Kritik an Social-Media-Plänen des Bundestags

Christiane Germann im Interview

Sie stehen den geplanten Social-Media-Kanälen des Bundestags kritisch gegenüber. Wieso?

Christiane Germann: Grundsätzlich finde ich es natürlich gut, dass der Bundestag Social Media nutzen möchte, wobei es schon ziemlich spät dafür ist. Regierungssprecher Steffen Seibert hat seinen ersten Tweet vor zehn Jahren abgesetzt. Und eigentlich sind sämtliche Ministerien in mehreren sozialen Netzwerken schon lange aktiv – Facebook, Twitter, Instagram und einige sogar auf Whatsapp. Dass der Bundestag immer noch überlegt, ist ein Armutszeugnis. Sie hätten Gelegenheit gehabt, Vorreiter zu sein. Dass immer noch über das Ob diskutiert wird, halte ich für relativ schwach für so eine wichtige Institution, die darauf angewiesen ist, den Zuspruch von Bürgerinnen und Bürgern zu haben.

Aber es ist per se erst einmal zu begrüßen, dass der Bundestag moderner in der Kommunikation werden möchte?

Absolut. Wenn sie aber schon so spät anfangen, sollten sie auch zu den richtig Guten gehören wollen.

Der Bundestag hat nahezu eine Milliarde Euro Budget. Für Social Media ist nichts einkalkuliert. Glauben Sie, er investiert es falsch?

Ich glaube, dass Social Media heutzutage selbstverständliche Kanäle sein müssen. Das heißt nicht, dass man alle Printprodukte abschaffen sollte, weil es eben viele Leute gibt, die sich auch darüber informieren. Das Nutzungsverhalten ist einfach diverser geworden. Social Media ist etwas, das dazu gekommen ist, und daher auch zusätzlich berücksichtigt werden muss.

Im Zweifel müsste das Budget also aufgestockt werden, wenn die vorhandenen Mittel gerade gebunden sind?

So wie ich das verstehe, wusste der Bundestag zu dem Zeitpunkt, als das Budget gemacht wurde, noch nicht, dass Social Media kommt. Deshalb ist es naturgemäß nicht da. Das ist natürlich problematisch. Als Social-Media-Beraterin für Behörden kenne ich aber die dortigen Abläufe. Entweder schafft man es, Mittel umzuschichten oder man hat kein Budget. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Wie ist es zu beurteilen, dass die Betreuung von Social Media nicht durch zusätzliches, sondern bestehendes Personal erfolgen soll?

Wenn man Glück hat, findet man in seinen Reihen schon Kommunikations- oder Social-Media-Profis. Wenn ich mir die Behörden anschaue, die ich berate, würde ich sagen, dass in mindestens 30 Prozent der Fälle auch Leute da sind, die das können.

In erster Linie wichtig ist es, Erfahrung mit Social-Media-Kanälen zu haben. Wenn sich jemand gut mit klassischer Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Haus auskennt, und auch schon erfolgreich Social-Media-Profile betreut hat, dann ist da eine gute Chance.

Ist das beim Bundestag der Fall, spricht grundsätzlich nichts dagegen, das mit bestehendem Personal zu machen. Aber nur dann, wenn die Mitarbeiter auch für die Social-Media-Betreuung freigestellt werden, keine anderen Aufgaben machen müssen und geschult werden. Ich habe allerdings gehört, dass der Bundestag keine externe Beratung in Anspruch nehmen will. Da habe ich Zweifel, dass das funktioniert. Es klingt für mich ein bisschen nach: „Wir machen das so nebenbei.“ Gerade bei so einer großen Institution, die nicht nur national, sondern dann auch international abonniert und beobachtet wird, finde ich das sehr gewagt. Es hört sich für mich danach an, dass man versucht, mit angezogener Handbremse loszulegen.

Was würden Sie dem Bundestag für den Start seiner Social-Media-Kanäle empfehlen?

Ich empfehle gemischte Teams, sodass man sowohl Leute aus dem Haus als auch Neueinstellungen hat. Bei den neuen Mitarbeitern sollte man darauf achten, dass es Social-Media-Experten sind. Ich würde auch wirklich raten, dass sich Leute Vollzeit um Social Media kümmern, denn es ist sehr viel Arbeit. Nicht nur die ganzen Beiträge zu produzieren, sondern auch sehr aktiv Community-Management zu betreiben. Das kostet eine ganze Menge Zeit und Herzblut. Das kann man nicht nebenbei machen.

Wie viel Personal bräuchte man denn für einen Twitter- und Instagram-Kanal?

Meine Erfahrung ist folgende: Der Social-Media-Bereich braucht immer die gleiche Anzahl an Stellen wie der Pressebereich. Das spiegelt die Größe und die Menge an Themen einer Organisation wider. Wenn ein Ministerium fünf Pressesprecher hat, kann man davon ausgehen, dass es täglich so viele Themen und Fragen hat, die dann auch auf Social Media kommuniziert werden müssen.

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