Die Werkzeuge der Profis

REDEN SCHREIBEN, REDEN HALTEN

Sie können sich vorstellen, dass in einem Verband berufsmäßiger Redner ständig die Frage diskutiert wird, wie man eine Rede noch verbessern kann. Es wird viel theoretisiert, ausprobiert und man guckt sehr viel den großen Rednern im Internet zu, um zu analysieren, warum sich Millionen Menschen so eine Rede ansehen wollen.

Das liegt sicher auch am Thema. Die Grundlagen der Atomphysik finden sicher weniger Zuschauer interessant als die schwarze Rhetorik. Aber zu jedem Thema gibt es den oder die Besten, die vormachen, wie man ein Thema so aufbereitet, dass man die Welt damit erreicht.

Im Laufe der Zeit haben sich ein paar Muster und Techniken entwickelt, die eine gute Rede von einer brillanten Rede unterscheiden. Und diese Tools sind ebenso anwendbar, wenn ich für eine Firmenchefin eine Bilanzpressekonferenz vorbereite oder für einen Politiker ein Jahresmeeting.

Geschichten begeistern Menschen

Das wichtigste Werkzeug ist das Storytelling. Geschichten begeistern die Menschen seit Tausenden von Jahren, und wenn Inhalte als Story erklärt werden, sind sie nicht nur leichter zu behalten, es ist auch für den Redner einfacher. An die Geschichten meiner Kollegen erinnere ich mich immer. Hans-Uwe L. Köhler als Christoph Kolumbus, Peter Brandl, der uns in den Kopf eines Flugzeugkapitäns bei der Notlandung schauen lässt, oder Barbara Messer, die sich im weißen Kittel in Dr. Messer verwandelt.

Warum nicht für die Chefin ein paar Schwierigkeiten in der Produktentwicklung recherchieren? Vielleicht sollte man den Redner mal nach seinen persönlichen Eindrücken fragen, wenn er wegen eines Kundengesprächs um die halbe Welt geflogen ist? Warum erfahren wir nicht, was ihn freut (oder ärgert), wenn er durch die Werkshalle geht? Das macht den Chef menschlich, und ich kann damit gezielt eine bestimmte Botschaft unterstreichen.

Der Chef der Lufthansa hat erzählt, dass jeder Erste-Klasse-Passagier von der Stewardess namentlich verabschiedet wurde. Das hätte alle Passagiere genauso beeindruckt wie ihn. Ein wunderbares Beispiel, um etwas über Service zu erklären. Ich habe einen Redner erlebt, der uns erzählt, wie geschickt ihm ein junges Mädchen einen Zaubermalstift in der Spielzeugabteilung eines Kaufhauses verkauft hat. Eine Lehrstunde für ein perfektes Verkaufsgespräch.

Den monotonen Redefluss auflockern

Ebenso wichtig ist die wörtliche Rede, am besten wenn die Äußerung vom Redner selbst erlebt wurde. Es ist einfach, einen gehörten Satz wiederzugeben, auch wenn man kein Schauspieler ist. Sollte das Publikum die Sätze gut kennen, entsteht sofort eine Verbindung. Wörtliche Rede macht jede Rede besser und ist eine willkommene Unterbrechung eines möglicherweise monotonen Redeflusses.


Checkliste – Was Sie sich sparen können

  1. Aufzählungen – behält eh niemand
  2. Überleitungen – sind unnötig
  3. Zitate (besonders von Steve Jobs, Winston Churchill und Sophia Thomalla)
  4. Die Welt erklären (wird gerne gemacht, aber dafür ist fast nie Zeit)
  5. Definieren – ich bin auch nicht agiler, wenn ich weiß, wie agil definiert ist
  6. Sich dauernd entschuldigen – gerne für Fehler, aber nicht für die Rede oder deren Länge
  7. Lügen – es kommt fast alles raus

In vielen Reden werden magische Momente inszeniert. Geräte werden enthüllt, es werden Dinge demonstriert, es wird ausgekippt, fallen gelassen oder zerschlagen. Je effektvoller, desto besser. Ein Firmenchef ist kein Schauspieler, und das sollte man auch nie verlangen, aber eine Filmmusik einspielen, ein Foto zeigen, einen Mitarbeiter mit einem Gegenstand auf die Bühne holen? Wenn Steve Jobs das neueste Apple-Gerät präsentiert hat, dann hatte er es dabei. Wenn Herr Zetsche irgendwo auftauchte, war ein schnittiger Mercedes oder zumindest ein Bild davon nie weit entfernt.

Bei einer Schweizer Bank wurde nach der Pause Karaoke angekündigt. Die Auserwählten würden einen Zettel unter ihrem Sitz finden. Tatsächlich waren Dutzenden Post-its unter den Sitzen befestigt. Nachdem sich der Tumult gelegt hatte, gab es die Mitteilung, dass es kein Karaoke gäbe, aber alle jetzt hoffentlich wach und aufnahmebereit wären.

Spannung aufbauen und überraschen

Überlegen Sie, ob es eine Möglichkeit gibt, es spannend zu machen. Der Redner lässt die Zuschauer raten, in welchem Maße die Firma digitalisiert ist. Er gibt als Referenz die Zahlen der Konkurrenz, um dann zu enthüllen, dass die eigene Prozentzahl deutlich besser ist. Ich habe in einer Investmentfirma erlebt, dass zunächst nur die Zahlen bis Oktober gezeigt wurden, um erst in einem zweiten Schritt die großartige Rallye am Jahresende zu präsentieren.

Wie wäre es, mal eine Abstimmung oder Abfrage einzubauen? Am effektivsten ist das natürlich, wenn bei dieser Abfrage das Falsche herauskommt. Hans Rosling fragt seine Zuhörer, wo die Säuglingssterblichkeit höher sei: Aserbaidschan oder Türkei? Wenn dann die Finger hochgehen, erklärt er ihnen, dass sie aufzeigen, obwohl sie das gar nicht wissen können. Ein starker Moment. Der Redner stellt auf einer Folie zehn Regeln vor, eine davon ist falsch. Oder es sind sechs Zahlen, eine davon ist erfunden. Im selben Augenblick wäre ein Publikum aktiviert.

Auch die Wiederholung eines Begriffs, einer bestimmten Wendung oder eines Satzes können eine Rede sehr eindrücklich machen. Besonders wenn die Zuschauer den Satz anschließend im Kopf haben. Die Rede hätte dann so etwas wie einen Refrain. Untersuchungen und wissenschaftliche Erkenntnisse können wohl dosiert eine Rede aufwerten.

Der letzte große Booster ist der Humor. Für professionelle Redner ist das die wertvollste Währung. Deswegen wird sie auch gerne geklaut – unsere Ethikkommission hat immer wieder zu tun. Humor ist schwer, den macht man nicht einfach mal schnell. Der ehemalige Präsident des amerikanischen Speaker-Verbands Brian Walther drückt das so aus: „When dogs dream, they dream they are people. When cats dream, they dream they are dogs. When speakers dream, they dream they are funny.”

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