„Kommunikation gehört zu unserem Kerngeschäft“

EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm

Herr Bedford-Strohm, bei der diesjährigen Speakersnight im Rahmen des Kommunikationskongresses haben Sie eine Rede gehalten. Eine ungewöhnliche Wahl, fanden einige. Was haben Kirche und Kommunikation gemeinsam?

Heinrich Bedford-Strohm: Kommunikation ist für die Kirche ein absolut zentrales Thema. Man kann sogar fast sagen, Kirche ist Kommunikation. Denn es geht um die Kommunikation zwischen Gott und den Menschen und, damit untrennbar verbunden, um die zwischenmenschliche Kommunikation. Wir haben es also immer mit einem Beziehungsgeschehen zu tun, in dessen Zentrum natürlich Kommunikation steht. Die Kommunikation gehört also zu unserem Kerngeschäft.

Kommunikatoren sollten öfter mal in die Bibel schauen, sagten sie zu diesem Anlass auch. Was kann sich die Kommunikationsbranche von der Kirche abschauen?

Zunächst ist es etwas ganz Eigenes der Kirche, dass sie nicht einfach einen bestimmten Zweck verfolgt. Das tut sie schon auch – beispielsweise Mitgliederbindung. Das ist aber nicht ihr Hauptzweck. Stattdessen gibt es einen Selbstzweck – die Kommunikation unseres Glaubens, der Botschaft der Liebe. Wichtig ist, dass wir selbst ausstrahlen, wovon wir sprechen. Das ist vielleicht etwas, das auch für Unternehmen und Organisationen von Bedeutung ist. Jedes Unternehmen muss für sich selbst beantworten, wofür es stehen will.

Umgekehrt gefragt: Was kann die Kirche von der Kommunikation lernen? In Anbetracht des Mitgliederschwunds ist effektive Kommunikation vielleicht auch hier wichtiger als früher.

Von der Kommunikation in Unternehmen lernen wir bereits heute in vielerlei Hinsicht, etwa bei der Nutzung der digitalen Medien. Hier sind wir angewiesen auf die Erfahrungen, die in Unternehmen dazu gemacht wurden. Bis wir das in der heutigen Intensität betreiben konnten, hat es eine Weile gedauert. Auch in Sachen Professionalität können wir uns etwas von Unternehmen abschauen. Da Kommunikation quasi unsere Grundaufgabe ist, laufen wir manchmal Gefahr, dies zu übersehen.

„Kommunikation hat dann Erfolg, wenn Sie berührt“, haben Sie gesagt. Ist dies für die Kirche, die ja sehr emotionale Botschaften kommuniziert, einfacher als für Politik und Wirtschaft?

Sicher ist es so, dass unterschiedliche Themen Menschen in unterschiedlichem Maß berühren. Existenzielle Themen, mit denen die Kirche besonders zu tun hat, können Menschen sehr tief berühren. Das ist natürlich nicht bei jeder beliebigen Kaffeesorte der Fall. Wenn wir bestimmte Dinge vermitteln wollen, läuft das nur bedingt über den Kopf.

Entscheidend ist, dass Menschen sich nicht benutzt oder instrumentalisiert fühlen. Wo so etwas geschieht spürt man am Ende doch: Hier geht es nicht um mich – das wird mir nur vorgegaukelt – sondern allein um den Unternehmenszweck.

Was empfehlen Sie also?

Dass der Zweck des Unternehmens im Vordergrund steht, ist ja legitim. Kommunikation muss aber immer so gemacht werden, dass der Respekt vor den jeweiligen Menschen zum Ausdruck kommt. Deswegen kann ich Unternehmen zur empfehlen, ethische Fragen in ihr Selbstverständnis aufzunehmen. Der Mensch sollte nie nur Mittel zum Zweck sein, sondern immer zugleich Zweck an sich.

Ich glaube, die Menschen haben ein sehr klares Gespür dafür, ob es Unternehmen und Organisationen wirklich um sie geht, oder ob sie am Ende nur benutzt werden. Und das im Bewusstsein zu halten, ist vielleicht ein guter Impuls, der aus der Kirche kommen kann.

Wenn der Mensch für die Kirche Zweck an sich ist: Wie erklären Sie sich, dass sich viele heute dennoch nicht mehr von ihr angesprochen fühlen?

Das hat verschiedene Gründe, deswegen muss man auch verschieden darauf reagieren. Zunächst einmal gibt es bestimmte demografische Faktoren, die stehen einfach fest. Die können wir nicht mehr beeinflussen. Ein weiterer großer Faktor sind natürlich auch die gesellschaftlichen Megatrends: Die Welt hat sich komplett verändert, beispielsweise gegenüber den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als es noch um guten Ton gehörte, in einer Kirche zu sein – wo es sogar soziale Sanktionen zur Folge hatte, wenn Menschen ausgetreten sind.

Heute können die Menschen – glücklicherweise – frei wählen, ob sie einer Kirche angehören wollen. Die Mitgliederzahlen sind also einfach ehrlicher. Ich möchte eindeutig nicht zurück in eine Welt, in der Menschen so vorgeprägt wurden, dass sie kein eigenes Verhältnis zu den Dingen entwickeln konnten. Deswegen freue ich mich über alle Menschen, die heute in Deutschland freiwillig Mitglied in der Kirche sind.

Das sind Punkte, auf die die Kirche selbst wenig Einfluss hat. Gibt es auch Aspekte, in denen sie mit Kommunikation sehr wohl etwas ausrichten kann?

Hier müssen wir uns die Frage stellen, wie nah die Kirche eigentlich an den Bedürfnissen der Menschen ist. Das hat sehr viel mit konkreten Dingen zu tun, beispielsweise: Wie gut werden Menschen bei Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen begleitet? Hier müssen wir uns bewähren. Diese Dinge so gut wie möglich zu machen, und zwar auf der Basis der christlichen Botschaft – daran arbeiten wir.

Natürlich kommt es auch auf die Sprache an, mit der wir unsere Botschaft weitergeben – auf Kanzeln, in Predigten, aber auch im Alltag. Diese sollte so einfach und verständlich wie möglich sein – und die Menschen berühren. Dann gibt es auch Resonanz.

Inwiefern kommuniziert die Kirche heute anders als beispielsweise vor 50 Jahren?

In früheren Jahrzehnten sind bestimmte Begriffe einfach als gesellschaftlich wichtig akzeptiert worden, etwa der Begriff „Sünde“. Sünde und Vergebung – solche Begriffe waren früher für die Menschen völlig normal. Heute sind sie für die meisten völlig unzugänglich geworden. Hört man „Sünde“, denkt man heute vielleicht an Diätsünden oder Parksünden – jedenfalls nicht an etwas sehr Tiefsinniges. Eigentlich ist hier aber von einer Beziehungsstörung die Rede – zwischen Gott und den Menschen, aber auch zu den Mitmenschen.

Wenn man das so interpretiert, verstehen die Menschen doch sehr genau, was gemeint ist. Denn sie erleben selbst, wie vergiftet die Atmosphäre unter Partnern, Freunden und in Familien manchmal sein kann – und den Grund kann man nicht wirklich dingfest machen. Wenn man dann die Sprache dafür hat, solche Beziehungsstörungen zu überwinden, gewinnen auch diese Begriffe plötzlich eine große Aktualität für das Alltagsleben. So müssen wir es mit den alten biblischen Begriffen machen: Wir müssen sie für die Fragen der heutigen Zeit erklären, die Menschen in ihrem täglichen Leben beschäftigen.

Auf der Speakersnight haben sie die Kommunikatoren dazu angehalten, dem „Narrativ der Hoffnung“ wieder mehr Raum zu geben. Inwiefern fehlt ihnen das heute?

Es ist schon zu beobachten, dass die Fülle und Komplexität der Probleme die Menschen manchmal erdrückt und zu dem Gefühl führt, dass wir im Grunde alle auf ein schwarzes Loch zugehen, weil diese Probleme nicht mehr zu bewältigen sind. Wenn man sieht, wie die Gewalt zunimmt, Konfliktherde neu befeuert werden, wie Leid wieder neu entfacht wird, kann man schon einmal den Mut verlieren.

Wenn man dann aber eine Grundhoffnung hat – unabhängig davon, was Prognosen sagen – fällt es vielleicht leichter, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen und im Sinne dieser Hoffnung zu handeln. Wie Dietrich Bonhoeffer sagte: „Wenn morgen der jüngste Tag anbricht, dann werden wir gerne die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“

 

 

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