Rechtstipps: Note 6 im Netz? Keine Panik!

Online-Portale

„In dieser Firma arbeiten nur Betrüger“, „Das Produkt ist Schrott – nie wieder“, „Das Personal hatte nur Kasernenhofton drauf, der Kaffee war eisekalt“. Solche, und noch schlimmere Ausfälle bis hin zu Beleidigungen, sind Alltag im Internet. Besonders problematisch für viele Unternehmen: Bewertungsportale, auf denen Nutzer anonym die Dienstleistungen von Autohäusern, Telekommunikationsunternehmen oder Bäckereien besprechen können. Negative Bewertungen, insbesondere vernichtende Kritik an der Dienstleistung, dem Personal oder dem Service schaden dem Ansehen; wie viele Aufträge und Buchungen Unternehmen durch schlechte Beurteilungen im Internet entgehen, lässt sich nur schätzen.
Das bekannteste Bewertungsportal ist sicherlich die omnipräsente Suchmaschine Google, bei der Nutzer Firmen mit Google Maps-Eintrag anonymisiert (also ohne Namensangabe; Wording: „ein Google-Nutzer meint“) oder unter Pseudonym („Dagobert Duck“) bewerten können. Es gibt weitere allgemeine Bewertungsportale wie yelp.de und spezialisierte Portale, die sich zum Beispiel mit Ärztedienstleistungen (wie jameda.de und sanego.de) oder der Hotellerie und Gastronomie (wie Tripadvisor und Holidaycheck) beschäftigen.
Machen konnte man gegen miese Besprechungen bisher wenig. Solange in ihnen der Nutzer nichts Falsches, juristisch: unwahre Tatsachenbehauptungen, steckte, müsse der Betroffene hinnehmen, dass er mit seiner Dienstleistung in der Öffentlichkeit bewertet wird, so die Gerichte. Das gilt laut Bundesverfassungsgericht sogar für die Benotung von Lehrern (Beschluss vom 16.08.2010, Az. 1 BvR 1750/09). Verlangen, dass der eigene Name im Bewertungsportal nicht auftaucht, kann man auch nicht, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13). Und den Namen des anonymen Schreibers bekommt man auch nicht, meint ebenfalls der BGH (Urteil vom 01.07.2014, Az. VI ZR 345/13). Und die verteilten Schulnoten seien als Meinungsäußerungen geschützt. Dass vielleicht nur ein Konkurrent dem Unternehmen schaden will oder jemand aus Spaß Bewertungen erfindet – bisher war das für die Gerichte kein Argument.

Das dürfte sich nun ändern

Der BGH hat am 1.3.2016 (Az. VI ZR 34/15) ein Urteil gefällt, das bewertete Firmen freuen und auf der anderen Seite das Leben für die Bewertungsportale deutlich schwerer machen dürfte. In dem entschiedenen Fall ging es um einen Zahnarzt, der sich gegen eine schlechte Bewertung auf einem Ärztebewertungsportal wehrte und bestritt, dass der Bewertende tatsächlich sein Patient gewesen sei. Das Bewertungsportal lieferte dem Zahnarzt darüber keine aus seiner Sicht ausreichenden Nachweise. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt zwar mit den vollständigen Gründen noch nicht vor; aus der Pressemitteilung des Gerichts lassen sich aber schon zwei Grundsätze entnehmen:

Erstens:

Diese Rechtsprechung wird offenbar für alle bekannten Bewertungsportale gelten; also ist davon auszugehen, dass die Entscheidung Bedeutung hat für alle Branchen, in denen Dienstleistungen bewertet werden.

Zweitens:

Bestreitet das bewertete Unternehmen, dass der „Schreiberling“ die Dienstleistung des Unternehmens überhaupt in Anspruch genommen hat, treffen das Bewertungsportal strenge Prüfpflichten. Für diesen Fall muss das Portal zwei Dinge tun: Zum einen muss es von dem Bewertenden eine Schilderung verlangen, wie sich der Kontakt zu dem Bewerteten denn dargestellt hat; zum anderen – und das ist die entscheidende Neuerung – muss das Portal von dem bewertenden Nutzer Nachweise verlangen, aus denen sich objektive Indizien für eine Inanspruchnahme der Dienstleistung des Betroffenen ergeben.

Was heißt das für die Praxis?

Möchte sich ein Unternehmen gegen schlechte Bewertungen wehren, kann es nun zunächst einen relativ einfachen Weg gehen: Es kann sich an das Bewertungsportal wenden und in Abrede stellen, eine Dienstleistung gegenüber dem schreibenden Nutzer erbracht zu haben. Selbstverständlich kann man daneben auch weiterhin Inhalte der Bewertung rügen, wenn sie falsch sind (wenn beispielsweise über ein Hotel behauptet wird, es gebe auf den Zimmern keinen Teekocher oder ähnliches, und dieses nicht den Tatsachen entspricht). Dann müssen die Betreiber des Bewertungsportals Nachweise über die Inanspruchnahme der Dienstleistung einfordern.
Der Nutzer muss dann liefern: Im Fall von Ärzten beispielsweise (so der BGH ausdrücklich) Nachweise in Form von Bonus-Heften, Rezepten oder ähnlichen Belegen. Dies ist gerade im ärztlichen Bereich natürlich äußerst sensibel: Denn wer wird schon Lust haben, ein Rezept, aus dem sich möglicherweise ein bestimmtes Krankheitsbild ergibt, einem „wildfremden“ Unternehmen zu schicken?
Bei anderen Dienstleistungen werden ähnliche Belege fällig werden: Im Fall des Restaurantbesuchs zum Beispiel die Rechnung, bei Handwerkern ebenfalls die Rechnung, eine Auftragsbestätigung oder einen Lieferschein. Das Bewertungsportal wiederum muss diese Informationen dann – in bearbeiteter Form – an den Betroffenen der Bewertung weiterleiten.
Bleibt der Bewertende den Nachweis schuldig oder reicht er keinen hinreichenden Nachweis ein, muss die Bewertung gelöscht werden. Aus der anwaltlichen Praxis kann man sagen, dass derartige Nachfragen der Portale bei den Bewertenden nicht selten unbeantwortet bleiben: Ins Internet stellt man eben schnell mal etwas ein, um die Folgen will man sich dann aber nicht mehr kümmern.
Insgesamt bieten sich also durch diese Entscheidung viel größere Chancen für Unternehmen, ihre Online-Reputation zu schützen. Das ist zu begrüßen. Denn bei anonymen Bewertungen weiß eben niemand (außer dem Schreiber selbst), wer tatsächlich die Bewertung geschrieben hat. An „Fake“-Bewertungen kann aber niemand, auch kein Bewertungsportal oder Orientierung suchender Verbraucher, Interesse haben.
Die Entscheidung zeigt, dass die Problematik der Anonymität im Netz (jenseits der ganz offensichtlich darin liegenden Chancen) vom höchsten deutschen Zivilgericht erkannt worden ist. Und das ist ein gutes Signal für alle, die sich über bodenlose, gleichzeitig aber eben namenlose Kritik im Internet an ihrem Unternehmen schon mächtig geärgert haben. Es lohnt sich, sich zu wehren.

(Der Autor hat in dem besprochenen Verfahren den klagenden Zahnarzt vertreten.)

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Geld – was wirklich zählt. Das Heft können Sie hier bestellen.

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