Bescheidene Krisengewinner

PR in Corona-Zeiten

Georg Meck, Ressortleiter Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, meinte kürzlich, der Kommunikationsbranche einen mitgeben zu müssen. Der PR Report hatte ihn gefragt, was ihn an Pressearbeit in Corona-Zeiten nerve. Meck antwortete: „Warum müssen die Pressestellen unsere Nerven strapazieren?“ In Scharen würden sie die Redaktionen mit Nichtmeldungen bestürmen. „Alle wollen uns weismachen, warum sie, und nur sie, das Unternehmen oder die Branche der Stunde sind.“

Das kampagnenartige Lobbying hat aktuell vor allem den Grund, dass Konjunkturpakete geschnürt und Soforthilfen verteilt werden. Wer will da zu kurz kommen? Dass penetrantes Werben um die Gunst der Öffentlichkeit nach hinten losgehen kann, erlebte die Automobilindustrie. Ihr Wunsch nach einer Prämie für Verbrennungs- und Dieselmotoren wurde im Konjunkturpaket nicht erfüllt. Ein derart plumpes Geldgeschenk wäre kaum zu vermitteln gewesen.

Dass ein Journalist wie Meck die Kommunikationsoffensive von Verbänden und Unternehmen als nervig empfindet, ist verständlich. Er dürfte mehrere hundert Pressemitteilungen am Tag bekommen. Versetzt man sich hingegen in die Rolle von Kommunikationschefs und Pressesprechern, dann handeln sie rational, wenn sie die Bedeutung ihrer Branche betonen. Unternehmen mussten in den vergangenen Monaten überwiegend Negatives berichten: Mitarbeiter:innen gingen in Kurzarbeit, Umsätze brachen ein, Werke standen still, Stellenabbau droht. Firmen benötigen Staatshilfe. Zu kommunizieren gab es mehr als genug – nur eben wenig Schönes.

Einige Dienstleistungen und Produkte werden in der Krise weniger benötigt – trotz der ganzen Lockerungen: Flugreisen und Hotels zum Beispiel. Die Lust auf Shopping, einen Autokauf und Bahnfahren ist begrenzt. Wer kaum Zeit im Büro verbringt, keine persönlichen Geschäftstermine mehr hat oder Abendveranstaltungen besucht, benötigt weniger Anzüge, Kleider und Schuhe. Bei Kund:innen macht sich der Eindruck breit, dass mancher Kauf aufgeschoben werden kann oder sogar verzichtbar ist. Etwas Schlimmeres kann es für Unternehmen kaum geben.

Wer hat was zu bieten?

Technologieunternehmen wie Microsoft, Amazon, Netflix und Zoom haben es leichter, weil ihre Produkte dringend benötigt werden. Diese Firmen sind in der digitalen Welt längst zu Hause. Andere müssen ihre digitalen Produkte und Dienstleistungen erst noch entwickeln und auf den Markt bringen. Allein das bedarf einer Kommunikationsoffensive.

Für einige Branchen und Unternehmen haben sich die kommunikativen Rahmenbedingungen verbessert. Zum Beispiel für die oft kritisierte Pharmaindustrie, auf deren Medikamenten- und Impfstoffentwicklung jetzt die ganze Welt vertraut.

Ohne Telekommunikationsunternehmen wäre in der Hochphase der Coronakrise das ganze Land zusammengebrochen, wenn die Netze nicht stabil gewesen wären. Toilettenpapierhersteller, Online-Shops, Social-Media-Plattformen, Lebensmittelhändler und Medien – all diese Branchen haben die Menschen sicher durch die Krise geführt. Sie wären dumm, wenn sie das in ihrer Kommunikation nicht hervorheben würden. Es sind Alleinstellungsmerkmale. Journalisten suchen nach derartigen Storys. Krisengewinner gibt es nun einmal. Sie dürfen das ruhig zeigen. Es ist eine Frage des Auftretens: Demut und Bescheidenheit kommen aktuell sicher besser an als Jubelgehabe.

Schlechter Moment für Eigentore

Kommunikative Eigentore sind derzeit doppelt fatal. Ein rassistischer Spot, Veränderungen im Top-Management, der Dieselskandal – schlechter kann es imagetechnisch für Volkswagen kaum laufen. Konzernchef Herbert Diess gab zudem ein arrogantes Bild ab, als er das Zahlen von Milliarden Euro an Dividenden als Selbstverständlichkeit abtat. Bei BMW war es ähnlich. „So zerstört man die moralische Grundlage unseres Wirtschaftssystems“, schrieb Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer anlässlich der Dividenden für die BMW-Eigentümerfamilien Quandt und Klatten.

Die Lufthansa braucht Milliarden an Staatshilfe. Wie kommt in diesem Umfeld eine Meldung an, dass eine Maschine ihrer Tochter Eurowings mit zwei Passagieren nach Sardinien flog und umdrehen musste, weil die Insel noch nicht für Tourist:innen geöffnet war? Peinlich.

In der Coronakrise fiel auf, dass Lebensmittelregale auch mal leer sein können. Der Geschäftsführer der Biomarken Rapunzel und Zwergenwiese meinte, in dieser Phase in verschwörungstheoretisches Raunen verfallen und seine Impfskepsis kundtun zu müssen, statt mit positiven Botschaften der Öffentlichkeit ein gutes Gefühl zu geben. Noch desaströser ist das Bild der Fleischindustrie. An Medienberichte über osteuropäische Billigarbeiter:innen hat man sich gewöhnt. Dass sich in Fleischfabriken und deren schlechten Unterkünften wie bei Tönnies das Coronavirus tausendfach verbreitet, ist mehr als unappetitlich.

Wie Digitalunternehmen denken

Purpose und Haltung – beide Begriffe wirkten vor Corona inhaltsleer. Ironischerweise ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, den Purpose zu definieren und nach außen zu kommunizieren. Unternehmen können sich nicht auf ihren etablierten Geschäftsmodellen ausruhen. Sie müssen sich als progressive Unternehmen präsentieren, die den digitalen Wandel verstanden haben.

Stillstand ist keine Option – selbst wenn es finanziell richtig erscheint. Digital und technologieorientiert muss dann aber auch heißen, den Weg eines digitalen Unternehmens konsequent zu gehen und seine Öffentlichkeitsarbeit anzupassen. Der Anspruch an das Image eines digitalen Unternehmens ist ein anderer als an die Old Economy. Diversity, Klimaschutz, Inklusion, Familienfreundlichkeit und Chancengleichheit für Frauen und Männer sind Themen, denen moderne Unternehmen Priorität einräumen müssen. Den Mitarbeiter:innen Homeoffice verweigern? Klingt wie vorgestern. Auch Service ist mehr denn je gefragt. Verbraucher:innen sollten sich genau anschauen, wer einen im Regen stehen lässt.

Die Krise als Chance ist eine abgedroschene Phrase. Die Möglichkeit, sich positiv von anderen abzuheben, sollten Unternehmen und Branchen trotzdem nutzen.

 

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