Timing ist alles

Pressearbeit

Alles hat seine Zeit: eine passende und eine unpassende. Das kennen wir in der zwischenmenschlichen Kommunikation – in der verbalen und nonverbalen gleichermaßen. Wenn zum Beispiel der Nachwuchs rechtzeitig zur Bescherung mit der Fünf in der Deutscharbeit um die Ecke kommt oder der Chef mit der Sekretärin im Arm ausgerechnet beim Theaterbesuch der eigenen Gattin über den Weg läuft. Timing ist eben alles.

Das gilt auch in der Kommunikationsarbeit. Kurz vor Weihnachten erhielt ich zum Beispiel ein Werbemailing der Deutschen Telekom. Datiert von 21. Dezember eröffnete es den Dialog mit der zielsicher verfehlten Aussage: „Smart und entspannt in die dunkle Jahreszeit. Die Tage werden kürzer“.

Bei der Telekom ist immer Winter

Liebe Telekom, ich persönlich freue mich immer sehr auf den 21. Dezember, denn ab dann werden die Tage – Achtung: richtig! – wieder länger. Wintersonnenwende nennt man das. Die „Geburt der Sonne“ heißt es angeblich in mancher nordischen Literatur. Fantasievolle Magier und magische Fantasten nennen das auch die „Wiedergeburt des Lichtes“. Ob pathetisch oder poetisch: Es wird in jedem Falle wieder hell.

Ergo brauche ich ausgerechnet jetzt kein „Magenta Smarthome“, das mir automatisch den Heimweg erleuchtet, die Heizung hochdreht, das Badewasser einlässt, den Kamin anzündet oder den Wein dekantiert.

„Draußen weht ein kalter Wind die letzten Blätter von den Bäumen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Am 21. Dezember? Da ist wohl etwas schief gelaufen. Zwei Monate vorher hätte das Mailing durchaus Sinn gehabt. Aber so … schlecht gelaufen. Timing ist eben alles.

Das richtige Timing für die richtigen Themen

Auch in der klassischen Pressearbeit kann Timing aus einer Pressemitteilung eine Nachricht machen – oder eben einen Fall für den Papierkorb. Eine Pressemitteilung, die zum Beispiel ein aktuelles Thema aufgreift oder aktuelle Schlagworte verwendet, gewinnt zunächst einmal schneller die Aufmerksamkeit von Redaktionen und Journalisten als nichtssagende „Wie schon im letzten Jahr“-Einstiege oder der ultimativen Selbstlobhudelei verfallene „ganz neu und ganz super“-Phrasen. Doch Obacht: Wer auf jeden Themenzug aufspringt im Glauben, dass man damit immer die Aufmerksamkeit der Tagesschau auf sich zieht, wirkt schnell unglaubwürdig.

Ich erinnere mich an eine Pressemitteilung über einen neuen biologischen Wirkstoff gegen einen multiresistenten Keim – einen sogenannten MRSA. Hier gab es zwei Aufmerksamkeits-Schübe: zum einen bei den Medien, die über klinische Studien, über die Organisation und das Management in Krankenhäusern berichten – denn dort gilt den multiresistenten Keimen (gern auch als „Krankenhauskeim“ bezeichnet) naturgemäß eine besondere Aufmerksamkeit. Wo ständig Gefahr droht, weckt die potenzielle Rettung per se das besondere Interesse.

Aber auch einige Tagesmedien haben die Pressemitteilung aufgegriffen und über die Neuigkeit aus dem Biotechnologie-Labor berichtet. Denn hier waren Augen und Ohren mancher Redakteure gerade auf das Thema ausgerichtet: Wenige Tage zuvor hatten bundesweit Medien über multiresistente Keime in niedersächsischen Gewässern und eine entsprechende Recherche des NDR berichtet. Und wo das öffentliche Interesse bereits auf ein Thema ausgerichtet ist, nimmt man in manchen Redaktionen gerne die nächste Meldung dazu auch noch mit. Das ist journalistisch nicht immer gerechtfertigt, aber ein schönes Beispiel für das richtige Timing.

Wer schreiben will, muss lesen

Wer Pressemitteilungen zu solchen Themen treffsicher und passend zu dem, was gerade „en vogue“ ist, herausgeben und das Interesse von Lesern und Medien finden will, muss also wissen, was gerade aktuell ist – und worüber Medien zurzeit berichten. Ergo müssen Kommunikationsmenschen regelmäßig lesen, bevor sie schreiben. In meinen Seminaren stelle ich immer wieder fest, dass die regelmäßige Lektüre von Zeitungen und Fachblättern (ob nun offline oder online) in vielen Pressestellen keine Rolle spielt. Dafür fehle meist die Zeit, beklagen die Seminarteilnehmer.

Wer sich aber für das Lesen keine Zeit nimmt, braucht sie in das Schreiben nur selten investieren. Wer erfolgreiche Pressearbeit machen und Veröffentlichungen in bestimmten Medien erreichen will, muss wissen, wann diese Medien über was berichten – und was gerade aktuell ist. Richtiges Timing klappt nur, wenn ich mir Zeit dafür nehme.

Noch ein Punkt fürs richtige Timing: Eine Pressemitteilung an Redaktionen versenden und dann die Pressestelle ins Wochenende oder in den Feierabend schicken, ist ganz schlechtes Timing. Es ist für viele Redaktionen immer wieder ein Ärgernis, wenn es Nachfragen zu aktuellen Pressemitteilungen gibt, in den Pressestellen aber keine kompetenten Ansprechpartner mehr zu erreichen und keine Informationen zu erhalten sind. Wer so agiert, ebnet seinen Pressemitteilungen mitunter den direkten Weg in den Papierkorb.

Auch beliebt: Pressemitteilungen nach Redaktionsschluss (ja, den gibt es auch im digitalen Zeitalter noch) oder am Freitagnachmittag veröffentlichen. Solche Meldungen gehen gerne mal unter. Oder sie fallen dadurch umso mehr auf. So wie das Mailing der Telekom. Ich freue mich schon auf den 21. März – mal sehen, was dann kommt.

++ Lesen Sie auch: Fünf Dinge, die Redakteure wirklich nerven ++

 

Weitere Artikel