hierzu Stellung zu nehmen und sich zu verteidigen. Das zur Verteidigung Vorgebrachte muss er in angemessener Weise und nicht sinnentstellend in seinem Bericht berücksichtigen.

Da Redaktionen hier immer wieder teils grobe Fehler begehen, ist es Aufgabe des Presseanwalts, den anfragenden Journalisten hierauf hinzuweisen, damit dieser eben nicht voreilig, nicht rechtswidrig berichtet. Für den Fall, dass sich der Journalist dafür entscheiden sollte, seine Sorgfaltspflichten dennoch zu verletzen, kann ihn der Anwalt mit der notwendigen Glaubwürdigkeit auf die rechtlichen Konsequenzen hinweisen. Im Fall der Presseanfrage eines Journalisten ist der Mandant daher nicht Täter, sondern meist ein Verdächtiger mit Persönlichkeitsrechten, die es zu schützen gilt.

2. No-Go Kamerainterview

Zutreffend weist der Beitrag darauf hin, dass sich niemand vor eine Kamera stellen müsse, um im Fernsehen gegrillt zu werden. Frau Bender geht indes – ziemlich fatalistisch – davon aus, dass es ohnehin eine Berichterstattung geben werde, wenn die Geschichte groß genug und der Skandal sowieso da sei.

Dem widerspreche ich. In vielen Fällen drohen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung trotz einer vermeintlich großen Geschichte und eines vermuteten Skandals durch den bevorstehenden Bericht verletzt zu werden, so dass der Presseanwalt eine Berichterstattung ganz oder in wesentlichen Teilen verhindern kann. Er weist den anfragenden Journalisten, seine Rechtsabteilung gleich miteinbezogen, auf die sich aus seinen Fragen ergebenden Schwachstellen hin und warnt ihn so vor einer rechtswidrigen Berichterstattung. Journalisten nennen dies „Drohschreiben“; in Wahrheit ist es ein Hinweis, der weiteren Streit gerade verhindern soll, aber den Journalisten eben inhaltlich nicht passt.

Wenn ein Kommunikator dies schon als Eskalation bezeichnet, dann hat er kaum Ahnung davon, welche weiteren Eskalationsstufen dem Presseanwalt noch zur Verfügung stehen. Oft führt dieses offensive Vorgehen zu einem Ablassen von der Berichterstattung, zu einer zeitlichen Verschiebung der Berichterstattung – dies gibt dem Mandanten mehr Zeit sich aufzustellen – oder aber zu einer deutlich harmloseren Berichterstattung unter Weglassen der rechtlich kritischen Punkte.

Der Mandant sollte daher im Krisenfall ein Interview stets ablehnen, um die Zusendung schriftlicher Fragen und die Einräumung einer ausreichenden Antwortfrist bitten und sich dann sofort bei seinem Presseanwalt melden, der dann bestenfalls von den für den Mandanten tätigen Kommunikatoren unterstützt wird. Auch wenn das TV-Team vor der Tür steht, muss und sollte der Betroffene kein Interview geben. Wir empfehlen bestimmte Strategien dazu, wie man ein vor Ort bereits filmendes Kamerateam so zum Verlassen der Örtlichkeit auffordern kann, dass es ohne Imageschaden gar gesendet werden könnte.

3. Vorlieben der Fernsehredaktionen irrelevant

Frau Bender meint, es sei schlimm, einen Anwalt antworten zu lassen („…schlimmstenfalls gleich vom Anwalt…“) mit dem Argument, das Fernsehredaktionen dies ganz besonders lieben würden und die Geschichte trotzdem erscheine.

Ich stelle mir die Frage, was diese Rücksichtnahme auf die Vorlieben von Fernredaktionen dem Mandanten bringen soll. Es hat einen guten Grund, dass anwaltliche Antwortschreiben auf eine Presseanfrage bei Journalisten nicht beliebt sind. Aber genau das kann dem Mandanten helfen. Ist es wichtiger, sich persönlich mit dem Journalisten, der dem Mandanten offensichtlich Böses will, gut zu stellen, oder die Rechte des Mandanten bestmöglich zu schützen?

Falsch ist schlicht die Behauptung, dass die Geschichte nach einer Antwort vom Presseanwalt trotzdem erscheine. Die Erfahrung zeigt andere Ergebnisse. Sie bleibt denjenigen Kommunikatoren verborgen, die sich gegen die Einschaltung des Presseanwalts durchsetzen. Die Offenheit der Kommunikatoren gegenüber den Journalisten führt hingegen meist zu dem Ergebnis, dass sie dem Journalisten im Hintergrundgespräch zwar alles sagen und transparent offenlegen, im Bericht selbst aber nur das Negative drinsteht.

4. Nichts spricht gegen die Salami-Taktik

Frau Bender weiß ferner zu berichten: „Zahlreiche Krisen sind erst durch ihre falsche Kommunikation zu einem Fiasko mit Folgen für Führungskräfte und Verantwortliche geworden. Die berühmte Salamitaktik ist ein Beispiel von vielen, das es zu vermeiden gilt, …“.

Auch Anwälte sollten bei der Beantwortung von Presseanfragen nicht lügen. Ein Schweigen zu gewissen Fragen ist indes keine Lüge. Warum sollte man den anfragenden Journalisten also schlau machen? Warum ihm Informationen geben, die er vielleicht noch gar nicht recherchiert hat? Es ist nicht die Aufgabe des Betroffenen, die Geschichte des Journalisten zu bestätigen oder interessant zu machen, gerade dann, wenn schon aus den Fragen erkennbar ist, dass er im Dunkeln stochert. Das Interesse des Mandanten ist es, den Bericht zu verhindern, uninteressant zu machen oder ihn zumindest abzumildern. Dazu kann eine Salami-Taktik im Einzelfall nützlich sein, indem nur dasjenige eingeräumt wird, was der Journalist ohnehin schon beweisbar recherchiert hat.

5. Effektive Verteidigung statt Demut

Ein weiterer Tipp im Beitrag lautet: „Kommunizieren Sie vernünftig, souverän und demütig”. Demut ist indes nicht angebracht, sondern eine klare und selbstbehauptete Kommunikation. Der Journalist soll nach der Antwort genau wissen, was er darf und was nach Ansicht des Anwalts nicht. Hält er sich an die rechtlichen Hinweise des Anwalts, so muss er sich darauf verlassen können, dass der so gestaltete Bericht auch nicht angegriffen wird. Erfolgt dagegen eine Rechtsverletzung, kann der Anwalt diese stoppen und einer Sanktion zuführen, indem er sie abmahnt und die Ansprüche des Betroffenen vor Gericht durchsetzt.

6. Journalisten ohne Ahnung?

Frau Bender beschreibt die Situation des Journalisten wie folgt: „Niemand weiß wirklich Bescheid und Journalisten sind froh über jeden, der ihnen Auskunft geben kann: Auch – oder gerade weil – es der Verursacher ist, denn er ist der einzige, der weiß, was wirklich passiert ist. […] Sie hatten gerade einmal eine Autofahrt lang Zeit, sich mit dem Unternehmen, dem Standort, dem Ereignis vertraut zu machen, kennen die Agenturmeldung – mehr jedoch oft nicht. Sie haben keine Ahnung (müssen sie auch nicht haben), brauchen Infos für die Nachrichten […].“

Bei allem Verständnis für die Situation der Journalisten, ist dies nicht das Problem des Betroffenen. Gerade die hier beschriebenen Journalisten sind hochgradig gefährdet, rechtswidrig zu berichten, eben weil sie keine Ahnung haben. Doch, sie müssen Ahnung von dem haben, was sie berichten. Im Fall von Tatsachen müssen sie wahr berichten, nicht bewusst unvollständig und dürfen keine falschen Eindrücke erwecken. Im Fall eines Verdachts müssen sie eine hinreichende Beweisgrundlage recherchiert haben. Wollen sie – auch auf Basis einer Agenturmeldung – berichten, müssen sie den Betroffenen konkret und mit ausreichender Fristsetzung konfrontieren und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Daher muss gerade hier der Presseanwalt tätig werden und den Journalisten zur Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten anhalten.

7. Angebot zur Zusammenarbeit und zum kontinuierlichen Dialog

Kommunikatoren, die häufig mit Presseanwälten zusammenarbeiten (es werden täglich immer mehr), wissen es: Ein kontinuierlicher Dialog der beiden, grundsätzlich bessere Kenntnisse der Medien-Rechtslage seitens des Kommunikators und mehr Rollenklarheit wären gut, dann würde der Medienanwalt schon bald und ganz selbstverständlich zur Kavallerie des Kommunikators gehören. Ich biete Ihnen, sehr geehrte Frau Bender, und allen Ihren Kolleginnen und Kollegen diesen Dialog an. Ich bin davon überzeugt, dass beide Seiten von Wissen und Handwerk der jeweils anderen lernen sollten, und der Betroffene dann am besten aufgehoben ist, wenn er beide Seiten auf seiner weiß.

 

 

 

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