A lucky Man

15 Minuten zu spät betritt Joey Kelly die Bühne und staunt, wie voll der Saal ist. Als würde er die Zeit schnell aufholen wollen, beginnt er in Stakkato-Sätzen sein Anekdotenfeuerwerk aus dem Extremsport. Zum Beispiel, der Wettlauf am Südpol: Joey Kelly war mit Markus Lanz in einem Team, er Ire, Lanz italienischer Abstammung. „Aber wir waren das deutsche Team“, sagt Kelly trocken. Lachen. Das Ziel der Kelly zufolge 4,8 Millionen Euro teuren TV-Produktion: 400 Kilometer bis zum Südpol durch die Arktis zu laufen.

„Dann war da der Ultramarathon im Death Valley Nationalpark“, springt Joey Kelly zum nächsten Extremsportereignis. „48 bis 52 Grad im Schatten.“ Stille im Saal. „Aber es gibt keinen Schatten!“, bemerkt er lakonisch und hat wieder alle Lacher auf seiner Seite. Der 41-Jährige wurde auch Weltmeister im Unterwasserlaufen. Warum? „Weil sonst kein Idiot solch einen Schwachsinn macht.“ Für seine Selbstironie wird Joey Kelly nicht nur an dieser Stelle belohnt.

„Kennen Sie noch die Kelly Family?“, fragt er schmunzelnd ins Publikum. Zwei Hände gehen zaghaft in die Höhe. „Danke, dass sie so mutig sind.“ Eigentlich wollte sein Vater Priester werden, merkte später, dass es doch nicht seine Berufung war – und zeugte zwölf Kinder. Die Familie reiste nach Italien, wurde ausgeraubt und beschloss, das Beste daraus zu machen und für ein paar Münzen am Straßenrand zu singen. „Für all jene, die die Kelly Familiy hassen – beschweren Sie sich bei den Italienern“, sagt Kelly amüsiert und alle klatschen.

Die Philosophie der Familie: Glaube an deinen Erfolg!  Getragen wurde dieser Glaube von dem Wunsch, eines Tages vor 50.000 Menschen zu spielen. Dieser Traum wurde wahr. Und dafür müsse man kämpfen, motiviert Kelly seine Zuhörer.

Seinen ersten Triathlon setzte er übrigens ordentlich in den Sand. „Ich dachte, ich bin doch berühmt, jede Woche in der ‘Bravo’, ich kann das“, erinnert sich Kelly. Am Ziel überholte er zwei ältere Leute, als Drittletzter. Vielleicht waren sie auch gar nicht Teilnehmer des Marathons, sondern nur Spaziergänger.

Ein Schwenk zum Südpol-Wettlauf. Das Foto eines rotes Zelts erscheint auf der Leinwand: „Dort haben wir geschlafen, vier Personen, auf 4,5 m², ohne Dusche“, erklärt er. „Brutal! Auch für einen Kelly.“ Gefälle sind in der Antarktis bis zu 800m tief, der Gletscher bewegt sich jeden Monat einen Meter. Es ist der kälteste Ort der Welt. „’Ich will nicht’, gibt es dort nicht!“, sagt Joey Kelly ernst. Vor der Kälte könne man sich nicht verstecken. Am Ende solch eines Survival-Trips sei man gut befreundet, oder brauche sich nie mehr wiederzusehen. Die Stimmung im Saal pendelt zwischen Lachen und Ehrfurcht. Und das sei es auch, sagt Kelly, was man brauche, um seine Grenzen zu überwinden, mutig und erfolgreich zu sein: gute Stimmung und Respekt voreinander.

Joey Kelly kennt nicht nur den Südpol ganz gut, er hat auch Deutschland in vier Wochen zu Fuß durchquert. Im Gepäck: Eine Plane für 9,24 Euro. Kein Essen, kein Geld, kein Betteln war erlaubt, keine Geschenke durfte er annehmen – so lauteten die Regeln. “Was tue ich, wenn mich der Hunger in die Knie zwingt“, suchte er damals Rat beim Survival-Experten Rüdiger Nehberg. „Hunger ist nur Hysterie des Körpers“, lautete dessen Urteil. Und tatsächlich, die Zugspitze erreichte Joey Kelly 15 Kilo leichter, nach 18 Tagen und einer Million Schritten. Ein Video seiner Ankunft wird eingeblendet, „Ohh, what a lucky man he was“, erklingen Emerson, Lake & Palmer vom Band; Gänsehaut, Innehalten. Sieh dein Glück, du bist frei, gesund, habe Ziele – berufliche, private und sportliche –, appelliert Joey Kelly an unser aller Selbstbestimmung und schaut lange in den Saal. Und jeder denkt hoffentlich: Ohh, what a lucky man I am!

 

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