Mit Humor für mehr Stadtsauberkeit

Berliner Stadtreinigung

Frau Thümler, welche Form von Humor zeichnet die BSR-Kommunikation aus?
Sabine Thümler: Ein Augenzwinkern. Damit werden auch eher „trockene“ Themen wie Stadtsauberkeit oder Abfalltrennung cool. Es gehört zu unserer Unternehmenskultur, dass wir auch innerhalb des Unternehmens unverkrampft miteinander umgehen. Und das transportieren wir mit unseren Motiven und Kampagnen auch nach außen.

So müssen sich Berliner nicht wundern, wenn sie von einem ferngesteuerten Roboter in Form eines Mülleimers um Abfälle gebeten werden. Was hat es mit dem Butler Reiner auf sich?
Die Idee kam von der Agentur Peperoni, mit der wir jetzt seit einigen Jahren zusammenarbeiten. Der Papierkorb ist ja schon lange ein Protagonist unserer Kampagnen zum Thema Stadtsauberkeit. Er ist die Alternative dazu, den Müll einfach fallen zu lassen. Wir haben uns gefragt, wie wir ohne erhobenen Zeigefinger ein Bewusstsein für mehr Sauberkeit schaffen können. „Mach das so und dann ist das klasse.“ Schließlich wird es immer beliebter, draußen zu essen und zu trinken. Mit Reiner wandert dieses Thema durch die Stadt – wir können auf die Leute zugehen. Und er verbreitet sich auch viral: Wir selbst twittern und haben einen Youtube-Kanal, aber auch die Menschen in Berlin – Einheimische wie Gäste – machen Fotos von ihm und schicken sie an sämtliche Freunde.

Reiner gibt es seit 2013. Die Idee der BSR, humorvoll zu kommunizieren, ist wesentlich älter. Wie kamen Sie damals auf die Kampagne „We kehr for you“?
Es gab das ursprüngliche „We kehr for you“-Motiv nur ein einziges Mal, und das, bevor die Kampagne startete. Zum Hintergrund: 1994 wurde die BSR von einem Eigenbetrieb zu einer Anstalt öffentlichen Rechts. Danach wurde im Unternehmen viel verändert, angefangen von der Einführung eines effektiven Controllings bis zur Veränderung der Arbeitsorganisation zum Beispiel bei der Straßenreinigung. Gleichzeitig mussten wir erheblich Personal abbauen, die BSR hat heute mit 5.300 Beschäftigten im Vergleich zu 1994 nur noch halb so viele Mitarbeiter. Die Aufgaben in der Stadt sind gleichzeitig aber nicht weniger, sondern eher mehr geworden. Der Mehrwert, den die BSR bringt, und die Effizienzsteigerung kommen den Berlinern zu Gute. Die BSR hat im bundesdeutschen Großstädtevergleich die niedrigsten Gebühren. Als wir die Kampagne 1999 ausgeschrieben haben, hieß es immer: Wenn die Stadt dreckig ist, ist die BSR schuld. Uns war klar, dass wir eine Stadt wie Berlin nie sauber bekommen, wenn die Bürger und Gäste der Stadt nicht auch eine gewisse Eigenverantwortung übernehmen. Zum Beispiel indem sie den Müll nicht einfach fallen lassen, wo sie gehen und stehen, sondern unsere Papierkörbe benutzen.

Sabine Thümler leitet die Kommunikation der BSR (c) Julia Nimke

Und wie haben Sie das ­erreicht?
Wir haben eine Kampagne ausgeschrieben, die an die Eigenverantwortung der Bürger appellieren sollte. Zwei Agenturen hatten die gleiche Idee: „Ihr müsst erst mal darstellen, wer ihr seid und was ihr macht, das wissen die meisten Berliner gar nicht.“ Eine Agentur hat unsere Arbeit als eine Art Heldenepos umgesetzt und die andere Agentur, Heymann und Partner, unter dem Motto „Wir bringen das in Ordnung“. Hier war auch das Motiv „We kehr for you“ dabei. Bei der Loveparade 1998 haben wir dieses Bild dann in der Sonderbeilage einer Zeitung ein einziges Mal als Anzeige geschaltet. Der Kleinere auf dem „We kehr for you“-Plakat war übrigens kein Model, sondern ein Grafiker aus der Agentur. Der Punkt war einfach, dass wir zeigen wollten: Bei der BSR arbeiten Menschen wie du und ich. Und das auf eine lus­tige Art und Weise.

Wie haben sich Ihre ­Kampagnen und Motive auf das Image der BSR ausgewirkt?
Sie haben vor allem das Image unserer Mitarbeiter gestärkt. Viele hatten vorher das Gefühl, dass niemand sie wahrnimmt und ihre Arbeit wenig wertgeschätzt wurde. Das hat sich durch die Kampagnen geändert. Da ist es dann öfter passiert, dass unsere Mitarbeiter in der Spätschicht zum Beispiel mit „Na, Saturday Night Feger“ angesprochen wurden. Oder bei schlechtem Wetter kamen die Leute und haben gesagt: „Na, heute müssen Sie ja wieder besonders drei Wetter tough sein.“ Das hat die Arbeit natürlich nicht einfacher gemacht, aber es gab Anerkennung dafür.

Werden Ihre Kampagnen denn von allen Mitarbeitern ­getragen?
Genau wie die Berliner haben auch die Kollegen Lieblingsmotive und solche, die sie weniger mögen. Als unsere Kampagne so erfolgreich wurde, wollten manche Mitarbeiter wissen: „Warum habt ihr denn nicht uns für die Plakate genommen?“ Hätten wir aber vorher gefragt, wer sein Gesicht auf 1.500 Plakaten in der Stadt sehen will, hätten uns alle für verrückt erklärt. Mittlerweile haben wir aber viel mit eigenen Kollegen gemacht. Die Dame auf dem Plakat „Lola trennt“ zum Beispiel heißt eigentlich Maria und ist Mitarbeiterin bei der Straßenreinigung. Immer wenn BSR-Beschäftigte abgebildet werden, wählen wir sie über Castings aus. In unserem Imagefilm aus dem vergangenen Jahr ist der Protagonist allerdings ein Schauspieler, weil man für so etwas jemand mit einer speziellen Ausbildung braucht. Alle anderen in Orange, die in dem Video mitspielen, sind aber unsere eigenen Mitarbeiter.

Die BSR wirbt auf einem Plakat mit “We kehr for you” (c) HEYMANN BRANDT DE GELMINI

Haben sich Strategien und Kampagnen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Kampagnen gibt es jetzt seit 16 Jahren und natürlich haben sich die Themen im Laufe der Zeit gewandelt. Heute geht es um Abfalltrennung und Stadtsauberkeit. Unsere Strategie war und ist, mit einem Augenzwinkern, mit Humor nach außen zu kommunizieren. Unsere Botschaften zur Verhaltensänderung kommen bei den Menschen nur an, wenn die BSR positiv wahrgenommen wird. Wir werben ja nicht, damit jemand mehr Straßenreinigungsgebühren zahlt oder mehr Mülltonnen aufstellt, als er braucht.

Und geht die Strategie auf?
Ja, unsere Kampagnen haben sich auf unsere Außenwahrnehmung ausgewirkt. Allerdings ist eine wichtige Voraussetzung, dass wir unsere Arbeit richtig gut machen Tue Gutes und rede darüber – aber eben nur in dieser Reihenfolge. In einer Forsa-Umfrage der „Berliner Zeitung“ sind wir 2014 zum beliebtesten Unternehmen in Berlin gewählt worden. Und unsere Mitarbeiter werden mittlerweile auch von vielen Kindern geliebt. Bei der Veränderung einer Mülltour hat mir eine Kita-Mitarbeiterin geschrieben: „Die Müllabfuhr kam immer zwischen acht und halb neun bei uns an der Kita vorbei und jetzt kommt sie aber erst um elf. Können Sie die Tour nicht wieder umstellen? Wir kriegen die Kinder nicht aus dem Haus, bevor der BSR-Wagen nicht vorbeigekommen ist.“

Kritische Stimmen gibt es nicht?
Gelegentlich wird gefragt: „Warum muss ein Unternehmen, das nicht im Wettbewerb ist, eigentlich werben?“ Unsere Kampagnen sollen aber zu Bewusstseins- und Verhaltensänderung beitragen. Dazu müssen wir mit unseren Botschaften bei den Menschen ankommen. Grundsätzlich war und ist die Stimmung in Berlin, aber auch über die Stadt hinaus, total positiv. „Tolle Kampagne“ oder „tolle Sprüche“ – das hören wir immer wieder.

Auch in anderen Städten wurde das Thema Abfall­entsorgung humorvoll behandelt. In München gab es 1992 beispielsweise die Kampagne „München jagt die Müllsau“. Würden Sie sagen, dass die BSR-Kommunikation „typisch Berlin“ ist?
Berlin ist kulturell natürlich sehr gemischt. Ein Augenzwinkern passt einfach dazu. Berlin ist eine besondere Stadt, in der man vieles machen kann, was anderswo nicht geht, aber wo vieles auch nicht geht, was anderswo funktioniert.

Auch Reinigungsfahrzeuge der BSR vermögen die Berliner zu erheitern und sorgen für Sauberkeit in der Stadt (c) Julia Nimke

Bei manchen Motiven hat man den Eindruck, sie sprechen eher jüngere Menschen an …
Unsere Kampagnen sind natürlich auf unterschiedliche Zielgruppen ausgerichtet. Meine Mutter hat das Motiv M.I.O, also „Man in Orange“, zum Beispiel gar nicht verstanden, weil sie nie „Men in Black“ im Kino gesehen hat. Aber solche Motive haben wir dort eingesetzt, wo Menschen etwas damit anfangen können. Das Motiv „Ordnungshüter“ spricht hingegen eine ganz andere Zielgruppe an. Die BSR ist ja ein Unternehmen, das allen Berlinern gehört und alle Berliner und auch die Gäste der Stadt ansprechen will und muss.

Gibt es ein Motiv oder Projekt, das für Sie persönlich einen ganz besonderen Stellenwert hat?
Wir arbeiten zurzeit am Thema Arbeitgebermarke und haben einen tollen Azubifilm gemacht – übrigens mit echten BSR-Azubis. Sehr gut gefallen mir auch die Reiner-Videos aus dem vergangenen Jahr, zum Beispiel als er ins Kadewe geht. Aber wir haben so viele Motive und Aktionen, dass ich mich da nicht festlegen kann und will.

Was würden Sie insgesamt sagen, welchen Stellenwert hat Humor in der Öffentlichkeitsarbeit?
Was ist Humor? Schenkelklopfer, schwarzer Humor, Augenzwinkern? So ganz generell kann ich die Frage nicht beantworten. Es gibt bestimmt Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen, da passt Humor – welcher auch immer – nicht so richtig in die Öffentlichkeitsarbeit. Auch bei uns gibt es mal Situationen, in denen Ernsthaftigkeit gefragt ist. In der Öffentlichkeitsarbeit haben für mich Transparenz und Offenheit einen höheren Stellenwert  – Humor, Freundlichkeit – das ist eher die Verpackung.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Treffen sich zwei…. Das Heft können Sie hier bestellen.

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