Kommunikatoren in den Vorstand!

Kommunikation und Führung

Die Herausforderungen an Unternehmen sind gestiegen. Einerseits gibt es so viele Möglichkeiten wie nie zuvor, neue Bereiche zu erschließen, neue Märkte zu eröffnen und neue Produkte und Unternehmenslinien zu schaffen. Andererseits erschweren es die Geschwindigkeit und Intensität, mit der Informationen weitergeleitet werden, Ruf und Marktwert eines Unternehmens zu erhalten.

In diesem Umfeld überrascht es kaum, dass der Chief Communications Officer (CCO) ein immer wichtigerer Teil des Führungsteams geworden ist. Ein talentierter CCO kann Medien managen und beeinflussen, Marktfeedback interpretieren und einschätzen, neue Möglichkeiten gewinnbringend nutzen und in Krisen geschickt navigieren. Solche Führungskräfte verstehen es, eine aufgebrachte Öffentlichkeit zu besänftigen, nervöse Investoren zu beruhigen, Brücken zu Politikmachern zu bauen und einflussreiche Geschichten in den Medien mitzugestalten. Sie wissen, wie man Reputation und Marktwert in einem wechselhaften Umfeld, wo beide mit atemberaubender Geschwindigkeit ins Bodenlose fallen können, erhalten – und steigern – kann.

Es würde also naheliegen, dass es in der Führungsetage eine höhere Nachfrage nach der Expertise von Kommunikationschefs geben sollte. Tatsächlich gibt es aktuell jedoch nur wenige CCOs in der Unternehmensführung: Nach Recherchen von Spencer Stuart sitzen aktuell nur 16 Direktoren, die die oberste Kommunikationsposition innehaben, in den Chefetagen der finanzstärksten US-Unternehmen Fortune 500. Wie können also langfristig mehr CCOs in die Chefetage eingebunden werden?

Expertenwissen in mehreren Feldern ist gefragt

Kommunikationschefs und anderen talentierten Führungskräften steht auf ihrem Weg in die Führungsetage ein wesentliches Hindernis im Weg: In den Vorständen werden jedes Jahr nur wenige Sitze frei. Freie Vorstandssitze gehen erfahrungsgemäß oft an aktuelle oder pensionierte CEOs, deren breitgefächerte Erfahrung und Einblicke außerordentlich wertgeschätzt werden.

Finanzielle und rechtliche Expertise sind ebenfalls sehr gefragt. Von den Zahlen abgesehen, haben CCOs und Kommunikationsexperten einfach nicht oberste Priorität bei verfügbaren Vorstandssitzen. Fair oder nicht: Der Kommunikationsbereich wurde in der Vergangenheit oft als „Soft Skill“ dargestellt. Ähnlich erging es in früheren Jahrzehnten dem Bereich HR. Beide werden daher nicht als zentral für den Auftrag eines Vorstands angesehen.

„Wenn Sie einen neuen Direktor suchen, zielen Sie normalerweise nicht unbedingt auf den Kommunikationschef ab“, sagt Hubert Joly, CEO von Best Buy, einem amerikanischen Unterhaltungselektronik-Unternehmen. „Man entscheidet sich üblicherweise für aktuelle oder kürzlich pensionierte CEOs, operative Führungskräfte oder vielleicht den Leiter des E-Commerce. Kurz gesagt, man schaut eher nach Business-Führungskräften oder CFOs.“

Kommunikationsexpertise steht meist nicht sehr weit oben auf der Prioritätenliste, wenn Vorstände freie Positionen besetzen wollen. Tatsächlich erfordern Governance-Standards Expertenwissen in mehreren Feldern. Kommunikation wird dabei oft nicht als selbstständige Domäne angesehen. Daher müssen Kommunikationsexperten das Business ganzheitlicher betrachten und Wissen über Gebiete wie Strategie, Finanzen, Governance und weitere Bereiche zu bieten haben. Sogar dann sind tiefgreifende Geschäftseinblicke nicht genug, um das Interesse eines Vorstands zu wecken.

Mangelnde Businesskenntnisse als Hindernis

Für CEO Joly, zu dessen Vorstand bei Best Buy ein Kommunikations- und ein Corporate-Affairs-Experte zählen, erfordert ein Entree in die Führungsebene einen selbstsicheren, unabhängigen Denker, der „Weisheit“ zu bieten hat und „jemand ist, zu dem man gehen würde, wenn man einen Rat braucht“.

Kommunikationsprofis erkennen selbst, dass es allgemeine Business-Skills sind, die ihnen Zutritt zur Führungsebene verschaffen. „Bestimmte Kommunikatoren können aufgrund der Art, wie sie das Business sehen, einen enormen Wert zum Vorstand beisteuern. Zu dieser Position kommen sie aber, da sie in erster Linie versierte Geschäftsleute sind“, sagt AnnaMaria DeSalva, ehemalige CCO beim Chemiekonzern DuPont und Vorstandsmitglied beim Logistikdienstleister XPO Logistics, wo sie Governance-Vorsitzende ist.

Solche Kommunikationsprofis haben DeSalva zufolge eine starke Kommunikationskompetenz und -ausrichtung, „gleichzeitig jedoch die Fähigkeit, gute Geschäftsentscheidungen zu treffen, die zu einer starken Wertschöpfung führen, was ja der eigentliche Sinn des Vorstands ist“.

Nun hat die digitale Welt Aktivismus einfacher und populärer gemacht: Gewaltige Gruppen lautstarker Stakeholder bringen sich jeden Tag in Unternehmen ein, fordern sie heraus und stören sie. Kommunikationsprofis werden dabei gefragt sein, dieses neue Paradigma zu navigieren und zu managen. Dies wird die Tür für CCO-Expertise im Vorstand noch weiter öffnen.

Gründe für Optimismus

„Vorstände müssen sich der Leidenschaften ihrer Kunden bewusst sein und wissen, wie sie sich auf diese einlassen können“, sagt Sally Susman, Executive Vice President of Corporate Affairs bei Pfizer und Vorstandsmitglied bei WPP PLC. „Unter diesen Leuten sind Umweltschützer, Brustkrebsüberlebende oder bloggende Mütter. Sie haben sich in diese kleineren Gruppen aufgeteilt, die sich mit bestimmten Themen befassen. Sie sind sehr leidenschaftlich und können Unternehmen beeinflussen.“

Mit Hilfe der Sozialen Medien können sich Themen so weit entzünden, dass Unternehmen sehr empfindlich für ihre Überschneidungen mit der Außenwelt seien: „Daher brauchen Aufsichtsräte mehr Leute, die in diesem Bereich Erfahrung haben“, meint Susman.

Dieser Trend wird sich fortsetzen, da eine engagiertere Generation in den Markt eintritt, die den Fokus mehr auf Umwelt-, soziale und Governance-Themen legt. Laut Dan Amos, CEO des amerikanischen Versicherungskonzerns Aflac, haben Millennials oft bewiesen, dass ihnen soziale Fragen wichtig sind. Diese wiederum sind direkt mit der Reputation eines Unternehmens verbunden.

„Millennials interessieren sich nicht nur für Profit und Verlust, sondern wofür ein Unternehmen steht und wie es das vertritt“, sagt Amos. „Teil der Verantwortung eines Vorstands ist die strategische Planung – und innerhalb der strategischen Planung die Frage, wie die Menschen das Unternehmen in Zukunft sehen: der Kunde, der Mitarbeiter, die Shareholder. Es ist sehr wichtig, dass ihnen das Image des Unternehmens zusagt“, hat er beobachtet.

So erhöhen Kommunikatoren ihre Chance auf einen Sitz im Vorstand:

1. Klein anfangen

Ein Sitz in einem kleinen Vorstand – sei es in einer NGO, einer Universität oder einem privaten Unternehmen – kann eine gute Möglichkeit sein, Erfahrung zu sammeln und nützliche Verbindungen zu knüpfen.

2. Das Netzwerk ausweiten

Gutes Netzwerken ist eine ebenso naheliegende wie wichtige Möglichkeit, Vorstandsmöglichkeiten aufzuspüren.

3. Die Initiative ergreifen

Sehen Sie sich nach Möglichkeiten um, in Ihrem Unternehmen aktiv zu werden, besonders wenn die Kommunikation das Ergebnis wesentlich beeinflussen kann.

4. Den Lebenslauf überarbeiten

Der klassische Lebenslauf, mit dem Sie Ihren aktuellen Job als Kommunikator erhalten haben, eignet sich eventuell weniger für den Aufsichtsrat. Überarbeiten Sie ihn stattdessen, um die Arbeit hervorzuheben, die für den Aufsichtsrat relevant ist, und betonen Sie Ihre Führungserfahrung im Beruf und in der Community – wenn möglich anhand von messbaren Größen.

5. Breitgefächerte strategische Erfahrung sammeln

Aufsichtsräte suchen vielseitige Direktoren mit einer breiten Geschäftsperspektive. Es ist daher wichtig, einen weiteren Kompetenzbereich zu entwickeln, damit Sie sich von anderen Kommunikationsexperten abheben.

Dieser Gastbeitrag erschien zuerst in einer längeren Fassung im englischsprachigen Magazin Communication Director (4/19).

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ENDE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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