Männer sterben nicht. Wie man den Tod kommuniziert

Frau Brod, wenn Sie Menschen neu kennenlernen, sagen Sie denen, was Sie beruflich machen?

Corinna Brod: Meistens vermeide ich dieses Thema, sonst kenne ich am Ende der Party alle Todesfälle im Umfeld meines Gesprächspartners (lacht). Wenn ich lange über den Tod sprechen muss, grenze ich mich im Privaten gerne mal ab.

Warum kommt der Tod für uns immer so scheinbar überraschend?

Obwohl der Tod jeden trifft, sind wir komplett überfordert, sobald es in unserem Umfeld soweit ist. Dabei ist in anderen Kulturen der Tod Teil des Lebens. In Mexiko werden die Toten zum Beispiel am Dia de los Muertos an Allerseelen mit der ganzen Familie bei einem Fest auf dem Friedhof gefeiert.

Der FriedWald ist keine Wortschöpfung sondern eine Marke. Wie wurde sie geschaffen?

Obwohl wir den Namen als Markenzeichen eingetragen haben, ist er inzwischen schon zum Gattungsbegriff für Bestattungen in der Natur geworden. Umso schwerer ist er im Alltag rechtlich zu schützen. Im Rahmen des Brand Managements setzen wir auf externes Monitoring, weisen auch freundlich auf Verstöße hin, aber wir rufen nicht gleich den Anwalt.

Welche sind Ihre wichtigsten Botschaften?

Wir wollen den natürlichen Umgang mit dem Tod fördern als tröstliche Perspektive. Es geht uns darum, Akzeptanz für dieses Thema zu schaffen und den Vorsorgegedanken zu fördern. Wir wollen die Angst vor dem Tod lindern helfen, selbst wenn ich sie selbst auch habe.

An wen richten sich diese Botschaften vor allem?

Unsere Zielgruppe hat einen mittleren bis hohen Bildungsstand und ist 50+. Frauen sind die Entscheider. Wir sind zum Beispiel häufig mit einem Stand auf Verbrauchermessen. Dann sieht man Paare heran schlendern und die Frau sagt „Oh guck mal, davon hab ich schon gehört, lass uns mal gucken.“ Und der Mann zieht sie schnell weiter und sagt „Ach, das hat noch Zeit.“ Männer sterben nicht.

Welche PR-Tools nutzen Sie?

Wir machen weniger klassische Werbung, es läuft bei uns viel über Direktmarketing. Am Anfang war das heikel und wir haben extra unsere Mitarbeiter der Telefonzentrale geschult. Inzwischen sind es im Schnitt 40 Direktmailings pro Jahr, in denen wir zum Beispiel zum Waldinformationstag einladen. Sie gehen an Menschen im Umkreis von 30 bis 50 Kilometer rund um einen Friedwald-Standort und entstehen in Kooperation mit den Förstern aus der Region.

Sie setzen demnach auf „Live-Kommunikation“ bei Wind und Wetter?

Die Waldführungen sind das wichtigste Instrument für unseren Markenvertrieb. In Gruppen von maximal 20 Personen können sich Interessierte die FriedWald-Standorte ansehen, mit Angehörigen austauschen und bei einem zweiten Termin „ihren Baum“ aussuchen. Manche schauen nur für sich allein, andere als Paar, Familie oder Freundeskreis. Im Wald startet die Trauerarbeit.

Förster als Vertriebler – das ist ja ein spannendes Konstrukt.

Alle Förster sind extra von uns geschult worden und waren auch zur Hospitanz im Krematorium. Der Beruf ist eine wunderbare Basis für die Begleitung von Hinterbliebenen, Förster haben da ein natürliches Talent. Natürlich bieten wir ihnen auch Supervision an.

Welche Kanäle nutzen Sie außerdem?

Ansonsten setzen wir auf die Webseite mit einem Imagefilm, Broschüren, Newsletter. Bei Facebook posten wir etwa zwei bis dreimal pro Woche. Wir sehen das eher als Push für Dialoge, indem wir zum Beispiel fragen, welche Musik Hinterbliebenen hilft oder wie sie ihr erstes Weihnachten ohne den Verstorbenen verbringen. Das Profil ist wie ein sanft moderiertes Forum. Der Weggang eines Abonnenten oder „Freundes“ ist dann im echten Leben ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass die Trauerarbeit vorangeht.

Wie offen sind die Menschen für Ihr Angebot?

Es gab auch Kritik, die Kirche warf uns beispielweise vor, „naturheidnisch“ zu sein. Aber wir sind als Unternehmen religiös und weltanschaulich neutral. Auch die Kritik, unsere Bestattungen seien anonym, stimmt nicht, denn die meisten wünschen sich an den Bäumen Namensschilder und die sind natürlich erlaubt. Zudem gibt es ein Sterberegister bei uns und der Trägerkommune.

Wie eng müssen Sie mit letzteren zusammenarbeiten?

Ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit sind für uns auch die Akquise und öffentliche Genehmigungsverfahren, wenn man einen Wald zu einem Friedhof umwidmet. Da sind die Abstimmungsverfahren mit Kommunen und Trägern umfangreich. Eine solche Umwidmung dauert zwischen einem halben und sieben Jahre, das muss man medial begleiten. Wir machen viel Lobbyarbeit und Infoveranstaltungen.

Was ist die Motivation Ihrer Kunden?

Zu den Waldinfotagen kommen Familien oft auch mit kleinen Kindern. Und sie wollen ihren eigenen Familien den Hickhack nicht zumuten, der entsteht, wenn man sich nicht auf das Sterben vorbereitet: Die typisch deutsche Angewohnheit der Ordnungsliebe wäre für uns ein Vorteil – aber es haben nur wenige Verstorbene Formulare wie Patienten- oder Pflegeverfügung und ihr Testament vorbereitet. Bestattungswünsche sollte man in einer separaten Willenserklärung formulieren, denn ein Testament wird in der Regel erst nach der Beisetzung eröffnet. Dabei sollte man zumindest mit seinen Angehörigen die letzten Wünsche rechtzeitig besprechen. Der Gedanke zu wissen, „wo man mal abbleibt“, ist tröstlich.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Randgruppen-PR. Das Heft können Sie hier bestellen.

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