„Junge Menschen vom fairen Handel überzeugen“

Deutscher Preis für Onlinekommunikation

Herr Caspari, beim diesjährigen DPOK haben Sie mit ihrem Projekt „Felix‘ Reisen für den fairen Handel“ den Preis in der Kategorie Storytelling gewonnen. Wie ist die Kampagne entstanden?

Daniel Caspari: Wir hatten uns in meiner Abteilung Ende 2017 zum Ziel gesetzt, eine neue und junge Zielgruppe zu erreichen um diese vom fairen Handel zu überzeugen. Wie alle Unternehmen und NGOs sind wir natürlich in den sozialen Medien zu Hause. Im Gegensatz zu Facebook und Instagram mussten wir uns bei YouTube allerdings eingestehen, dass wir mit eigenen Inhalten nicht die gewünschte organische Reichweite erzielten. So entstand der Plan, jemanden als Botschafter für unsere Arbeit zu gewinnen, der mit uns eine Geschichte entwickelt und seine eigene Community gleich mitbringt. Wir begaben uns also auf die Suche nach einem Partner – einem Youtuber, Influencer oder Webvideo-Produzenten – der selbst einen großen und erfolgreichen Kanal betreibt, das Talent hat, Geschichten emotional und mitreißend zu erzählen, und vor allem zu uns passt.

Kooperiert haben Sie letztendlich mit dem Youtuber Felix von der Laden, der unter dem Namen „Dner“ bekannt geworden ist. Wie kam es dazu?

Bisher ist Felix zwar nicht damit aufgefallen, dass er sich öffentlich mit fairem Handel oder nachhaltigem Konsum beschäftigt hätte. Wir haben uns aber ganz bewusst für jemanden entschieden, der bisher nur wenig Berührungspunkte damit hatte, um so unser Thema in einer neuen Zielgruppe auszuspielen. Felix zu überzeugen, war ein wichtiger Punkt. Er gehört ja zu den bekanntesten Youtubern Deutschlands und erhält sicherlich pro Tag zahlreiche Anfragen mit spannenden Angeboten. Eine Präsentationsform zu finden, die aus all diesen heraussticht, ihn direkt anspricht und letztendlich überzeugt, war zu Beginn die größte Herausforderung. Daher investierten wir zunächst viel Zeit in die Recherche und Planung der Ansprache. Dann ging es plötzlich relativ schnell: Auf die erste E-Mail folgte eine Woche später die Zusage zur Kooperation und beim ersten Treffen stellten wir bereits unsere Pläne für die Dramaturgie vor.

Wie sah diese Dramaturgie aus?

Die Idee war, eine Art Heldengeschichte in drei Akten zu erzählen. Zunächst mussten wir unsere Themen auf seinem Youtube-Kanal platzieren: Im ersten Video nimmt Felix an einer unserer Veranstaltungen teil und spricht dort zum ersten Mal öffentlich über Fairtrade und die geplanten Reisen. Kurz darauf will er mehr wissen, beispielsweise: Wo kommt eigentlich unser Kakao her und unter welchen Bedingungen wird er angebaut? Um das herauszufinden, macht er sich mit uns auf Entdeckungsreise an die Elfenbeinküste, dem größten Kakao-Produzenten der Welt.

Natürlich wollten wir über diese Videos nicht nur über Fairtrade selbst informieren, sondern die Zuschauer möglicherweise auch als Unterstützer für konkrete Kampagnen zu gewinnen. So war die zweite Reise eingebettet in eine weitere Kampagne von uns, die das Ziel hatte, den ersten deutschen Supermarkt dazu zu bewegen, komplett auf Fairtrade-Bananen umzusteigen. Felix animierte sowohl vor als auch während der Reise nach Kolumbien seine Community dazu, auf unserer Webseite dafür abzustimmen – mit Erfolg.

Zuletzt reisten wir in Indien die Produktionskette von Felix‘ erstem Fairtrade-Shirt ab – von der Ernte auf den Baumfeldern bis zur Näherei, wo es fertiggestellt wurde. Parallel zu unserer Reise startete der Verkauf des Shirts in seinem Merchandising-Shop.

Neben diesen zentralen Kommunikationsinhalten wurde das Storytelling gezielt um spannende und teils unterhaltsame Nebengeschichten aus den Themenfeldern Geschichte, Essen, Sport und Kultur ergänzt.

Warum hat die Kooperation zwischen Ihnen so gut funktioniert?

Gegenseitiges Vertrauen und Freiheit sind meiner Ansicht nach hier die ausschlaggebenden Faktoren gewesen. Wir wählten durch die Organisation der Reisen die vorfilmische Realität aus, während Felix mittels seiner Vlogs über deren Gestaltung entschied. Wir konnten uns dabei aufeinander verlassen und vertrauten dem jeweils anderen blind.

Eine weitere Besonderheit unserer Kooperation: Von Anfang an war klar, dass kein Geld zwischen uns fließen würde. Felix hat also praktisch „pro bono“ mit uns zusammengearbeitet. Im Umkehrschluss haben wir ihm völlige Freiheit dabei gelassen, die Geschichte in seinem Stil zu erzählen. Es gab also keine finale Abnahme der Videos, sodass ich teilweise selbst überrascht und begeistert war, wie er unsere Ideen umsetzte.

Sie erwähnten, dass sich Felix zuvor nicht öffentlich mit Nachhaltigkeit befasst hatte. Seine Wandlung war in die Dramaturgie miteingeplant, bei der Videoerstellung hatte er freie Hand. War das nicht ein Risiko?

Das war es definitiv, aber dieses Risiko sind wir eingegangen, denn wir sind überzeugt von unserer Arbeit. Außerdem hatte ich mich im Vorfeld ausführlich mit dem, was Felix macht, beschäftigt. Besonders gut hat mir gefallen, dass er offensichtlich den Wunsch hat, zu wirken und das Talent, schnell mit Leuten in Verbindung zu treten. Für unser Format – die Videos sollten im Tagebuchstil gehalten sein – war das mitentscheidend.

Felix mag kein klassischer Journalist sein, eher ein Videoproduzent mit journalistischen Fähigkeiten. Auch die Geschwindigkeit und Qualität, in der Felix gemeinsam mit seinem Kameramann Paul Sydow die Videos erstellt und bearbeitet hat, ist bemerkenswert. Bereits nach dem ersten Video war uns klar, dass er das sehr gut machen wird.

Welche Projekte planen Sie für die Zukunft? Werden Sie beispielsweise an der Kooperation mit Influencern festhalten?

Wir sind mit den Ergebnissen dieses Projekts sehr zufrieden. Auch an einer weiteren Kooperation mit Felix sind wir natürlich interessiert. Meiner Meinung nach wird es aber in Zukunft immer schwieriger, über die Arbeit mit Influencern glaubhaft Themen zu vermitteln.

Zurzeit denken wir darüber nach, uns künftig mehr im Webdoku-Bereich zu betätigen. Was in Bezug darauf zurzeit bei Funk, dem Online-Medienangebot und Content-Netzwerk der ARD und des ZDF, passiert, beobachten wir mit großem Interesse. Gerne würden wir künftig mehr mit Journalisten zusammenarbeiten und in solchen Formaten eigene Themen platzieren. Solche Berichte dürfen dann gerne auch kritischer sein.

Warum glauben Sie, dass Sie sich beim DPOK gegen ihre Konkurrenten durchsetzen konnten?

Außergewöhnlich ist zunächst einmal die Laufzeit und Reichweite der Kampagne: Über acht Monate haben wir insgesamt 17 aufeinander aufbauende Videos von insgesamt über 200 Minuten erstellt und damit über 3.5 Millionen Views erreicht. Das Thema konnte also sehr lange gespielt werden. Außerdem haben wir uns einfach sehr gut ergänzt: Wir als NGO setzen uns für einen gerechteren Welthandel ein. Felix möchte immer das Bestmögliche aus seiner Arbeit herausholen – in diesem Fall für unsere gemeinsame Sache.

Und das wichtigste: Ich glaube, für beide Seiten war das Projekt nicht nur ein Auftrag, sondern eine Herzensangelegenheit. Vor dem Start der ersten Reise sagte ich zu Felix und Paul: Wenn wir hier einen guten Job machen, werden wir den Blick auf Fairtrade unter den Jugendlichen in Deutschland für die nächsten Jahre prägen. Ich denke, dass uns das tatsächlich ein Stück weit gelungen ist.