Pretty in Pink – Beate Uhse im Imagewandel

Frau Schink, der eine oder andere wird ­irritiert ein zweites Mal hinschauen, wenn er das neue Beate Uhse-Logo in der Fußgängerzone entdeckt. Pinke Schnörkel und ein Herz – ein ziemlicher Bruch mit der ehemals aggressivroten Blockschrift. Warum hat sich dieser Entwurf durchgesetzt?

Doreen Schink: Das neue Design sendet die Signale, die wir mit der Marke geben müssen: Es ist eindeutig weiblich, sehr verspielt und soft. Auch die Farbe ist viel freundlicher, wir wollten weg von dem kalten und männlichen Rot. Am Ende sind wir bestimmt wesentlich femininer geworden, als man es von Beate Uhse erwartet hätte – aber wir wissen, dass uns das dabei hilft, unsere Themen ohne Zugangsbarrieren zu platzieren. Ganz wichtig beim neuen Logo ist uns der Traditionsvermerk „seit 1946“.

Steht der nicht im Widerspruch zum Markenwandel?

Ganz und gar nicht! Wir sind die Pionierin im Markt; auch, wenn wir das Image ändern, die Tradition möchten wir keinesfalls abstreifen. Im Gegenteil: Wir besinnen uns aktuell sehr stark auf unsere Herkunft. So haben wir beispielsweise im vergangenen Jahr die Beratung wiederbelebt. Beate Uhse selbst hatte als Tochter einer Ärztin 1946 ihr Geschäft mit einer Beratungsschrift für Frauen begonnen. Auch heute sind Frauen noch sehr beratungsaffin. Seit einem Jahr arbeiten wir daher mit Sexualwissenschaftlern zusammen, die in den Shops „Sprechstunden“ anbieten oder online beraten. Der Kreis schließt sich also.

Das neue Logo (c) Beate Uhse

Der Wandel ist aber noch in vollem Gange. Was sollen die Leute künftig mit der Marke Beate Uhse assoziieren?

Verführung, Spaß, Neugier an der Sexualität und etwas Geheimnisvolles. Letztendlich wollen wir als Marke nicht mehr „schmuddelig“ sein, sondern ganz normal und ab jetzt an der Seite der Frauen in ihrer sexuellen Entwicklung bleiben. Schließlich haben diese eine andere Sicht auf Sex.

Wie schwierig ist es denn, die Außenwirkung einer so traditionsreichen Firma zu verändern?

Das ist schon eine Mammutaufgabe. Über die Jahrzehnte hat sich die Marke stark etabliert, fast jeder in Deutschland hat eine Meinung zu Beate Uhse. Unsere Bekanntheit lag zuletzt bei Personen über 18 Jahren bei 98 Prozent. Umso größer ist die Herausforderung, wenn man sich plötzlich so stark bewegen muss.

… muss …?

Wir haben 2012 mit der Repositionierung der Marke begonnen, weil wir gemerkt haben, dass sie schon lange nicht mehr das abbildet, was sie eigentlich sollte. Beate Uhse war immer ein maskulines Label – man hat sich den Themen aus der Perspektive des Mannes genähert. Aber der Mann als Geschäftsmodell hat sich für uns irgendwann selbst abgeschafft. Das, was er früher bei Beate Uhse gekauft hat, nämlich hauptsächlich Filmmaterial, gibt es heute gratis im Internet. Parallel dazu hat eine spannende gesellschaftliche und mediale Entwicklung stattgefunden. Ob „Sex and the City“ oder der Hype um „Fifty Shades of Grey“ – Themen rund um weibliche Sexualität haben sich immer weiter in die Mitte der Gesellschaft verschoben.

Dort war Beate Uhse bislang nicht?

Nein, überhaupt nicht. Die Marke wurde gerade von Frauen mit Skepsis angeschaut, sie konnten sich damit nicht identifizieren. Uns war klar, wir müssen das Image drehen.

Und wie genau kann man sich den Verlauf eines so radikalen Umbruchs vorstellen?

Dass etwas passieren musste, haben wir am Umsatz gemerkt. Gleichzeitig konnten wir ­beobachten, dass Frauen sich immer mehr unseren Themen öffnen. Also haben sich Vorstand und Unternehmenskommunikation zusammen mit dem Strategie- und Entwicklungsunternehmen Haruki an einen Tisch gesetzt und 2012 einen Fahrplan entwickelt. Im ersten Schritt ging es um Marktforschung. Zu unserem Bauchgefühl, dass Frauen die neue Zielgruppe sind, wollten wir Sicherheit bekommen. Zusammen mit Haruki haben wir uns für qualitative Forschung entschieden und Frauen und Paare zu unseren Themen befragt.

Was kam dabei heraus?

Frauen haben sich mit der Marke nicht wohlgefühlt. Sie galt als dunkel und schmuddelig. Wir haben immer die Bedürfnisse der Männer thematisiert. Das finden Frauen nicht unbedingt besonders spannend (lacht). Außerdem war die Marke stark gealtert, wirkte eingestaubt.

Was haben Sie mit den Ergebnissen der Befragung gemacht?

Wir sind damit in interne Workshops gegangen und haben eine Markenvision entwickelt. Im nächsten Schritt ging es um die konkrete Umsetzung. Wie muss das Design aussehen, damit es Frauen anspricht? Dafür haben wir mit der Agentur Studio Oeding zusammengearbeitet. Schließlich wurde auch die Webseite relauncht. Jetzt sind wir in der Etablierungsphase. Aktuell läuft auch unser TV-Spot. Allein, dass wir im Mainstream-Tagesprogramm laufen, zeigt, wie sehr wir uns verändert haben.

Wer ist denn die „neue“ Beate Uhse-Käuferin, die angesprochen werden soll?

Die Frauen unterscheiden sich hauptsächlich in Alter und Erfahrungslevel: Es gibt die noch sehr feedbackorientierten jungen Frauen ab 18 Jahren, die ihre Neugier ausleben möchten. Mit Mitte 20 ist der Erfahrungsschatz meist deutlich größer, hier stehen dann schon andere Themen und auch die etwas höherpreisigen Designprodukte im Vordergrund. Und schließlich die dritte, erfahrenste Gruppe ab circa Mitte 30, die sehr genau weiß, was sie will und nach Inspiration und anderen Spielwiesen für ihr Liebesleben sucht. Auch Fetisch-Themen spielen hier eine größere Rolle.

Und was hat das neue Sortiment für die Frauen zu bieten?

Wir setzen hauptsächlich auf Dessous und Love­toys. Besonders Letztere haben sich stark verändert. Früher waren sie oft dem natürlichen Original nachempfunden. Heute sind das hübsche kleine Designobjekte. Das führt interessanterweise dazu, dass Frauen diese Produkte nun wie Handtaschen oder Schuhe kaufen, oft spontan. Der Mann war eher ein Bedarfskäufer.

Für Frauen ist es also selbstverständlicher geworden, ein Erotikgeschäft zu betreten?

Ja – und das hat noch einen weiteren Grund. Unsere Läden liegen heute in anderen Gegenden – nicht mehr in der Bahnhofshalle oder an der Autobahnausfahrt. Inzwischen sind wir in ganz „normalen“ Shopping-Straßen. Außerdem sind sie hell und freundlich eingerichtet und man sieht von außen, was einen drinnen erwartet. Das führt automatisch dazu, dass wir Teil eines Shopping-Bummels werden.

Raus aus der Schmuddelecke, rein in die Ladenzeile: Beate Uhse etabliert sich als Frauenmarke. (c) Beate Uhse

Macht sich der Imagewandel denn schon bemerkbar?

Die Veränderungen werden gut angenommen. Wir haben viele Neukunden gewonnen, 80 Prozent davon sind weiblich. Wir liegen in der Frau-Mann-Verteilung nun schon bei fast 70 Prozent für die Kundinnen – noch vor wenigen Jahren waren es 80 Prozent Männer. Das ist eine sehr schnelle Verschiebung. Daran sehen wir, dass das, was wir gerade tun, zur Marke passt. Wir sind eine Frauenmarke geworden. Mich freut besonders, dass die Kundinnen heute ganz selbstverständlich mit unseren Einkaufs­tüten aus dem Laden spazieren. Früher gab es öfter die Bitte, sie doch auf die unbedruckte Seite zu drehen, oder die Taschen wurden schnell in den Rucksack gestopft.

Gibt es in den Läden auch neues Personal?

Wir hatten schon immer viele Verkäuferinnen, inzwischen sind wir aber auch als Arbeitgeber noch attraktiver für Frauen. Das heißt allerdings nicht, dass Männer nicht ebenfalls gerne die weibliche Kundschaft beraten… (lacht)

Einige männliche Stammkunden können mit der „neuen Beate Uhse“ aber doch sicherlich wenig anfangen. Gab es Proteste gegen das neue Image?

Nein, Proteste hat es nicht gegeben, aber der männliche Kunde  fremdelt schon ein bisschen. Klar, haben wir überlegt, was mit denen passiert, die seit Jahren bei uns Filme einkaufen. Die Produkte für Männer, die immer noch gut laufen, haben wir daher beibehalten. Zudem arbeiten wir an einer neuen Männermarke.

Liegt der Schwerpunkt künftig im Online- oder Offline-Geschäft?

Schon jetzt liegt der Fokus stark auf Online. Gerade bei intimen Themen ist der anonyme Einkauf für viele ein großer Vorteil. Andere möchten sich aber vor Ort von der Qualität überzeugen und gerade Dessous auch lieber im Laden anprobieren. Unsere Shops sind also weiterhin sehr wichtig und auch ein gutes Aushängeschild für die Marke.

Was glauben Sie, würde die 2001 verstorbene Firmengründerin Beate Uhse selbst von der Neuausrichtung halten?

Das ist eine Frage, die wir uns oft gestellt haben. Im Herzen sind wir immer noch von Beate Uhse geführt. Als wir die Entwürfe des neuen Logos neben das alte gelegt haben, war das schon eine Revolution. Über Jahrzehnte hat es nur minimale Anpassungen in Farbe und Typo gegeben. Da haben wir uns alle tief in die Augen geschaut und überlegt, wie sie das gefunden hätte. Wir haben uns letztlich dafür entschieden, weil wir uns sicher waren, dass sie diesen Weg auch gegangen wäre. Sie war Unternehmerin und wusste genau, dass man das bieten muss, was nachgefragt wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Mittelstandskommunikation. Das Heft können Sie hier bestellen.

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