Künstliche Intelligenz – der Tod von PR?

Kolumne

Ich denke, also bin ich. Ich lasse denken, also bin ich arbeitslos? Können Computer PR-Profis ersetzen?

Visionären wie Google-Chefentwickler Ray Kurzweil schwebt vor, dass in geraumer Zeit unser gesamtes Gehirn auf Festplatten hochgeladen werden wird. Mittels Künstlicher Intelligenz werden wir dann vernetzt und zu einem allumfassenden Geist verschmelzen. Oder Künstliche Intelligenzen werden zu hundert Prozent an uns angepasste Persönlichkeiten, mit denen wir uns unterhalten und – wie im Film „Her“ angerissen – in die wir uns verlieben können. Eine gruselige, fantastische Vorstellung.  

Wenn dann aber Siri unsere Frage nicht versteht, Alexa einen Lachanfall bekommt, Google Maps einen falschen Begriff per Spracherkennung aufschnappt und uns nach Kuba führen möchte, dann hat man das Gefühl, dass es noch ziemlich lange dauern wird, bis Künstliche Intelligenz das Ruder übernehmen wird. Dabei ist KI eindeutig auf dem Vormarsch.

KI verschwindet nicht mehr

Die Geschwindigkeit von Computerleistung ist in den vergangenen Jahren exponentiell angestiegen, ganz wie es das Mooresche Gesetz vorhergesehen hat. Demnach verdoppelt sich alle eineinhalb Jahre die Prozessorgeschwindigkeit. War es vor zehn Jahren noch recht schwer, Spracherkennung zu nutzen, ist Software mittlerweile in der Lage, anhand des gesprochenen Wortes Stimmungen zu erkennen und zu analysieren. Entwicklungen wie diese sind auf einmal einfach da – und sie werden nicht mehr verschwinden. 

Big Data und Künstliche Intelligenz halten Einzug in ganz verschiedene Berufsfelder. In der Kriminalitätsbekämpfung etwa etabliert sich gerade ein Trend namens Predictive Policing, bei dem mittels aufwendiger Datenanalyse Verbrechen verhindert werden sollen. Dazu werden Konsumverhalten, Bewegungsprofile und Kamerabilder mit kriminellen Vorfällen abgeglichen. Mit der Zeit lernt eine Software, zu welcher Zeit an welchem Ort etwas geschehen könnte, bevor es dazu kommt.

In den USA wurden damit bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Wenngleich die Methodik skurril ist: Da werden Mütter unvermittelt angerufen mit der Empfehlung, ihre Söhne sollten heute lieber zu Hause bleiben, weil sie sonst vermutlich straffällig werden könnten. Abgesehen davon fällt uns Bürgern diese Art von Kriminalitätsbekämpfung nur schwer auf. Das Datensammeln geschieht ohne großes Aufsehen. In Deutschland befindet man sich gerade in der Testphase dieser Software.

Auch in der Werbung wird seit Langem mit dieser Methode gearbeitet. So sammelte und analysierte eine amerikanische Supermarktkette schon vor Jahren die Daten ihrer Kunden, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie untersuchte zum Beispiel das Kaufverhalten von schwangeren Frauen und ermittelte die Produkte, die diese kauften. Später schickte die Kette Kundinnen mit ähnlichem Kaufverhalten Coupons für Babyartikel zu. Das führte zu manch unfreiwillig aufgedeckter Schwangerschaft.

Das alles hat aber nichts mit Kommunikation zu tun. Der Intellekt von Fachkräften wird damit noch in keiner Weise ersetzt werden können, richtig? Außerdem ist die Medienarbeit kreativ. Wer will denn Kreativität an Computer auslagern?

Allerdings: Versucht wurde es bereits. Watson, die KI von IBM, beispielsweise hat die besten Kinotrailer analysiert und Material eines neuen Films zu einem Trailer schneiden lassen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Das Schreiben übernimmt die Software

Und denken Sie an automatisierten Journalismus. Mittlerweile ist es gängige Methode, Artikel über Fußballspiele von einer Software schreiben zu lassen. Diese semantischen Programme sind in der Lage, aufgrund von Datensätzen wie „Nummer 5 schoss in Minute 10 ein Tor für Mannschaft A“ einen hochkomplexen Text zu formulieren, der sich auch auf die torlosen letzten drei Spiele der Mannschaft bezieht und sich sprachlich nicht von den Künsten eines Journalisten unterscheidet. Alle großen Verlage machen davon für so gut wie alle Fußballspiele Gebrauch. Ob für Pusemuckel gegen Winterborn oder HSV gegen Bremen. Innerhalb der letzten Sekunde des Spiels wird der Datensatz zur Software gesendet und eine Millisekunde später existiert ein Artikel. Oder 10.000 unterschiedliche.

Diese Software kann Texte aber nicht nur auf Deutsch formulieren. Auch Englisch, Italienisch oder Mandarin ist möglich. Und selbst die Tonart kann beliebig reguliert werden, von aggressiv bis faktenorientiert. Das geht dann nicht nur für Fußball, sondern für alle datenbasierten Sportarten. Aber warum bei Sport haltmachen? Wetterberichte und auch Börsenkurse können so ganz einfach in Textform gebracht und in beliebiger Anzahl verbreitet werden.

Letztlich kann dies auch der PR und dem Marketing dienlich sein. Wiederkehrende Geschäftsberichte und Pressemeldungen können einfach automatisiert erstellt werden. Schuhe, die auf einer Plattform angeboten werden, können mit einer solchen Software flächendeckend mit Tausenden von Texten beworben, kategorisiert, kommentiert und angepriesen werden. Das ist vergleichbar mit einem Heer von PR-Departments, die ein Produkt hoch- oder runterschreiben. Zurzeit nutzen aber noch wenige diese Möglichkeiten.

Eine Herausforderung ist sicherlich, dass solche KI-Lösungen nicht offensichtlich angepoltert kommen, sondern schleichend. Es werden einfach keine Sportjournalisten mehr eingestellt. Dann sprechen Fakten für sich. KI ermöglicht unendliche Möglichkeiten der Analyse, schenkt Fragestellungen und Chancen. Datenanalyse gehört dann demnächst genauso zum PR-Handwerk wie Softwarekenntnisse zum Automechaniker. Künstliche Intelligenz wird vorerst nicht alle Kommunikatoren arbeitslos machen. Doch es ist sicherlich davon auszugehen, dass es das Arbeitsbild in kurzer Zeit stark verändern wird. Die PR ist tot – es lebe die PR.

Wie sich die PR-Profession wandeln wird und ob nun alle Kommunikatoren zu Data Scientists werden müssen, lesen Sie in diesem Beitrag.

 

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