Helle und dunkle Seiten

PR und Journalismus

Die Aussage „Ich bin auf die dunkle Seite der Macht gewechselt“ gehört zu den unsinnigsten, die Kommunikationsverantwortliche tätigen können. Sie sagen diesen Satz meist dann, wenn sie aus dem Journalismus in die PR gewechselt sind und jetzt für ein Unternehmen, einen Verband oder eine andere Organisation arbeiten.

Seitenwechsler wollen damit unterstreichen, dass sie als Journalist eine für die Demokratie wichtige Aufgabe hatten. Medien werden zur „hellen Seite“, die das Handeln der Mächtigen kritisch hinterfragt. Wichtigtuerisch soll der Satz aber auch in die andere Richtung wirken. Die Aufgabe als Kommunikator soll als die eines „Spin Doctors“ erscheinen. Das impliziert, dass man als Strippenzieher in der Lage ist, die Positionen des Arbeitgebers der Öffentlichkeit unterzujubeln. Als Einflüsterer agieren Kommunikatoren noch am ehesten in der Politik. Vorstände von Unternehmen lassen sich sicher in ihren unternehmerischen Entscheidungen nicht von ihren Kommunikationschefs steuern.

Die Gründe für einen Wechsel von Journalisten in die PR sind meist recht profaner Natur. In Unternehmen oder Agenturen verdienen ehemalige Redakteure mehr. Ein Job als Pressesprecher bietet in einer Zeit, in der Medien Stellen abbauen, eine höhere Sicherheit. Die Arbeitsplatzqualität in Unternehmen ist größer als die in einer Redaktion. Homeoffice haben einige Medien erst während der Coronakrise entdeckt. Vor allem diejenigen Journalisten, die für Online-Medien tätig sind und keinen Autorenjob haben, arbeiten unter einem enormen Zeitdruck. Wochenend- und Spätdienste sind Standard. Ein weiterer Wechselgrund: Journalisten wollen einfach mal etwas Anderes machen, als immer nur zu berichten. PR ist vielfältiger.

Kommunikationskodex und Pressekodex

Jeder PR-Verantwortliche sollte sich einmal im Leben den Kommunikationskodex des Deutschen Rats für Public Relations zu Gemüte führen. Nimmt man diese Selbstverpflichtung ernst, stellt man fest, dass Wahrhaftigkeit und Transparenz Grundlage der eigenen Tätigkeit sein sollten. „PR-  und Kommunikationsfachleute sind der Wahrhaftigkeit verpflichtet, verbreiten wissentlich keine falschen oder irreführenden Informationen oder ungeprüfte Gerüchte“, heißt es in dem Kodex wörtlich.

Der Pressekodex definiert die ethischen Standards für den Journalismus. Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde stehen hier an erster Stelle. Kommunikatorinnen und Kommunikatoren sind also genauso wenig pauschal die Bösen, wie Journalistinnen und Journalisten die Guten sind. Die Moral im Journalismus gilt trotzdem als ausgeprägter als in der PR, was sicherlich damit zu tun hat, dass PR häufig mit Lobbying gleichgesetzt wird.

In den vergangenen Jahren scheinen sich Journalisten von ihren Grundsätzen entfernt zu haben. Vor allem um die Unabhängigkeit von Medien muss man sich Sorgen machen. Das Magazin „Stern“ hat jüngst eine Ausgabe zur Klimakrise gemeinsam mit Fridays for Future umgesetzt. „Was die Klimakrise angeht, ist der ‚Stern’ nicht neutral“, heißt es in der Begründung der Redaktion zu dieser Kooperation. Nur: Wie will der „Stern“ künftig noch neutral über Themen wie Mobilität, Ernährung, Reisen, Wirtschaft oder Politik berichten? Das sind die zentralen Themen der Klimakrise. Sie dominieren genauso im Magazin. Fragwürdig war im vergangenen Jahr auch eine Kooperation der „Welt“ mit Volkswagen. Fast eine komplette Ausgabe bestand aus unkritischen Texten über die Wolfsburger: schönste Volkswagen-PR. Dazu gab es reichlich Anzeigen der Konzernmarken. Für einen Tag hatte die „Welt“ VW-CEO Herbert Diess zum Co-Chefredakteur gemacht. Corporate Publishing at its best.

Vor allem im news- und meinungsgetriebenen Online-Journalismus sinken die Standards – weniger in Print-Produkten. Clickbaiting, Haltungsjournalismus, extreme Zuspitzung und die selbst von Leitmedien betriebene Ideologisierung verleiten dazu, Fakten kreativ auszulegen. Marketing scheint für Leitmedien inzwischen wichtiger zu sein als Qualität und ein seriöses Image.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat ihr Selbstverständnis in zehn Punkten zusammengefasst. Einer davon: „Die Redaktion versteht Zahlen und Daten als Chance und nutzt sie, ohne sich zu deren Sklaven zu machen.“  Und weiter: „Die Qualität eines Textes und dessen kommerzieller Erfolg sind grundsätzlich getrennt zu betrachten.“ Die „SZ“ gehört noch zu den unaufgeregteren Medien des Landes. Dass die Redaktion diese Selbstverständlichkeiten extra betont, zeigt das ganze Problem. Offenbar gehört es zum Tagesgeschäft, Artikel so anzuspitzen, dass sie für kommerzielle Erfolge sorgen. Die Klick-Fokussierung beeinflusst vor allem Headlines und Teaser – also die Teile, die vor einer Paywall frei verfügbar sind, aber häufig irreführend sind. An dieser Nahtstelle entscheidet sich, ob digitaler Journalismus ökonomisch erfolgreich ist.

Empörung als Geschäft

Geschichten müssen gut klicken, das Medium in Debatten positionieren und zu Digital-Abos konvertieren. All das führt zu einer Schere im Kopf zulasten der Qualität. Es fehlt eine Kontrollinstanz. Als eine solche fungieren am ehesten andere Medien, die aber ähnlichen Zwängen unterworfen sind. Kontrolle durch Leser und Zuschauer erfolgt zumindest in der Theorie in den Sozialen Netzwerken. Genau dort erreicht die Polarisierung ihren Höhepunkt. Empörung ist Teil des Geschäfts. Journalisten mischen fleißig mit und lechzen nach Likes. Es geht viel um Personal Branding. Ihre Glaubwürdigkeit leidet. Es scheint die Meinung vorzuherrschen, dass die Empörungsmasche der einzige Weg zum wirtschaftlichen Erfolg ist.

Die Unternehmenskommunikation muss vorsichtiger agieren. Sie unterliegt einer dreifachen Kontrolle: von Medien, einer kritischen Öffentlichkeit mit NGOs an der Spitze und Investoren. Schlechte Presse und Shitstorms sind für Organisationen immer mit einem Risiko verbunden und nicht komplett kontrollierbar. Ein Vertrauensverlust aufgrund schlechter Kommunikation kann zu Absatzrückgängen führen. Das Resultat von zu viel Vorsicht in der PR ist dann wiederum Langeweile. Lügen zu verbreiten ist für Kommunikationsverantwortliche aus börsennotierten Unternehmen eine riskante Sache. In Wirtschaftsverfahren wie aktuell gegen Volkswagen und Wirecard schauen Ermittler genau hin, wer wann was wusste. Beihilfe zum Betrug oder zur Marktmanipulation können auch Kommunikatoren zur Last gelegt werden.

Trotz zahlreicher Wechsel zwischen Journalismus und PR herrscht viel Unverständnis darüber, was die andere Seite so treibt.  „Spiegel“-Redakteur Markus Feldenkirchen berichtete vor einigen Monaten, der Pressesprecher einer Bundesministerin habe ihm erzählt, „wie wunderbar es für ihn sei, dass dem Journalismus langsam das Geld ausgehe, die Redaktionen immer kleiner oder zusammengelegt würden. Der Gegner sei geschwächt, das erleichtere seine Arbeit.“ Hintergrund war, dass das Bundesverkehrsministerium eine Anfrage des „Spiegel“ torpediert hat, indem es parallel Informationen einem Konkurrenzmedium steckte.

Eine solche Aussage eines Pressesprechers wäre dumm. Geschwächte Redaktionen können nicht im Interesse von Kommunikatoren liegen. Sie machen sich so ihren eigenen Job kaputt. Die Arbeit mit kompetenten Journalisten ist ein Element, das den Sprecherjob spannend macht. Zudem üben Kommunikatoren einen Job nicht ewig aus. In dem einen Unternehmen mag man sich vor Medienanfragen kaum retten können. Im nächsten muss man für jedes Clipping hart kämpfen. Vertrauensvolle Kontakte und ein guter Ruf zahlen sich dann aus. Für Journalisten gilt Ähnliches. Sie bekommen bessere Informationen, wenn sie sich an Regeln halten. Ein anständiger Umgang liegt deshalb im Interesse von PR und Journalismus.

Der Artikel erschien leicht adaptiert im “pressesprecher” 04/2020.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TÖNNIES. Das Heft können Sie hier bestellen.

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